Warum Willi gerne Küsse verteilt

Bücher übers Anderssein stellt Nicole Kaluza, Leiterin der Stadtbücherei, den Jungs und Mädchen bei der Vorlesestunde im Bürgerhaus vor. Foto: lm

Steinbach (lm). „Es gibt nichts Schöneres, als eine Schwester zu haben“, liest Nicole Kaluza, Leiterin der Stadtbücherei, aus dem Bilderbuch „Lilly gehört dazu!“ von Irmgard Partmann und Laura Bednarski vor und beginnt so am Mittwochnachmittag die Lesestunde im Bürgerhaus. Die Kinder, alle zwischen drei und zehn Jahren, sitzen auf bunten Matten vor ihr und hören gespannt zu. Als sie erfahren, dass Lilly ein bisschen anders ist, nicht auf Bäume klettern kann oder beim Backen immer ein riesiges Chaos veranstaltet, lachen sie. Doch Lilly macht auch viele Sachen, die die Jungs und Mädchen auch von sich selbst kennen: Pommes essen, trödeln oder Quatsch machen zum Beispiel. „Eigentlich scheint Lilly ein ganz normales Mädchen zu sein“, erzählt Nicole Kaluza und erklärt ihnen anschließend, dass Lilly eine angeborene Krankheit hat, von der die Kinder vielleicht schon gehört haben und die Trisomie 21 heißt. Nachdem Nicole Kaluza das Buch zugeklappt hat, ist die Lesestunde aber noch nicht vorbei. Als nächstes steht das Buch „Planet Willi“ von Birte Müller auf dem Leseplan. Wieder geht es um das Thema Trisomie 21. Die Autorin verwandelt ihre eigenen Erfahrungen als Mutter in eine Kindergeschichte mit Illustrationen. Willi sei ursprünglich von einem anderen Planeten, heißt es da im Buch. Dort ginge einiges auf eine eigene Weise zu, was erklärt, warum Willi nicht sprechen kann, gerne Küsse verteilt und nach der Geburt zunächst nicht eigenständig atmen konnte. „Was?“ Davon waren die Kinder besonders überrascht und lernten Stück für Stück Willis Welt kennen. Was wir uns davon abgucken können, heißt es im Buch, sei es die Dinge mit ein wenig mehr Geduld und Ruhe anzugehen. Zwischendrin zeigt Nicole Kaluza den Kindern immer wieder die Illustrationen im Buch. „Ich glaube nicht, dass Willis Eltern in echt auch so aussehen“, kommentiert eines der Kinder. Nachdem die Jungs und Mädchen den zwei Geschichten aufmerksam zugehört haben, dürfen sie noch gemeinsam malen.

Die Vorlesestunde der Bücherei findet nun wieder regelmäßig, einmal im Monat, statt. Auch beim von der Stadt geplanten Sommerprogramm „Steinbach Open Air“ soll die Vorlesestunde, wie im vergangenen Jahr, dabei sein. „Es werden immer andere Themen aufgegriffen“, erzählt Nicole Kaluza. „Wir haben zum Beispiel schon mal alte Kinderbücher auf dem Programm gehabt aber auch Themen wie Freundschaft, Mut oder darüber, wie man miteinander streitet.“ Das heutige Thema „Behinderung“ findet die Leiterin der Stadtbücherei sehr wichtig. „Es geht um Integration und Inklusion“, merkt sie an. „Mittlerweile gibt es viel Material in der Kinderliteratur, das diese Themen anspricht. Es wird zum Beispiel in unterschiedlichste Kulturen eingetaucht oder unterschiedliche Familienbilder aufgezeigt“, so Kaluza. Viele solcher Bücher seien auch in der Stadtbücherei zu finden. „Leider verliert Vorlesen in einigen Familien an Selbstverständlichkeit. Das merkt man manchmal an mangelnder Konzentration bei den Kindern“, weiß sie. Diese Stunde zeigte allerdings – die Kinder sind mit Spannung dabei. So auch Tochter und Sohn von Svenja Wolf, die erzählt, dass sie ihren Kindern Zuhause viel vorliest, aber die Vorlesestunde der Stadtbücherei zusätzliche Abwechslung bringe. „Vor allem durch das Zusammensein mit den anderen Kindern“, führt Svenja Wolf aus. „Die Kinder hören bei allem gerne zu und es scheint, als erleben sie die Geschichte beim Vorlesen selber“.



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