Abend mit viel Platz zur Improvisation

Die beiden Größen der TV Unterhaltung, Walter Sittler und Johann von Bülow, geben sich als Frohnatur und kühler Kritiker mit lockerem Anstrich. Foto: nl

Bad Homburg (nl). Man muss schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben, um sich an Sternstunden der Fernsehgeschichte erinnern zu können. Zur besten Sendezeit gab es Dieter Hildebrandts Kommentare und satirischen Rückblick auf all das, was Politiker mal wieder so Unnötiges oder gar in den Augen des Kabarettisten so Dummes getrieben hatten – nichts entging dem sezierenden Blick des großen Meisters der Ironie.

Ein paar Jahre später dann tauchte ein weiterer Intellektueller auf dem Bildschirm der Öffentlich-Rechtlichen auf: Roger Willemsen. Was heute wahrscheinlich eher undenkbar ist, war damals quotentauglich und gefiel vielen. Beißender Humor, nichts, was konform ist oder etwa niemanden ausgrenzt. Die Zunge saß locker, und der Spott wurde großzügig und konsequent über alle Personen des öffentlichen Lebens verteilt, die sich eher ungeschickt verhalten und sich nicht mit Ruhm bekleckert hatten. Roger Willemsen, der feine Querdenker, und Dieter Hildebrandt, der erbarmungslose Realist. Die beiden lebten noch einmal für einen kurzen Samstagabend im Rahmen des Bad Homburger Poesie- und Literaturfestivals auf.

Die beiden Lieblinge des deutschen TV-Films, Walter Sittler und Johann von Bülow, schlüpften dafür in die Rolle der bereits verstorbenen Ikonen. So hieß denn auch passenderweise der Abend: „Die Lügen in der Geschichte der Menschheit“. Dafür wurde keine Sparte ausgespart. Religion und Kirche, die Kunst und die Politik – alle bekamen ihr Fett weg.

Donald Trump und Christian Lindner, aber auch Galileo Galilei und sogar Pippin der Kurze, Vater Karls des Großen, der 800 nachChristus in Aachen zum Kaiser gekrönt wurde – keiner wurde vergessen. Ganz egal, wie lange oder eben wie aktuell die jeweiligen Schandtaten denn nun her waren.

Der Abend war frei gestaltet und gab den erstklassigen Schauspielern viel Platz zum Improvisieren und zur Äußerung eigener Ansichten. Dennoch gab es eine Vorlage für diesen doch so lebendigen Abend voller Schwindeleien und Lachsalven. 2009 war, sozusagen um die Ecke Bad Homburgs, im Frankfurter Fischer Verlag das Buch von Hildebrandt und Willemsen „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!“ erschienen.

Davon ausgehend, dass jeder im Durchschnitt mindestens 200 Mal am Tag lügt, um unbeschadet durch den Alltag zu kommen, scheint ganz offensichtlich das Verdecken von Wahrheiten eine überlebenswichtige Kulturtechnik zu sein. Nachhilfestunden dazu gab es auf sehr unterhaltsame, pointierte Art und Weise im Rahmen des mittlerweile ins 15. Jahr gehenden Poesie- und Literaturfestivals.



X