Erster Preis für bunte Wimmelbilder

Bunt, fröhlich und voller Fantasie ist diese Arbeit von Schülern des Kaiserin-Friedrich-Gymnasiums, die mit dem Schulkunstpreis der Johann-Isaak-von-Gerning-Stiftung ausgezeichnet wurde. Foto: Hochtaunuskreis

Von Astrid Bergner

Bad Homburg. In den Kunstwerken steckt viel Sehnsucht – und viel Kritik. Ist Heimat etwas, was fest steht oder wankt? Idylle oder Zerfall? Oder einfach ein Ort, dem wir eine Liebeserklärung aussprechen sollten? In acht Schulen im Hochtaunuskreis haben sich Jugendliche der 6. bis 12. Jahrgangsstufen im Kunstunterricht Gedanken gemacht um den Kreis, in dem sie leben. Unter dem Titel „Hier und Jetzt – 50 Jahre Hochtaunuskreis“ zeigt die Galerie Artlantis bis zum 27. März zahlreiche Bilder, Collagen und Kunstwerke. Eine Jury hat gemeinsam mit der Johann-Isaak-von-Gerning-Stiftung Werke der Schüler prämiert.

Impuls für das Jahresthema 2022 der jährlich stattfindenden Ausstellung von Kunst aus Schulen ist die Fusion des Kreises Usingen mit dem Obertaunuskreis im August 1972 – seit nun 50 Jahren „einerseits abgegrenzter Verwaltungsdistrikt, andererseits Heimat“, von der aus junge Menschen die Welt kennenlernen und erkunden, wie der Fachbereich Kultur des Kreises formulierte.

Die Jugendlichen machten sich auf, um unter Anleitung ihrer Kunstlehrer ihre Umgebung zu erforschen und mittels unterschiedlicher Techniken ins Bild zu setzen. Bei den zehn Fotocollagen mit Acrylmalerei auf Holz der 11. und 12. Jahrgangsstufe des Taunusgymnasiums Königstein (1. Preis) fällt auf, dass alles – von Sozialkritik bis zur Schönheit der Heimat – unter dem Himmel Platz hat: Da knickt der Weiße Turm in Bad Homburg ab, Autos versperren den städtischen Raum, ein Elefant schleudert die Nobel-Karossen weg, und der Wald rückt ebenso nah an die Reihenhäuser wie das Wasser. Die Collagen sind reizvoll, brechen gewohnte Linien und Perspektiven auf. Fast visionär die Collage „Taunushierarchie“: Fällt der Hausstapel von Sozialwohnungen und Penthäusern um? Hält der Kitt angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Belastungen, die nun kommen? Elf- und Zwölfjährige der 6. Jahrgangsstufe am Kaiserin-Friedrich-Gymnasium Bad Homburg konzentrierten sich darauf, den Hochtaunuskreis geografisch und historisch darzustellen (1. Preis). Ihre großformatigen Collagen entstanden nach einer Unterweisung in Fragen der Ästhetik, Farb- und Gestaltungslehre und der Kunst der Bildbetrachtung, lehnen sich an den Stil von Pop-Art-Künstler James Rizzi an: Grellbunte Wimmelbilder in Filzstift-, Marker- und 3D-Klebetechnik, viele bekannte Gebäude mit lachenden Gesichtern – menschliches und menschenfreundliches Bauen mit heiteren Zügen ist eine Botschaft der Jungen und Mädchen.

Sonderpreis für Pop-up-Kunst

Beeindruckend auch die kleinformatigen Gouachen auf Leinwand des Kunst-Leistungskurses der Adolf-Reichwein-Schule in Neu-Anspach, die die Vereinnahmung der Hintertaunus-Landschaft durch Gebäude in den Fokus rücken: Die jungen Künstler der Jahrgangsstufe 12 zeigen mit Mut zur Farbe und perspektivisch gelungenen Linien das Heranrücken von Häusern, Feldbergturm, Gartenhütte und Kirche an Natur.

Mit Wassermalfarben haben vier Schülerinnen der Bad Homburger Maria-Ward-Schule die Taunus-Landschaft dargestellt und dabei Trockenheit, Sturmschäden und Borkenkäfer-Befall des Waldes in den künstlerischen Blick genommen.

Die kreisrunden Vignettenbilder „Kreislauf der Jahrzehnte“ von Oberstufen-Schülern des Gymnasiums Oberursel weiten das Thema zeitlich aus bis zu den 1970er-Jahren. Sie recherchierten prägende Ereignisse ihres unmittelbaren Umfelds von der Kreierung des „Orscheler Bembel“ über die Neueröffnung der Taunusbahn bis hin zum Oberurseler Hessentag und der Wiedereröffnung des Herzbergturms und bannten sie mit Bleistift, Aquarell und Acryl auf Papier.

Pop-up-Bilder mit Aquarelltechnik der Neuntklässler an der Integrierten Gesamtschule Stierstadt (Sonderpreis Museum Sinclair-Haus) als „Taunus-Wiesenstücke“ zeigen vor allem eines: Wir Menschen empfinden Natur ebenso realistisch wie sehnsüchtig-utopisch, wir nehmen Idylle und Zerstörung wahr und fantasieren uns romantisch ins Reich der Zukunft von Natur.

Dass wir über den Tellerrand blicken müssen, was den Umgang mit unserer Umgebung angeht, verdeutlicht das Kunstwerk „Blicke über den Tellerrand“ der Oberstufen-Schüler der Humboldtschule (1. Preis). Im Roten Kabinett der Galerie Artlantis ist der Tisch ausdrucksstark gedeckt: sieben Teller mit Goldrand, in deren Mitte jeweils traditionelle Tellermotive in Blau prangen, Bad Homburg im Blickpunkt der jungen Künstler.

Auf Gabel und Messer und Tellerrändern balancieren Spaziergänger, kleine Modelleisenbahn-Figuren, in der Mitte des Tisches, dem Raum für Dialog und Austausch auf weißem Tischtuch ein kleiner Krankenwagen und ein Umzugswagen. Wagen wir den Blick über den Tellerrand, holen uns Zerbrechlichkeit und Veränderung unseres Lebens schnell und immer wieder ein. Was kann uns retten, ganz konkret?

Vielleicht wirklich das, was Schüler der Klasse 6G1 der Erich-Kästner-Schule Oberursel in ihrem Gemeinschaftswerk zart und fast zaghaft auf Transparentpapier, mittels Zeitungsschnipseln und Gipsbinden, gezeichnet haben: All das Vertraute, vom Taunuskamm bis zu Brunnen, Mühlen, Fachwerkhäusern und Kirchen aus allen Taunus-Orten, es steht doch fest da trotz Chaos im inneren und äußeren Erleben. Es wird uns hier nichts zerstört, denken wir. Eine Liebeserklärung junger Menschen an die Heimat – die anderen in Europa gerade genommen werden soll.

!Die Ausstellung von Kunst aus Schulen „Hier und Jetzt – 50 Jahre Hochtaunuskreis“ ist bis zum 27. März in der Galerie Artlantis in Bad Homburg, Tannenwaldweg 6, freitags von 15 bis 18 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Eintritt frei.

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