Abtauchen in eine Welt der Schwerelosigkeit

Können wir auf der Welt nicht friedlicher und besser teilen? Unter dem Eindruck des Kriegsbeginns im Februar 2022 malte Künstlerin Christine Hübner, die derzeit in der Englischen Kirche ausstellt, diese Bilder von Fischen mit Nudeln, in denen sich Loriot’scher Humor verbirgt. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Kunst stellt mal wieder unsere Weltsicht auf den Kopf. Da hängen drei Fische kopfüber an Seilen. Oh, denken wir, die haben aber ein Problem – sind gefangen worden, hängen jetzt an den Schwänzen zum Trocknen hier und enden als Stockfisch im Eintopf. Aber da ist dieser Hintergrund. Künstlerin Christine Hübner hat ein positives helles Lila als Bildhintergrund gewählt; und die Seile, an denen die Tiere hängen, haben auch keinen Anfang, sie laufen vom oberen Bildrand herunter aus dem Irgendwoher.

Hintergründig beschleicht uns die Ahnung, dass nicht Anfang, nicht Ende, sondern der Augenblick gemeint ist. Der Augenblick, in dem wir lockerlassen, abhängen, loslassen – wie diese Fische, die bei näherem Hinsehen gar nicht tot wirken. „HangLoose“ ist der Titel des Bildes, das in der aktuellen Ausstellung „Abgetaucht“ mit Gemälden von Christine Hübner in der Englischen Kirche am Ferdinandsplatz zu sehen ist. Bis zum 12. Februar können Besucher hier abtauchen in eine Welt, in der Schwerelosigkeit und Leichtigkeit herrschen, wo der Fisch als Symbol uns hilft, unter unsere oberflächliche Wahrnehmung zu gelangen: Entspanne dich, bleib locker, auch wenn die Dinge des Lebens nicht zusammenpassen wollen!

„Alles, was wir Menschen im Fokus behalten möchten in unserem Leben, haben wir fest am Haken hängen“, meint Christine Hübner. „Aber es kommt darauf an, dass nicht ich selbst plötzlich am Haken hänge“, erklärt die Künstlerin bei der Vernissage, zu der viel Publikum in die Englische Kirche gekommen ist. „Hang loose!“ ist die entspannte, lockere Haltung der Hawaiianer: Man muss sich nur im richtigen Augenblick reinhängen in die Wogen des Lebens.

Die ausgebildete Physiotherapeutin Christine Hübner, Jahrgang 1979, die bei einem Ur-Hawaiianer die Lomi-Lomi-Nui Entspannungstherapie lernte und die Lebenshaltung des Inselvolks schätzt, sieht in den Fischen, die auf vielen ihrer Bilder im Mittelpunkt stehen, diesen Ausdruck von Leichtigkeit. „Sie strahlen Ruhe aus, ohne Mimik.“ Und für die Hawaiianer stehe der Ozean für die Tiefe des Lebens. Christine Hübner stellt uns in diesen großen Raum: Der riesige Fisch und der winzige Mensch werden zu Symbolen für Gegensätze, die in Beziehung zueinander treten – einfach so, ganz entspannt.

„Barfuss im Regen“: Den Kopf eines mächtigen silbernen Fisches, der im flaschengrünen Wasser dahingleitet, rennt eine ganz kleine Frauengestalt mit aufgespanntem Regenschirm hinab – gleich wird sie ins Wasser laufen, ohne Halt. Oder hält das Wasser sie dann wie den Fisch, der es einfach geschehen lässt? „Majic can fly“: In schwarzer Meerestiefe ein grün-weiß leuchtender Fisch mit Glotzaugen, er beherrscht die Szene wie ein Mond bei Nacht – doch da unten am rechten Bildrand sitzt, mit feinen Pinselstrichen gemalt, auf einem umgedrehten Küchenstuhl die Miniatur eines Mannes, der gerade einen Papierflieger in die Luft wirft. Was können wir bewirken in unserer Welt mit dem, was wir „ent-werfen“ und erfinden? „Trust Swing“: Der große Fisch hält die Seile einer kleinen Schaukel im Maul, auf der ein Mädchen fröhlich hin- und herschwingt. Wohin schwingen wir mit eigener Kraft, wenn er das Maul öffnet?

Der Fisch in Christine Hübners Werken ist das statische Moment der Verlässlichkeit, die es zum Leben braucht. Der Mensch ist in Bewegung, fliegt, rennt, turnt und sorgt für sich. Kräftige leuchtende Farben benutzt die aus Mainz stammende und nun in Friedrichsdorf lebende Autodidaktin auch bei ihren anderen Bildmotiven, die mit Humor und Witz Themen der Umwelt und des Weltgeschehens aufgreifen.

Eine weggeworfene Bananenschale im Fallen und eine halb aufgegessene Eistüte am Boden: „Let’s make better mistakes tomorrow“ steht da in großen roten Lettern. Es sind Bilder mit Tiefgang – eine gute Gelegenheit für den Betrachter, am Anfang des Jahres mit Leichtigkeit ins Nachdenken zu kommen.

!Die Ausstellung „Abgetaucht“ mit Bildern von Christine Hübner ist bis zum 12. Februar im Kulturzentrum Englische Kirche am Ferdinandsplatz zu sehen. Geöffnet samstags und sonntags von 11 bis 14 Uhr und jeweils eine Stunde vor Veranstaltungen. Eintritt frei.

Weitere Artikelbilder



X