Ein Stolperstein soll an Seppel erinnern

In diesem Haus in der Schwanengasse 5 hat bis zum 20. April 1943 Josef Schwarzschild gewohnt. Nun soll davor ein Stolperstein gesetzt werden, der an das Schicksal des Steinbachers jüdischen Glaubens erinnert. Foto:HBl

Von Hans-Jürgen Biedermann

Steinbach. Die Menschen mochten ihn und machten aus Josef das vertrauliche „Seppel“. Er spielte bei der Germania Fußball und diente als Feuerwehrmann dem Gemeinwohl. Bei seiner Hochzeit wünschte ihm der ganze Ort alles Glück der Erden. Doch als die Nationalsozialisten 1933 ihr Schreckensregiment begannen, war Josef Schwarzschild nicht mehr der gute Kumpel von nebenan, sondern ein „Volksschädling“. Vor seinem Wohnhaus in der Schwanengasse 5 wird bald ein „Stolperstein“ an seine Ermordung im Vernichtungslager Auschwitz erinnern.

Als vor 24 Jahren eine Bronzetafel an die Fassade des Hauses Nummer 5 gedübelt wurde, war dies den Lokalzeitungen einen Aufmacher wert. Erwähnung fand darin ein 22-jähriger Jurastudent, der die Immobilie von seiner Großmutter geerbt hatte und über das Schicksal des einstigen Bewohners Bescheid wusste. Der Nachwuchspolitiker hieß Stefan Naas, saß für die FDP im Stadtparlament und erreichte, dass Josef Schwarzschilds Name auf dem städtischen Opferdenkmal verewigt wurde. Der Steinbacher Bub fungierte neun Jahre lang als Bürgermeister, ehe er im Herbst 2018 ins Landesparlament gewählt wurde.

Die Bronzetafel ist dem Einsatz eines Quartetts zu verdanken, zu dem Manfred Hundt (Geschichtsverein), Jürgen Schellbach (Grüne), Ansgar Koschel (Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit) und der Fotograf Heinz Göttert gehörten. Der Text verzichtet auf jedes Pathos und stellt schlicht und ergreifend fest: „Hier lebte unser Mitbüger Josef Schwarzschild. Er wurde im Alter von 35 Jahren im Konzentrationslager Auschwitz ermordet ,weil er Jude war.“

Termin in etwa einem Jahr

An den Kölner Gunter Demnig dachte damals noch niemand. Mittlerweile hat der Künstler mehr als 75 000 Stolpersteine mit den in Messingplatten eingravierten Lebensdaten der Opfer vor den Wohnhäusern, aus denen sie deportiert wurden, verlegt. Im Sommer wird Serbien als 27. Land, das sich in Europa an dieser Aktion beteiligt, dazu kommen. Einen Termin bei Demnig zu bekommen ist schwierig, vor Anfang 2021 wird es keinen geben. Anstoß für einen Stolperstein als Ergänzung der Bronzetafel gab der Steinbacher Professor Harald Schwalbe, der damit einen aufrechten Gewerkschafter und überaus hilfsbereiten Handwerker zum öffentlichen Thema machte.

Josefs Schwarzschilds Eltern, Vater Abraham und die aus Bommersheim stammende Mutter Amalie, meldeten Josef 1915 in der Schule an, die damals noch im heutigen Rathaus untergebracht war. Dort lernte er seine spätere Frau Anna Marie Seitz kennen. 1931 wurde geheiratet und in das Elternhaus der Braut gezogen. Dort, in der Schwanengasse, lebte das Ehepaar „unauffällig und unbehelligt“, heißt es in einem Artikiel aus der Feder von Bernd Vorlaeufer-Germer, VHS-Seminarleiter in Oberursel. Nach Verabschiedng der Nürnberger Gesetze, mit denen Juden stigmatisiert wurden, rückten die Kumpel jedoch zusehens von „Seppel“ ab, aber seine Frau hielt zu ihm.

Der Ortsgruppeneleiter der NSDAP hatte ihn schon lange im Visier, und schließlich lieferte er Josef Schwarzschild 1943 an die Gestapo aus, weil er den gelben Judenstern nicht getragen haben soll. Am 20. April, Adolf Hitlers 54. Geburtstag, wurde er von den Schergen abgeholt. Zunächst musste er Zwangsarbeit verrichten, ehe er im September 1943 vom Heddernheimer Lager nach Auschwitz deportiert wurde. Seine tapfere Ehefrau erhielt im Januar 1944 die Nachricht, ihr Mann sei am 10. Dezember „an den Folgeen von Herzmuskelschwäche“ gestorben. „Das ist er auf keinen Fall, sondern er wurde durch Mörderhand umgebracht“, dachte Anna Marie über die Todesnachricht.

Beinahe 80 Jahre später wird Harald Schwalbes Idee vom Vereinsring umgesetzt. Vorsitzender Kai Hilbig will – nach einer positiven Reaktion sowohl des Bürgermeisters Steffen Bonk als auch der Kirchengemeinden – dem Künstler in diesen Tagen den Auftrag erteilen.

Der Stein kostet 120 Euro, doch rechnet man hierzulande inklusive der Beherbergung mit Kosten zwischen 500 und 1000 Euro. Der Betrag soll durch Spenden zusammenkommen. Für die Initiatoren ist ein würdevoller Rahmen selbstverständlich. Sofern es Verwandte des Opfers gibt, werden diese genauso eingeladen wie Nachfahren der aufrechten Anna Marie Seitz, über deren Vita in der Nachkriegszeit wenig bekannt ist. Sie soll wieder geheiratet, in Steinbach als Wäschefrau gearbeitet und in der Obergasse gewohnt haben.

Heute ein attraktives Haus

Die Schwanengasse 5 hat Eigentümer Stefan Naas in ein attraktives Fachwerkhaus verwandelt, in dem er einige Zeit wohnte, das er mittlerweile jedoch vermietet hat, um in einen Neubau im Hinterhof zu ziehen. Naas sagt, von der Stolpersteininitiative habe ihn der Geschichtsverein, dessen Mitglied er ist, bislang nicht unterrichtet.



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