Bad Homburg (aks). Gut gelaunt und schwungvoll betreten Oberbürgermeister Alexander Hetjes, Kurdirektor Holger Reuter, Hermjo Klein von der ACT Artist Agency und der Künstlerische Festivalleiter Bernd Hoffmann die Bühne und gratulieren sich gegenseitig zum Gelingen des Literaturfestivals, das den Menschen Weltliteratur vom Feinsten bietet, gelesen von den bekanntesten und beliebtesten Schauspielern.
Sie sind sichtlich stolz, dass sie „das zusammen hinbekommen haben“. Das Format kommt seit seiner Gründung vor 15 Jahren gut an, das Publikum ist auch am Samstagabend bunt gemischt. „Die Jugend liest wieder“, jubelt Bernd Hoffmann, dem es gelungen ist, aus der Vorlage von E. C. Contis „Der Zauberer von Homburg“, von 1951 mit 1000 Seiten, einen lebendigen Text von 40 Seiten zu redigieren, den der preisgekrönte deutsche Schauspieler mit internationalem Renommee, Sebastian Koch, an diesem Abend vor fast ausverkauften Reihen lesen wird.
Der historische Roman handelt von der Wandlung Bad Homburgs in den Jahren 1841 bis 1872 von einem „Drecksnest“ zu einem der mondänsten Orte Europas. Zu verdanken hat die Stadt dies dem Franzosen François Blanc, der gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Louis die Spielbank in Bad Homburg gründete. Die finanziellen Engpässe waren enorm, doch die Blanc Brüder glaubten an den Erfolg und schufen ein Imperium dank der Spiellust der Hautevolee des 19. Jahrhunderts. Die europäische Hocharistokratie und wohlhabende Bürger gaben sich in Bad Homburg ein Stelldichein. Nicht nur die Spieltische waren eine Verlockung, sondern auch opulente Soiréen mit Festessen und Opern mit Künstlern unter anderem der Mailänder Scala.
Der „Artist in Residence“, Sebastian Koch, betritt in knielangem Gehrock die Bühne. Die Lesung erfordert Präzision, es geht um Jahreszahlen und Investitionssummen, die die finanzielle Erfolgsgeschichte der Brüder Blanc in 30 Jahren ausmachte, die vielen Homburgern unbekannt ist. Sebastian Koch behält trotz der vielen Details immer den Überblick und schildert mit seiner Sprechkunst und Mimik die Glanzzeiten Bad Homburgs mit all den Schattenseiten, die zu jedem kometenhaften Aufstieg gehören. Spannend schildert er die Spieler-Persönlichkeiten sowie die Akteure außerhalb des Spielbanktreibens.
Auch der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski war ein passionierter Spieler in Bad Homburg. Seine Geschichte einer alten Gräfin, die immense Summen, wie es scheint mit stoischer Gelassenheit, trotz der Warnungen ihres Enkels verspielt, liest Koch (auszugsweise) mit feinem Pathos. Gemeint ist die russische Gräfin Sophie Kisseleff, die in Bad Homburg ein gern gesehener Kurgast war und am Roulette-Tisch sehnlichst erwartet wurde. Nach ihr ist eine Straße in Bad Homburg benannt. Koch hat diese Geschichte vor 15 Jahren als Auftakt des Literaturfestivals im Casino gelesen.
Auf einen Schlag reich werden
Das Publikum ist verzückt, und es gelingt dem großen Schauspieler, die Menschen in die schillernde Welt des Glücksspiels mit all ihren Verlockungen zu entführen: das Glück, auf einen Schlag reich zu werden. Dabei beweist er einen langen Atem, fast zwei Stunden lang haucht er der eher sachlichen Beschreibung Leben ein.
Kleine Pausen bietet das fein gesponnene Musikprogramm mit träumerischen Walzerklängen und tändelnden Melodien von Offenbach und Massenet, die Florian Iliescu, Konzertmeister des Hessischen Rundfunks, seiner Geige virtuos zu Herzen gehend entlockt, begleitet von einer Pianistin und drei Streichern. Die projizierten Bilder des historischen Bad Homburger Opernhauses sind der prachtvolle Hintergrund für die junge und bezaubernde Sopranistin Nika Gori, die bei Puccini-Arien wie „O mio babbino caro“ mit rollenden Augen auch mimisch das Publikum mitreißt.
Sebastian Koch ließ sich eine kleine Zugabe nicht nehmen, mit denen er seinen Fans einen Tipp von Kurt Tucholsky, richtig zu reisen, mit auf die Heimreise gab: „Trudele durch die Welt. Sie ist so schön: gib dich ihr hin und sie wird sich dir geben.“