Buchskulpturen im Park der Reimers-Stiftung

Buchkünstler mit dem Blick für Texte und Landschaft: Anja Harms und Eberhard Müller-Fries schaffen fünf Skulpturen nach einem Hölderlin-Gedicht, die im Park der Werner-Reimers-Stiftung zu sehen sind. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). „Das Jubiläum darf uns nicht entgleiten“, sagt Dr. Albrecht Graf von Kalnein von der Werner-Reimers-Stiftung in Bezug auf den 250. Geburtstag des Dichters Friedrich Hölderlin. Die Stadt Bad Homburg, in der Hölderlin vier Jahre seines Lebens verbrachte, hat wegen der Corona-Pandemie bereits Jubiläumsveranstaltungen absagen müssen, doch nun konnte immerhin die vierte Ausstellung im Zusammenhang mit dem Dichter eröffnet werden.

Unter dem Titel „Wenn über dem Weinberg es flammt“ haben die Künstlerin Anja Harms und der Künstler Eberhard Müller-Fries aus Oberursel fünf große Buchskulpturen im Park der Werner-Reimers-Stiftung am Wingertsberg in Bad Homburg installiert. Dort, wo Friedrich Hölderlin während seiner Homburg-Zeit oft weilte und über die Stadt hinweg zum Taunus und nach Frankfurt blickte, dort, wo die Gedanken des Dichters wohl oft auch der in Frankfurt lebenden Geliebten Susette Gontard galten.

Fünf große aufgeschlagene „Buchdeckel“ aus Stahl, deren Gestaltung das Hölderlin-Fragment Nummer 50 zugrunde liegt: „Wenn über dem Weinberg es flammt/ Und schwarz wie Kohlen/ Aussiehet um die Zeit/ Des Herbstes der Weinberg, weil/ Die Röhren des Lebens feuriger atmen/ In den Schatten des Weinstocks. Aber/ Schön ist’s, die Seele/ Zu entfalten und das kurze Leben“. Anja Harms und Eberhard Müller-Fries, die sich beide schon lange mit Buchkunst und -skulpturen im Spannungsfeld von Bildender Kunst, Literatur und Texten befassen und international anerkannt sind, haben dieses Gedicht in seine einzelnen Zeilen zerlegt und diese Zeilen in sogenannte QR-Codes transformiert, die zur Grundlage der Gestaltung der Flächen wurden. Wie Fragmente muten die geschlossenen Flächen und Durchbrüche im Stahl an – Zumutungen des Textes und Ausblicke in die Landschaft, die reale Landschaft wie in die der eigenen Gefühle und Fantasie. Der Betrachter kann im Anblick der durchlässigen Skulpturen auch die Landschaftsansicht genießen, die Hölderlin von hier aus so geschätzt hat. Wer sein eigenes Smartphone an die kleinen QR-Codes hält, die die Künstler unten an den großen Stahlrahmen angebracht haben, kann so Zeilen aus dem Hölderlin-Fragment lesen. „Hier verbindet sich eine Mehrfach-Lesbarkeit der Texte des Dichters mit Sinngebung in der Landschaft“, sagte Dr. Stefan Soltek, Direktor des Klingspor-Museums Offenbach, bei der Ausstellungs-Eröffnung im Forschungskolleg Humanwissenschaften der Werner-Reimers-Stiftung. Soltek wies auch auf den kleinen Hölderlin-Tempel hin, der in unmittelbarer Nähe der Skulpturen im Park steht und den Rückzugsort des feinsinnigen und empfindlichen Dichters markiert, und sprach über das Bewusstsein Hölderlins für Natur und Landschaft. Wie faszinierend des Dichters wunderbare Naturbeschreibungen sind, machte Schauspielerin Andrea Wolk deutlich, die nicht nur das Fragment 50 zitierte und durch Betonungen einzelner Wörter und Zeilen in immer neue Zusammenhänge brachte, sondern auch späte Gedichte Hölderlins überzeugend vortrug.

Der Hochtaunuskreis, der mit finanzieller Förderung des Kulturfonds Frankfurt RheinMain die fünf Kunstwerke in Auftrag gegeben hatte, lädt alle Bürger ein, bis zum 31. Oktober werktags von 10 bis 17 Uhr in den Park der Werner-Reimers-Stiftung, Am Wingertsberg 4, in Bad Homburg zu kommen und die Ausstellung kostenlos zu besichtigen.

Weitere Artikelbilder



X