Ein Stolperstein für Josef Schwarzschild

Historikerin Barbara Köhler berichtet vor dem Haus Schwanengasse 5 über das Schicksal des Steinbacher Juden Josef Schwarzschild, der 1943 von der Gestapo verschleppt wurde. Gunter Demnig setzt derweil unter den Augen der Besucher den Stolperstein an seinen Platz. Foto: HB

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Er war ein Mitbürger, von den anderen vertraulich „Seppel“ genannt, bis ihn die Gestapo abholte. Zum Gedenken an ihn und diese Zeit liegt jetzt ein Stolperstein vor seiner ehemaligen Wohnstätte.

78 Jahre nach seiner Ermordung in Auschwitz hat Josef Schwarzschild in seiner Heimatgemeinde ein würdiges Andenken erfahren. Seit Montag erinnert vor seinem Wohnort in der Schwanengasse 5 ein Gedenkstein an das Holocaust-Opfer, das sie im Dorf vertraulich „Seppel“ nannten, bis die Nationalsozialisten 1933 ihr Schreckensregiment begannen. Als ihn die Gestapo im Frühjahr 1943 abholte, hat sich niemand blicken lassen.

Als der Kölner Gunter Demnig am frühen Nachmittag sein Werkzeug auspackte, um in Steinbach den ersten und vermutlich einzigen „Stolperstein“ zu verlegen, wollten etwa 100 Menschen dabei sein. Die Anwesenheit des Bürgermeisters, des halben Magistrats, der Parteienvertreter, der Repräsentanten der Kirchengemeinden, der Schulleiterin und der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit machten die Bedeutung des Ereignisses deutlich.

Hausbesitzer Stefan Naas, von 1997 bis 2015 Bewohner der Immobilie und Ex-Bürgermeister, war Mitinitiator, als vor 25 Jahren eine Gedenktafel an der Straßenfront befestigt wurde. Der Text verzichtet auf jedes Pathos und stellt schlicht und ergreifend fest: „Hier lebte unser Mitbüger Josef Schwarzschild. Er wurde im Alter von 35 Jahren im Konzentrationslager Auschwitz ermordet ,weil er Jude war.“ Seitdem weiß man in der ganzen Stadt, welches Unrecht hier geschah.

Ein Stolperstein für einen Mitbürger

Demnig, mittlerweile 74 Jahre alt, hat die Idee mit den Stolpersteinen entwickelt und erstmals 1992 in seiner Heimatstadt Köln verwirklicht. Mittlerweile sind die Messingplatten mit den Opferdaten mehr als 80 000 Mal in 27 Ländern verlegt worden. In Demnigs Transporter lagen 2000 Steine, die innerhalb von neun Tagen ihre Bestimmungsorte erreichen sollten. Der Monatsausstoß der Manufaktur liegt bei 750 Exemplaren. Bürgermeister Bonk begrüßte es, dass jetzt auch Steinbach ein Teil „dieser guten Sache“ geworden ist. Die ersten Kontakte mit Demnig hatte der Geschichtsverein im Februar letzten Jahres aufgenommen. Die Stadt wird die Kosten von 120 Euro übernehmen.

Die Historikerin Barbara Köhler hat sich intensiv mit der Familie Schwarzschild beschäftigt. Sie erinnerte in der Schwanengasse an den 20. April 1943, Hitlers 54. Geburtstag, als die Nazischergen Josef abholten. Seine deutsche Ehefrau Anna Marie glaubte, ihr Ehemann werde in ein Gefängnis gebracht. Tatsächlich wurde er zunächst in einem Lager in Frankfurt-Heddernheim festgehalten und am 3. September von dort nach Auschwitz deportiert. Auf der Sterbeurkunde, die ihr im Januar 1944 übersandt wurde, wird der 10. Dezember als Todestag vermerkt und als Todesursache Herzmuskelschwäche angegeben. Die Witwe lebte noch bis 1976 in der Obergasse, weitere Hinterbliebene gibt es nicht mehr. Das Quellenstudium hat Barbara Köhler keine Erkenntnisse darüber gebracht, ob Josef Schwarzschild von Steinbachern an die Gestapo verraten wurde.

Josef wurde 1908 in Bommersheim geboren, er wuchs im Bahnwärterhaus am Viadukt in der Steinbachaue auf, besuchte die hiesige Schule. 1931 zog er mit seiner Frau in die Schwanengasse. Vor dem Haus betete Daniel Bober das Kaddisch, das jüdische Totengebet. Ein „Stolperstein für Josef Schwarzschild“ von Barbara Köhler ist in der Reihe „Steinbacher Geschichte“ erschienen. Die Broschüre kann für acht Euro beim Geschichtsverein bezogen werden.

Gedenken mit jüdischer Musik

Einige Stunden später gehörte der jüdische Liedermacher Daniel Bober mit seiner Gitarre zum Programm eines besinnlichen besinnlichen Abends im Bürgerhaus, der von der Stadt, den Kirchengemeinden und dem Geschichtsverein in Kooperation zusammengestellt wurde. Das Publikum im voll besetzten Saal hatte Josef Schwarzschild, dessen Bild auf die Bühne projiziert wurde, voll im Blick. Darunter saß auf der roten Couch die Schauspielerin Friederike Ott und las aus Victor Klemperers Schriften vor, in denen die verräterische Sprache des dritten Reiches analysiert und die alltäglichen Demütigungen geschildert werden, denen der jüdische Romanistik-Professor ausgeliefert war. Die Lesung wurde von der Frauen-Musikgruppe Klezmers Techter musikalisch begleitet. Sie interpretieren traditionelles jüdisches Liedgut neu und komponieren auch eigene Lieder. Bandleaderin Gabriela Kaufmann ist eine Schülerin der Klezmer-Legende Giora Feidman.

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