Herzlichen Glückwunsch zum 90. Geburtstag, Wozi!

Mit brennendem Herzen für Bad Homburg: der ehemalige Kommunalpolitiker, Lehrer und vielfach auch ehrenamtlich tätige Pädagoge Wolfgang Zimmermann feiert am Samstag seinen 90. Geburtstag zusammen mit seinem „besseren Ich“, seiner Ehefrau Hildegard. Foto: a.ber

 

Bad Homburg (a.ber). „Ja, kommen Sie ruhig früh – Morgenstund’ hat Gold im Mund!“ Als wir im Esszimmer seines kleinen Bungalows in der sogenannten „Holland-Siedlung“ beim Gluckensteinweg sitzen, fällt die Morgensonne auf den Tisch, auf dem Wolfgang Zimmermann allerhand Schriftstücke und Zeitungsartikel ausgebreitet hat. Zeugnisse seines Lebenswegs und seines langjährigen Wirkens für seine Vaterstadt Bad Homburg. Doch Wozi, wie er von Generationen von Schülern und von Wegbegleitern aus der Kommunalpolitik oft genannt wird, der am kommenden Samstag seinen 90. Geburtstag feiert, braucht diese Gedankenstützen eigentlich nicht. Anerkennung und Renommee? Nein, sagt er, für ihn seien andere Tugenden wichtig: Wahrhaftigkeit und Freundlichkeit, Bescheidenheit und Liebe zur Heimat.
Zielstrebigkeit und Fleiß waren sicher auch Tugenden, die zum Leben Wolfgang Zimmermanns gehörten. Er war der erste seiner Familie, der über die Volksschule hinaus später ein Studium absolvierte. Am 3. Juli 1931 „in schwerer Zeit“ im Elternhaus in Bad Homburg in sehr bescheidenen Verhältnissen geboren, erlebte er seinen oft arbeitslosen Vater Wilhelm – „der aufrechte Sozialdemokrat wurde damals oft als vaterlandsloser Geselle verunglimpft“ – und seine Mutter Emma in der Kindheit als „streng, aber gerecht“. Damals sei nicht wie heute viel diskutiert und erklärt worden, des Vaters Wort galt wie das Amen in der Kirche. „Aber das gab mir und meinem älteren Bruder auch Halt.“ Trotzdem Kindheit und Jugend überschattet waren vom Zweiten Weltkrieg, bezeichnet Wolfgang Zimmermann sie im Rückblick als schön. Als Schüler der Landgraf-Ludwig-Schule traf er sich fast jeden Tag mit Freunden in der Obergasse: „Da haben wir Straßenfußball gespielt, barfuß meist, auch mal verbotenerweise mit den Sonntagsschuhen oder in viel zu großen alten Latschen, den ‚Mainbootchen‘, die wir vorne mit Zeitung ausstopften“, erinnert er sich. Ohne Rücksicht auf Verletzungen oder Fensterscheiben, und er sei einer der Eifrigsten gewesen, sagt der heute noch Fußballbegeisterte, der viele Jahre Fan der Spielvereinigung 05 Bad Homburg war und gerade auch „mit klopfendem Herzen“ die Fußball-Europameisterschaft am Fernseher verfolgt.

