Einst großes Ärgernis, heute entspanntes Miteinander

„Damals war Feuer drin in den Diskussionen über den Anschluss unseres Ortes an Bad Homburg“: Holger Fritzel (l.) und Friedel Pleines standen als Ortspolitiker 1971 mitten im Kreuzfeuer der Auseinandersetzungen über die Aufgabe der Selbstständigkeit ihres Heimatdorfes Ober-Eschbach – heute sehen beide auch die Vorteile der getroffenen Entscheidung. Foto: Bergner

Bad Homburg (a.ber). Ein „kleines gallisches Dorf“, dessen Eigenheiten man respektvoll anerkennen muss: So bezeichnete der Regionalhistoriker und Kulturamtsleiter des Hochtaunuskreises, Gregor Maier, den Bad Homburger Stadtteil Ober-Eschbach, und er hat wohl recht. Der Ober-Eschbacher Ortsbeirat hatte zum Festakt „50 Jahre Grenzänderungsvertrag 1972-2022“ auf den Kirchplatz eingeladen – und vor dem von der Stadt gerade frisch renovierten Vereinshaus zwei Schilder aufgestellt, die demonstrierten „Wir sind eine starke Eigenmarke!“. Mehr als 60 Eschbächer, Vertreter der Stadt und des Landkreises, der Vereine und Kirchen waren gekommen, um mit dem Stadtteil die Eingemeindung nach Bad Homburg und in den Hochtaunuskreis im Zuge der hessischen Gebietsreform vor 50 Jahren zu feiern.

Auf dem alten Rathausschild, das Ortsvorsteherin Yvonne Velten und Stefan Zalud gemeinsam mit den Veranstaltern der Feier hervorgeholt hatte, standen alle Befugnisse des vor 1250 Jahren erstmals erwähnten selbstständigen Ortes verzeichnet, die Ober-Eschbach bis zur Gebietsreform 1972 ausübte: Bürgermeisterei, Ortspolizeibehörde, Ortsgericht, Gemeindekasse, Standesamt. Und das alles, wie auf dem zweiten Schild stand, als „Ober Eschbach“ und klein darunter „Kreis Friedberg“.

Die Eingemeindung nach Bad Homburg also ein Grund zum Feiern oder nach wie vor ein Ärgernis? Dieser Frage ging die Veranstaltung ebenso nach wie sie deutlich machte, dass die Zugehörigkeit des Orts zur Kurstadt heute in ein entspanntes gemeinschaftliches Miteinander übergegangen ist. Friedel Pleines (SPD), der mehr als 30 Jahre lang Ortsvorsteher für Ober-Eschbach war, und Holger Fritzel (CDU) ebenfalls zwölf Jahre lang Ortsvorsteher, erinnerten sich im Gespräch. Ab 1969 hatten sie als junge Gemeindevertreter und viele Eschbächer mit ihnen die Gedanken über die drohende Aufgabe der Selbstständigkeit des Ortes und einen Wechsel der Kreiszughörigkeit gewälzt; da anderen Orten im Umkreis ebenfalls dieses Schicksal drohte, traf man sich, so erinnerte sich Friedel Pleines, in der Garage des Harheimer Bürgermeisters Quirin und dachte auch über eine neue Großgemeinde „Eschbachtal“ nach anstatt sich an Frankfurt oder den neuen Hochtaunuskreis anzuschließen. Die Identität der Ober-Eschbacher sei stark gewesen: „Mir gehe mal an die Grenz“, so hieß es noch in den 1960er-Jahren, wenn ein Eschbächer sich Bad Homburger Gebiet näherte.

Um der finalen Entscheidung der hessischen Verwaltung zuvorzukommen, entschied Ober-Eschbach sich lieber selbst im Oktober 1971 für den Anschluss an Bad Homburg und den Hochtaunuskreis und machte in den Verhandlungen „mit Bauernschläue“ gegenüber der Stadt und im Sinne des Ortes Nägel mit Köpfen, wie Gregor Maier darstellte.

Dass die Orts-CDU damals anders als die SPD wollte und mancher Alteingesessener noch ganz anders, hätte im Vorfeld zu großen emotionalen Spannungen geführt, so Friedel Pleines, den einige als mitverantwortlichen Ortsvertreter damals als „Vaterlandsverräter, der Eschbach verkauft“ mit Drohungen einschüchtern wollten. „Nach der letzten Sitzung des Ortsparlaments am 30. Dezember 1971 trugen wir Trauerflor an unseren Auto-Antennen“, erzählte Holger Fritzel.

Aber man wuchs zusammen und blieb doch seitens Ober-Eschbachs unverwechselbar. Der Ort entging der Einverleibung durch Frankfurt, Bad Homburg konnte seine Gemeindefläche 1972 mit Ober-Eschbach um ein Viertel erweitern und baute dem neuen Stadtteil dafür unter anderem die Albin-Göhring-Sporthalle, die derzeit wieder neu errichtet und erweitert wird. Was Oberbürgermeister Alexander Hetjes in seiner Rede als „Goldene Hochzeit von Bad Homburg und Ober-Eschbach, eine Vernunft-Ehe, deren Liebe erst mit der Zeit kam“ bezeichnete, und der ehrenamtliche Kreisbeigeordnete des Hochtaunuskreises, Bert Worbs, mit „Uns fehlt schlicht der Vergleich, wie der Ort sich entwickelt hätte, wäre es anders gekommen“ kommentierte, brachte Regionalhistoriker Maier auf einen positiven Punkt: Bei der umstrittenen Gebietsreform „als Bedrohung der eigenen Identität“ hätte Ober-Eschbach nach 500 Jahren kommunaler Selbstständigkeit sich 1972 nicht verloren gegeben, sondern bis heute geschichtsbewusst Orts-Gemeinschaft als das begriffen und gestaltet, was sie für einen lebendigen Ort mit aktiven Menschen sein könne: „Identität ist das, was ihr draus macht!“

Bei der fröhlichen Feier mit Getränken und Würstchen spielte denn auch – wie könnte es anders sein – eine dreiköpfige Band junger Eschbächer auf: Robin Steitz und Nicolas Zalud an Cajon und Gitarre und die Sängerin Kati Donecker.



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