Erstes Geplänkel am Tag der Heiligen Corona

Stadtparlamentssitzung in Zeiten von Corona. Foto: Streicher

Bad Homburg (js). Wird sie als kürzeste Sitzung in die Geschichte des kurstädtischen Stadtparlaments eingehen? Das könnte am ehesten ein politisches Urgestein wie Wolfgang Hof beantworten, ehemals FDP-Abgeordneter im „Hohen Haus“, heute unabhängiger Parlamentarier. War er überhaupt da, der Herr Hof? Gehört hat man ihn nicht und, nun ja, mit diesen neumodischen Masken erkennt man ja nicht jeden gleich. Und Hof gehörte außerdem zur Ein-Mann-Fraktion derer, die es unpassend fanden, jedenfalls öffentlich, eine Stadtverordnetensitzung mit insgesamt über 50 Leuten einzuberufen, wo doch gleichzeitig öffentliche Bänke abgeflattert und gesperrt würden und die Liebsten nur im allerkleinsten Kreis beerdigt werden dürfen. Und dann auch noch ausgerechnet die Reset-Taste drücken am Tag der Heiligen Corona, einer frühchristlichen Märtyrerin.

Möge es ein gutes Omen gewesen sein, für den Rest an Sicherheit sollten Feuerwehr, strenger Ordnungsdienst und sittliche Vernunft der Teilnehmer an dieser nur schwach politisch intensiven Demonstration sorgen. Ganz oben, auf dem Podium, hinter einer Maske vom Anpfiff bis zum Abpfiff der Partie dezent verborgen, Ordnungschef und Stadtverordnetenvorsteher Alfred Etzrodt, der für den Mund-und-Nasen-Schutz gesorgt hat, um für „persönlichen Schutz“ der einzelnen Abgeordneten Verantwortung zu tragen. Nur dies sei „sein Interesse, ob sie sie tragen, ist ihre Sache“. Die geschriebene Ordnung sah vor, dass die Masken bei der Ankunft und bei der Bewegung im Sitzungssaal zu tragen seien, am Platze aber auch abgelegt werden dürften. Der Stadtverordnetenvorsteher blieb standhaftes Vorbild, trug den Schutzfilter mit stoischer Gelassenheit, auch wenn der Saal schnell zur Nonchalance neigte. Das ungeliebte Teil eher neben dem Tablet lag oder lässig an einem Ohr baumelte. Stadtparlament in Corona-Zeiten, ein völlig neues Erlebnis mit auch einem Hauch von Neuland und Abenteuer als Begleitmusik. Und, ein bisschen überraschend vielleicht, der Haupteingang des Bürgerhauses in Kirdorf war dem Fußvolk vorbehalten, der örtlichen Presse und den zehn zugelassenen Zuschauern nämlich.

Maskenkontrolle hinter der ersten Tür, Handdesinfektion unter der gleichen Kontrolle, Aufnahme der Personalien mit Adresse und exakter Ankunftszeit, um später eventuelle Infektionsketten lückenlos nachvollziehen zu können. Und natürlich Einzeltische für die Vertreter der schreibenden Zunft im Seitentrakt, dazu jeweils ein (Plastik)Fläschchen Wasser und Apfelsaft ohne Glas. Die Hauptakteure, also die örtliche Polit-Prominenz, musste über den Hintereingang ins Haus der Bürger. Breite Treppe rauf, vier Feuerwehrleute mit Stadtbrandinspektor Daniel Guischard an der Spitze unterm Partyzeltdach bewachten den Eingang. Mini-Desinfektionsflasche und Maske für die Vergesslichen, auf Wunsch zum Selbernehmen ein in Papiertüte abgepacktes Brötchen, wahlweise mit Käse oder Wurst belegt. Stand jedenfalls auf Schildchen neben dem jeweiligen Tablett.

Im Saal strenge Sitzordnung im abgemessenen Abstand, Einzeltische, jedes Mikro mit einem Plastiktütchen umhüllt. Geordnete Sammlung auch in den Köpfen von Herr und Frau Stadtpolitik, friedliche Stimmung, keine Ausreißer, meist Einmütigkeit in den Entscheidungen. Hätte auch Tobias Ottaviani ohne kleine, unpassende, unnötige, langweilende Nörgelei unter der gut sitzenden Mund-Nasen-Maske leben können, die nach zwei Minuten jeder vergessen hatte, wäre das erste Corona-Parlament wohl noch schneller Geschichte gewesen. So wurden es dann doch noch 57 Minuten.



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