Erinnerungen an die Olympischen Spiele in München

Berichten von den Olympischen Spielen 1972 (v. l.): Dieter Kühnle, Eberhard Gienger, Rudolf Schmidt, Sylvia Schenk, Klaus Schormann und Wolfgang Thüne. Foto: accadis

Bad Homburg (hw). Sich in den Medien über ein Ereignis zu informieren ist die eine Sache, Zeitzeugen zuzuhören etwas ganz anderes. Emotional und tief bewegend waren die ganz persönlichen Berichte der Olympiateilnehmerin Sylvia Schenk (Leichtathletik) und der beiden Olympiateilnehmer Eberhard Gienger und Wolfgang Thüne (Turner) von den Olympischen Spiele in München 1972 an der accadis-Hochschule.

Sylvia Schenk verarbeitet auch 50 Jahre danach noch die dramatischen Erlebnisse des Anschlags auf das israelische Olympiateam. Die unermüdliche Kämpferin für Menschenrechte beschreibt eindrucksvoll die Gefühlswelt der Athleten. Trauer, gefühlte Mitschuld als Sportlerin der gastgebenden Nation und die Wut über das dilettantische Agieren der Sicherheitskräfte und Behörden. Ganz zu schweigen von der in München und der Welt verbreiteten Nachricht, alle Geiseln seien befreit – nur, um am kommenden Morgen zu erfahren, dass das genaue Gegenteil der Fall ist: Alle elf Geiseln waren tot.

Über eine andere Facette der Olympischen Spiele 1972 berichteten Eberhard Gienger und Wolfgang Thüne. Die beiden Turner und Konkurrenten aus der Bundesrepublik Deutschland und der DDR waren symbolisch für den Lagerkampf der Systeme. Bei sportlichen Wettkämpfen geht es immer darum, sich zu messen, Höchstleistungen zu erbringen und zu gewinnen. Politisch überfrachtet ging es vielen Funktionären in München aber vor allem darum, mehr Medaillen zu gewinnen als der Konkurrent von der jeweils anderen Seite des Eisernen Vorhangs – um dadurch die Überlegenheit des eigenen Systems zu demonstrieren. Umso schöner und menschlicher, dass die beiden Turner in der Folgezeit noch viel mehr verband. Eberhard Gienger half Wolfgang Thüne 1975 bei der Europameisterschaft in Bern zur Flucht in die Bundesrepublik.

Großveranstaltungen wie die Olympischen Spiele können nicht unpolitisch sein. Sie sind immer auch das Spiegelbild der aktuellen politischen Lage. München 1972 sollten heitere Spiele werden. Die Bundesrepublik Deutschland wollte sich in der Welt zurückmelden. Es waren die ersten Olympischen Spiele auf deutschem Boden nach den Spielen der Nationalsozialisten 1936. Es waren die zweiten Olympischen Spiele, in der die DDR und die Bundesrepublik mit getrennten Mannschaften antraten. Und es waren die Spiele des Schreckens – des palästinensischen Attentats auf die israelische Mannschaft.

In diesem Kontext diskutierten unter Moderation von Holger Kühner (SWR, Mainz) die genannten Olympiateilnehmer sowie Vertreter von Presse und Verbänden, die damals mit dabei waren. Dieter Kühnle (Presse), Klaus Schormann (Moderner Fünfkampf) und Rudolf Schmidt (Olympisches Jugendlager) vermittelten ihre je eigene Perspektive auf die Olympischen Spiele von 1972. So ermöglichten sie den Teilnehmern der Veranstaltung, die beiden Gesichter der Spiele 1972 nachzuvollziehen.



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