„Abgeschmiert“ – Theaterprojekt vom Feinsten

Die Insel im Zentrum der Zuschauer wurde kurzerhand zum rettenden Floß.Foto: Scholl

Sulzbach (Sc) – Was passiert mit neun Jugendlichen, die auf dem Rückflug von einer Klassenfahrt nach Brasilien mit ihrem Flieger „abschmieren“ und sich nach einer Bruchlandung alleine auf einer kleinen, einsamen Insel wiederfinden? – Als klar wird, dass keine Rettung zu erwarten ist, versuchen sie, mit sich selbst und ihrer Situation klarzukommen, müssen sich zusammenraufen und gemeinsam Lösungen suchen, wo vorher lupenreine Individualisten am Werk waren.

Die Theater AG der Mendelssohn-Bartholdy-Schule (MBS) in Sulzbach und das Jugendtheater des Jugendcafes Bad Soden präsentierten kurz vor den Sommerferien unter der Spielleitung von Andelina Hugler und Volker Zill in einem gemeinsamen Projekt das selbstentwickelte Stück „Abgeschmiert“, das durch seine tolle Story, die engagierten Darstellerinnen und Darsteller sowie die unkonventionelle Art der Aufführung mehr als überzeugte.

Ein ganzes Jahr Vorbereitung steckt in dem Stück, das am 2. Juli in der Aula der MBS Premiere hatte. Das Besondere an der Aufführung war nicht nur die Tatsache, dass sich die jungen Darstellerinnen und Darsteller „ihre“ Rollen selbst „auf den Leib“ schneidern konnten, sondern auch die Art der Aufführung begeisterte. Das Stück fand nicht auf einer normalen Theaterbühne statt, sondern auf einer wahrhaftigen Insel – inmitten der begeisterten Zuschauer. Hier fanden sich die Protagonisten – neun Jugendliche, mit allen Ecken und Kanten ihrer Generation gesegnet – nach dem Flugzeugabsturz wieder. Verwirrt und geschockt realisieren sie, dass sie die einzigen Überlebenden sind und sehen sich der Situation gegenüber, dass nichts mehr so ist, wie es war: die schicke Kleidung zerrissen, das Make-up verwischt, nichts zu essen und das Schlimmste: kein Mobilfunkempfang!

Was machen neun Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein können, gemeinsam und auf sich gestellt an einem einsamen Inselstrand? – Sie zicken erstmal. Die eine nervt, weil ihr Schuh kaputt ist, die andere sucht Handyempfang. Es wird gezankt, gemeckert und gezickt – bis sich alle darüber klar werden, dass sie gemeinsam handeln müssen, um ihr Überleben zu sichern. Aber: Was ist, wenn das Feuer ausgeht oder eine Streiterei die Gruppe entzweit?

Die jungen Leute müssen lernen, sich zusammenzuraufen, zurückzustehen und sich selbst auch oft nicht so wichtig zu nehmen, um gemeinsam zu überleben. Sie müssen Ängste überwinden, Vertrauen schenken, Geschlechterrollen hinterfragen und um Überzeugungen kämpfen, um in der Gruppe bestmöglich zu „überleben“.

Ganz nebenbei erleben sie aber auch eine wunderbare Gemeinschaft – mit Chillen am Strand, Quatschen, Zuhören und kleinen Spielchen, die, wie das Spiel „Wahrheit oder Pflicht“, den Blick in so manche Jugendseele offenbaren. Am Schluss ist es gerade die oft belächelte „Esoterik“-Anhängerin, die die anderen zu einem Floßbau animiert, um die Insel doch noch verlassen zu können. Das Projekt „Flugzeugfloß“ läuft nicht ganz so, wie erwartet und konfrontiert die jungen Menschen mit Gedanken an das Sterben und den Tod, bevor sie schließlich gerettet werden und nach Hause kommen.

Sehr schön ist die Idee der Aufzeichnung eines späteren Treffens der Jugendlichen – sie sind charakterlich gereift, halten zusammen und freuen sich über die kleinen Dinge, die sie nun gemeinsam erleben dürfen, anstatt nur diejenigen Ansprüche zu erfüllen, die von außen an sie gestellt werden. So ist dieses kurzweilige Theaterstück, das viel mehr Aufführungen verdient hätte, auch eine „Coming of Age“ Geschichte – eine (gemeinsame) Geschichte, die das Leben schrieb und die Eugene Yuzin, Haeun, Amber, Audrey, Nadia, Chiara, Tristan, Lotti und Marlis ganz wunderbar, cool und unverwechselbar auf die Bühne gebracht haben.

Theatergruppe mit viel Spaß und Fantasie: Eugene Yuzin, Haeun, Amber, Audrey, Nadia, Chiara, Tristan, Lotti und Marlis
Foto: privat



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