„Ich hatte regelrecht Heimweh!“

Vom Volksschüler, der nach Kriegsende seine Schulaufgaben mangels Papier auf Zeitungspapier-Ränder notierte, über eine kaufmännische Lehre und ab 1954 als Schüler am Abendgymnasium Frankfurt, wo er mit 25 Jahren das Abitur ablegte und ein Studium der Germanistik, Geschichte, Philosophie und Politik an der Goethe-Uni absolvierte – Wolfgang Zimmermann lernte immer „mit Feuereifer“. Seinen Wunsch, Lehrer zu werden, konnte er verwirklichen: Von der ersten Stelle als Assessor an der Pestalozzischule Idstein zog es ihn schon bald wieder in seine Heimat. „Ich hatte regelrecht Heimweh!“ Von 1963 bis 1974 unterrichtete Wolfgang Zimmermann an der Kaiserin-Friedrich-Schule, 1970 wurde er Oberstudienrat. Gerne spricht er noch heute über seine Zeit am humanistischen Gymnasium unter den Direktoren Mariott und Dienemann. Manches in der Pädagogik sei zu jener Zeit anders gewesen als heute, autoritärer, sagt er und gibt voller Bedauern ganz offen zu, dass sicher „einige ehemalige Schüler noch heute einen Bogen um mich machen, wenn sie mir begegnen“. Einen Abiturienten habe er mal vor der Abifeier nach Hause geschickt, weil er in Jeans, „in Räuberzivil“ erschienen sei. Ein einziges Mal sei ihm auch in seiner Lehrerkarriere die Hand ausgerutscht, als ein Schüler auf einer Wanderung einen Frosch bei lebendigem Leibe entzwei gerissen habe: „Der hat es aber seinen Eltern nicht weitererzählt, er hat diesen Ausrutscher von mir akzeptiert.“ Vieles an der heutigen Pädagogik findet der ehemalige Lehrer gut, auch stellt Zimmermann selbst manche eigene Handlung als Lehrer von damals heute infrage.
Dass er ab 1972 bei der Planung und als Pädagogischer Leiter und später stellvertretender Schulleiter der Gesamtschule am Gluckenstein (GaG) auch für Schüler da sein konnte, die vom Leben nicht so privilegiert waren, ermöglichte ihm, für diese in Homburg erst ungeliebte Schulform und speziell auch für Ausländerkinder und deren Bildung einzutreten. Seine eigenen Kinder Bernd und Beate gingen ebenfalls auf die GaG; heute sind sie Ministerialrat im Deutschen Bundestag und Tierärztin. Immer wieder trifft Zimmermann auf dankbare ausländisch-stämmige ehemalige Schüler, die sich gerne an ihn erinnern. Dass er in all den Jahren – auch durch die Prägung in Elternhaus und Jugend – „überzeugter Sozialist und Pazifist“ blieb, wissen auch seine kommunalpolitischen Weggefährten. 1953 in die SPD eingetreten, war Wozi unter anderem Mitbegründer des Bad Homburger Jugendparlaments und des Frankfurter Studentenparlaments, zweimal in 45 Jahren ehrenamtlichen Engagements in der Kommunalpolitik Fraktionsvorsitzender der SPD-Stadtverordneten, viele Jahre auch Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt und Förderer der Städtepartnerschaften. Als langjähriger Jugendschöffe am Gericht und Schiedsmann, aber auch in zahlreichen weiteren Ehrenämtern und bei seiner Lehrtätigkeit für die VHS lernte Zimmermann seine Homburger immer besser kennen und schätzen. Wie sie so sind? „Die Homburger sind zugänglich, man kann immer mit ihnen reden und sogar Pferde stehlen!“, beschreibt er.
Wenn man den 90-Jährigen, der 1990 das Bundesverdienstkreuz am Bande erhielt, fragt, was das Leben denn ausmache, antwortet er: „Sich nicht allzu ernst nehmen oder wichtiger, als man ist, auf andere hören und auch mal deren Standpunkt einnehmen und Kompromisse schließen, vergeben können.“ Zimmermann hat immer gerne mit  Pfarrern seiner evangelischen Kirche gesprochen; ein großes Vorbild für ihn ist der Theologe Martin Niemöller. Aber nicht nur dieser, sondern auch seine Ehefrau Hildegard, die er als Nachbarin seines Elternhauses im Gluckensteinweg in den 1950er-Jahren kennen- und liebenlernte,  ist für den Jubilar Vorbild – „treu, aufmunternd wie ein Dynamo, bescheiden und aufopferungsvoll, mein zweites besseres Ich“, sagt er liebevoll. Wenn er mit seiner Familie am Samstag seinen 90. Geburtstag feiert, steht dieses lange glückliche Eheleben gewiss im Mittelpunkt.

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