Die Spur der bunten Steine

Steinbach (HB). Die Enkelin hat mit bunter Kreide eine Botschaft auf den Gehweg gemalt, die keinen Spaziergänger unberührt lässt. Es ist ein Geburtstagswunsch für den „lieben Opi“, den das Kind in diesen virusverseuchten Tagen nicht umarmen darf. Ein paar Meter weiter, auch im Wingertsgrundquartier, ziert ein Herz den grauen Belag. Und es gibt noch andere Signale, die Distanz in Nähe verwandeln sollen: Die Spur der Steine.

Wer glaubte, die Initiative „Wir snd Steinbach“, werde sich mit Fotos von glücklichen Paaren mit ebensolchen Hunden im Internet erschöpfen, der weiß es mittlerweile besser. Zum Angebot gehören bunte Steine, deren Spur sich vom Apfelweinbrückchen in der Steinbachaue über den Weiher bis zum Brunnen auf dem Freien Platz und schließlich bis zum Sportpark im Norden verfolgen lässt. Pionierarbeit haben hierzulande Kerstin Schiebold und Tanja Dechant-Möller geleistet, aber das Urheberrecht können sie nicht beanpruchen, denn die Anfänge stammen unter der Bezeichnung „painted rocks“ aus den USA.

Corona lässt keinen Raum für die klassische Suche nach bunten Eiern an den Ostertagen. Das jedenfalls meint die Steine-Community und will stattdessen ein Band aus bunten Kieseln durch die Stadt legen. Nach dem Motto: Alle ziehen an einem Strang. Kerstin Schiebold kennt den Brauch aus ihrer Kindheit, als noch kein Mensch an die Macht der Viren dachte. Sie hat mit ihren Kindern Julia (9) und Karoline (6) am Feldrain Steine gesammelt, sie mit wasserfester Acrylfarbe in den Regenbogenfarben angemalt und danach flächendeckend im Stadtgebiet verteilt.

In der Kastanienstraße versammelte sich Familie Dechant-Möller am Esstisch und verwandelte einen Sack Kieselsteine aus dem Baumarkt in kleine Kunstwerke. Jan Linus (9), der sechsjährige Julian, Mutter Tanja und Vater Jörg gaben den Steinen Gesichter, malten sie als weißen Osterhasen an oder machten aus einem flachen Stein ein Fantasieauto . Dann wurden sie im Freien platziert. In einer Baumhöhle am Freien Platz etwa, aus der ein Käfer mit großen Augen auf das Becken mit Steinbachwasser herabschaut.

In den Tagen vor Ostern haben ein Dutzend Familien eine Fährte mit Steinbachsteinen gelegt, nachdem Christian Teuscher, Vorsitzender des Elternbeirats der Grundschule, alle Klassen zur Teilnahme an der Aktion animiert hatte. Eigentlich sollen die Steine von Ort zu Ort bewegt, im neuen Umfeld fotografiert und ins Netz gestellt werden. Als Souvenir, das eingesammelt wird, waren sie nicht vorgesehen. Das hat nicht reibungslos geklappt und muss noch geübt werden. Damit sich Bürgermeister Steffen Bonk an „den Farbtupfern“ freuen kann. Pfarrer Herbert Lüdtke erinnert sich an seine frühen Jahre in Frankfurt, „als wir manchmal steinreich waren“.

Auch in einem Astloch hat sich ein bunter Stein versteckt. Foto: HB



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