Eis: Zwischen überwältigender Schönheit und Zerbrechlichkeit

Fotos, Zeichnungen, Objekte und Gedichte bilden die Installation „The Circle of Ice Live“ am Baikalsee in Sibirien (Der Kreislauf des Lebens im Eis, 2022) von Ivan Murzin. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Eis ist lecker, Eis ist schön, Eis ist faszinierend, Eis ist gefährlich, Eis ist vergänglich, Eis ist Wasser in fester Form. Ob als kleiner Eiswürfel, aromatische Eiskugel, filigranes Eis- oder Schneekristall, gefrorener See oder als riesiger Eisberg: Ganz gleich in welcher Form, Eis hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck. Es ist eben viel mehr als bloß Wasser im festen Aggregatzustand. Eis kann auch ein Sehnsuchtsort sein wie die am jetzt eröffnete Ausstellung „Ewiges Eis“ im Museum Sinclair-Haus zeigt.

Besucher können zu den Kältezonen der Erde reisen, die Weite abgeschiedener Gletscherlandschaften bewundern, einem kalbenden Gletscher zusehen, auf Zeitreise gehen, erhalten Einblicke in einmalige Landschaften und in Lebensräume mit extremen Bedingungen. 19 Künstler laden ein, mithilfe ihrer Arbeiten verschiedene Formen von Eis und Schnee zu erkunden, zeigen wie nah beieinander überwältigende Schönheit und auch Zerbrechlichkeit der schwindenden Eismassen liegen. Sie ermöglichen Einblicke in die schützenswerten eisigen Regionen der Erde, zeigen Ansichten und Einsichten in indigene Kulturräume, verdeutlichen die tiefgehenden Verflechtungen von Menschen, Tieren und Natur.

Außer den individuellen Blicken auf und in die Kältezonen der Erde mit ihren einmaligen Landschaften und Lebensräumen werden auch kritische Fragen gestellt. Wie können wir das ewige Eis angesichts der Klimaerwärmung schützen? Wie können wir Naturparks und bedrohte Lebensräume von Tieren und Menschen vor Unternehmen schützen, die rücksichtslos Bodenschätze abbauen und zerstörte Landschaften zurücklassen?

Die Poetin Kathy Jetñil-Kijiner und die Schriftstellerin Aka Niviâna nehmen die Museumsbesucher mit auf eine poetische Weise in ihre heimatlichen Umgebungen. Sie appellieren in ihrem gemeinsam gestaltete Kurzvideo „Rise: From One Island To Another“ an alle Erdbewohner, ihre Verhaltensweisen zugunsten von Natur und Klimaschutz zu ändern. Wissenschaftliche Untersuchungen der Eisschmelze in der Arktis und der Antarktis verdeutlichen, dass die Erde ein zusammenhängendes System ist, mit dem jeder einzelne Mensch in Verbindung steht. 

Bei einem Rundgang durch die Museumsräume können Besucher Kunstwerke und Rauminstallationen von Ignacio Acosta, Brian Adams, Olaf Otto Becker, Julian Charrière, Olafur Eliasson, Nathalie Grenzhaeuser, dem Institut für Digitale Museumsmedien unterstützt vom Senckenberg Naturmuseum, Tiina Itkonen, Britta Marakatt-Labba, Tyrone Martinsson, Ivan Murzin, Mariele Neudecker, Aka Niviâna und Kathy Jetñil-Kijiner, Wilhelm Scheruebl, Susan Schuppli, Doug und Mike Starn und Thomas Wrede sehen. Dokumentiert und digital visualisiert haben diese Künstler aus aller Welt ihre Arbeiten vom Land und vom Meer aus mit Film-, Großbild-, Wärmekameras und Fotoapparaten. Festgehalten haben sie die Motive,aber auch ganz klassisch mit Pinsel und Farben.

Zu sehen sind in der Ausstellung auch Stickereien oder Glasinstallationen, die mit Bildern und Fotos korrespondieren. Ergänzt werden die genannten Werke durch Beiträge in Gedichtform von Kathy Jetñil-Kijiner und Aka Niviâna, in Logbuchaufzeichnungen von Susan Schuppli, im Videoformat und als Inter-viewaufzeichnungen von Porträtierten von Brian Adams sowie in von den Künstlern verfassten Begleittexten oder zu den Arbeiten selbst. Unterwegs waren die Künstler im Sommer und im Winter, um die vielfältigen Formen von Eis und Schnee auf unserer Erde sowie ihre Veränderungen in den nördlichen Breiten und alpinen Zonen festzuhalten.

Von der Arktis zur Antarktis, von Sibirien bis zu den Anden bieten die zeitgenössischen Arbeiten vielfältige Blickwinkel auf „Ewiges Eis“. Gezeigt wird unter anderem auch in einer digitalen Visualisierung geologischer Erdzeitalter in Mitteleuropa das Taunusgebirge vom Zeitalter der Mammuts bis ins 22. Jahrhundert. Betrachter können im Zeitraffer verfolgen, welche Beschaffenheit das Taunusgebirge während des letzten glazialen Maximums vor rund 20 000 Jahren hatte. Und wie wir uns die Flora und Fauna am Ort in einer Zukunft geologischer Zeitrechnungen vorstellen können. Die Ausstellung ermöglicht, durch die Kunst der Gegenwart kulturelle, gesamtpolitische und soziale Zusammenhänge aufzuzeigen – auch im Hinblick auf die fortschreitende globale Eisschmelze, deren spezifische regionale Auswirkungen und auf das Weltklima. Kuratiert haben die beeindruckende Ausstellung „Ewiges Eis“ im Museum Sinclair-Haus der Stiftung Kunst und Natur, Museumsdirektorin Dr. Christina Anna Lanzl und Assistenzkurator Moritz Ohlig.

!Die Ausstellung „Ewiges Eis“ ist im Museum Sinclair-Haus, Löwengasse 15, bis zum 12. Februar 2023 zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis freitags von 14 bis 19 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr. Feiertage: am 3. Oktober von 10 bis 18 Uhr; am 25. und 26. Dezember sowie am 1. Januar 2023 von 12 bis 18 Uhr; montags sowie am 24. und 31. Dezember geschlossen. Das Begleitprogramm im Internet unter museum-sinclair-haus.de/programm abrufbar.

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