Bad Homburg. Beim Jahresempfang des Kreises im Bad Homburger Güterbahnhof rückte für Momente ein Ärgernis in den Vordergrund, das so explizit nicht auf der Tagesordnung stand. Aber gut zur Tageslosung passte. Zum Motto „Dialog“ war Alon Meyer geladen, der Präsident des jüdischen Sportverbandes Makkabi Deutschland. Den Dialog suchte auch Landrat Ulrich Krebs (CDU), mit dem Weltkonzern Alstom, der die „unerträgliche Situation“ mit den Wasserstoffzügen zu verantworten hat, die derzeit mehr geparkt als fahrend am Bahnhof zu sehen sind.
Den Gästen des Fests im lockeren Rahmen mit Büfett und Musik wurde das Objekt des Desasters geradezu vor die Augen gerückt. Geparkt direkt vor den großen Seitenfenstern des einstigen Güterschuppens auf dem Abstellgleis. Blau-Weiß dieser Wasserstoffzug, gut erkennbar an den vielen markanten großen H-Zeichen auf den Seitenflächen, still ruht der Zug. Der Landrat ließ sich die Chance nicht entgehen, vor großen Publikum auf das Desaster aufmerksam zu machen. „Was sag ich hier im Güterschuppen, wenn ich auf einen nicht fahrenden Wasserstoffzug schaue?“ Eben, dass es „unerträglich“ vor allem für viele Menschen aus den verschiedensten Bereichen der Gesellschaft im Kreis ist und diese immer wieder negativ berührt sind. „Wenn wir es nicht schaffen, die Züge zum Laufen zu bringen“, so Krebs. Die Menschen wollten einfach nur mit dem Zug fahren, sichere Verbindungen haben, egal mit welchem Zug, „Hauptsache, er funktioniert“. Deswegen seien sie schlicht „sauer“. Das gelte vor allem auf der Taunusschiene mit den Verbindungen ins Usinger Land. Viel Beifall für Krebs aus dem vielschichtigen Publikum mit vielen wichtigen Entscheidungsträgern auch aus den Nachbarkreisen für seinen Satz am Ende: „Wir erwarten umgehende Änderung“.
Der Übergang zum Motto des Abends, wobei es vor allem um Hass, Hetze und Antisemitismus und deren Vermeidung durch klaren „Dialog“ gehen sollte, gelang Krebs geschmeidig. Er schwenkte über zum Ehrengast des Abends, zu dem es durch ein gemeinsames Sportprojekt Verbindung gibt. „Wir wollen den Dialog, Alon Meyer pflegt ihn durch den Kontakt mit Makkabi in den Taunus“. Wenn man im Dialog sei, so sei das ein „wirksames und wichtiges Zeichen gegen Ignoranz und Intoleranz“, so Krebs. Mit Alon Meyer hatte der Kreis eine zentrale Figur zur von Journalistin Bärbel Schäfer moderierten Gesprächsrunde geladen. Der Sportverband Makkabi stehe für das Zusammenleben in der Gesellschaft, so Schäfer. Mehr als 11 000 Menschen in 40 Vereinen treiben Sport bei Makkabi, 5000 allein in Frankfurt. „Der Zustrom ist riesig, vor allem durch Nichtjuden“, ergänzt Meyer. „Es zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Einladungen wie diese sind mein Antrieb und Motor. “
Die Erinnerung an den Oktober 2023 und den Terrorangriff der Hamas auf Israel macht ihn hart in der Sprache. Gerade jetzt brauchen er und die jüdische Bewegung bei Makkabi diesen Antrieb. Der Angriff hat den Makkabi-Präsident tief erschüttert. Verstärkt durch den an vielen Orten „enthemmten Judenhass“, den Bärbel Schäfer als Stichwort eingebracht hat. „Zu sehen, dass auf der Straße und an Universitäten noch gefeiert wird, das darf es hier nicht geben“, sagte Meyer. Während auf der anderen Seite der Islamismus enorm wachse. „Die Mehrheit ist anständig, aber viel zu leise. Wir alle müssen lauter werden, kapitulieren zählt nicht.“ Der Beifall wird stärker, Ulrich Krebs legt nach. „Demokratie ist nicht mehr selbstverständlich“ mahnte der Landrat, sie müsse jeden Tag neu erworben werden. „Wir dürfen uns nicht einschläfern lassen.“ Am Ende bittet die Moderatorin darum, dass alle fürs gemeinsame Foto „bitte mal richtig ausrasten“ vor lauter Begeisterung über den Abend. Da ist Alon Meyer schon bereit für seinen Eintrag in das „Goldene Buch“ des Hochtaunuskreises.
An Dialog mangelt es danach noch für Stunden nicht, der Zwangsdialog mit dem Unternehmen Alstom wird am nächsten Tag auf den Weg gebracht. Formuliert auch in einer gemeinsamen Erklärung des Landrates und im Namen des Bad Homburger OB und aller Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Hochtaunuskreis. „Das Maß ist längst voll, die Belastungen der Reisenden durch Ausfälle und Ersatzverkehre und auch des Personals durch ständige Neuplanungen im Betriebsablauf sind nicht mehr länger hinnehmbar“, heißt es darin unter anderem. Erwartet werde ein sofortiger Maßnahmenplan, wie der Betrieb stabilisiert werden kann, dazu gehöre auch die Bereitstellung einer Diesel-Ersatzflotte. Erwartet wird, dass Alstom sämtliche Kosten trägt und es müsse auch klar sein, dass eine Aufkündigung des Vertrags mit den Brennstoffzellenfahrzeugen in Betracht kommt, wenn sich nichts ändert.