Erzengel Michael sorgt für Überraschung

Bad Homburg (hw). Bei der Sanierung der ehemaligen Kapelle im Gustavsgarten ist den Arbeitern ein Erzengel erschienen. Im Zuge der Sanierungsarbeiten wurde in der Kapelle eine Putzintarsie entdeckt. Sie stellt den Erzengel Michael dar und gehört nach Auffassung von Diplom-Restaurator Matthias Steyer zu den ab 1950 unterstützten Projekten „Kunst am Bau“. In Abstimmung mit der städtischen Denkmalpflege und dem Landesamt für Denkmalpflege wurde entschieden, die Putzintarsie vollständig wiederherzustellen.

Die geschätzten Kosten in Höhe von rund 35 000 Euro übernimmt zur Hälfte das Landesamt für Denkmalpflege. „Die Entdeckung der Putzintarsie war eine echte Überraschung. Vor allem, weil sich dahinter eine spannende Geschichte verbirgt“, freut sich Oberbürgermeister Alexander Hetjes.

Der klassizistische Bau, der im Gustavsgarten gegenüber der von 1898 an errichteten Villa Wertheimber liegt, wird zurzeit saniert. Zuletzt als Kapelle genutzt handelt es sich bei dem Bau um das einzige erhaltene Ausstattungsstück des ehemals reich angelegten Prinzengartens, das 1830 in Form eines dorischen Tempels möglicherweise von Georg Moller entworfen und als Gartengebäude und Jagdhaus für den Prinzen Gustav, Landgraf von Hessen-Homburg, errichtet wurde. Auf der Rückseite des Baus fand vermutlich in den 1950er-Jahren eine kleine Erweiterung mit einer Sakristei statt, der den alten „Tempelbau“ zur Nutzung als Kapelle für den Verein Hirnverletztenheim nach 1948 ergänzte. Nach der Aufgabe der „Neurologischen Klinik“ fielen Gebäude und Garten über den Bund (2003/04) an die Stadt Bad Homburg (2011) zurück.

In den vergangenen Jahrzehnten war an mehreren Stellen Feuchtigkeit eingedrungen und hatte das Gebäude – und vor allem auch das Gebälk des Dachstuhls – an mehreren Stellen schwer beschädigt. Bei der laufenden Sanierung wird im Gebäudeinneren behutsam der Zustand aus den 1950er-Jahren wiederhergestellt, da hierzu auch die jeweils drei an den Längsseiten angeordneten Buntglasfenster gehören und insgesamt die Befunddichte für diesen Zeitraum am umfangreichsten ist. Der Anbau der ehemaligen Sakristei bleibt ebenfalls erhalten. Das Äußere des Gebäudes wird ebenfalls saniert und nach der Fertigstellung den gewohnten Anblick des ehemaligen klassizistischen Tempels mit den vier vorgelagerten, aus Mainsandstein gefertigten Säulen bieten. Die endgültige Fertigstellung der Gebäudesanierung ist für den Beginn des Jahres terminiert.

Verborgen unter Farbschicht

Im Zuge dieser Arbeiten ist man kürzlich auf die Putzintarsie gestoßen, die den Erzengel Michael zeigt. Bereits im Juni 2019 hatte die Stadt ein Gutachten zur Farbgestaltung des Innenraums der Kapelle in Auftrag gegeben. Um die für die 1950er-Jahre verwendete Wandfarbe zu ermitteln, wurde ein Stück der obersten Schicht der bisherigen Wandfarbe entfernt. Auf dem darunterliegenden Putz stieß man dabei eher zufällig auf Ausschnitte des Erzengels Michael. Daraufhin wurde das Büro Matthias Steyer, in Person der Restaurator Dmitrji Otto, mit der Wiederherstellung der Intarsie beauftragt. „Bislang wurde etwa die Hälfte der Intarsie freigelegt und restauriert“, erklärt die Produktverantwortliche Pamela Weber-Tumm vom zuständigen Fachbereich „Gebäudemanagement“.

Bei dem Künstler, der das Wandbild geschaffen hat, handelt es sich es sich um den Frankfurter Maler Reinhold Schön (1893-1974), der auch einen Kreuzweg in Öl für die Neurologische Klinik gemalt hat.

Das sogenannte Hirnverletztenheim wurde 1947 durch den Frankfurter Verein Hirnverletztenheim (1927 gegründet) eröffnet, der bereits in Frankfurt ein solches Heim betrieben hatte. Ziel der ursprünglichen Vereinsgründung war die Betreuung hirnverletzter und nervengeschädigter Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Zunächst wurden die Patienten von Ordensschwestern der Kongregation vom Heiligen Herzen Jesu gepflegt, die anfangs auch in Bad Homburg tätig waren, aber ihren Dienst 1948 beendeten. Bis 1977 lag die Pflege dann in den Händen des Ordens der Grauen Schwestern von der heiligen Elisabeth. In den Jahren 1957 und 1958 wurde dann der Tempel instandgesetzt und die Sakristei samt einer Außentreppe zum Keller errichtet. Das Gebäude diente als Gebets- und Andachtsraum. Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten wurde auch die Putzintarsie des Erzengels Michael durch den Künstler (Karl) Reinhold Schön geschaffen, der in der Region weitere Werke hinterlassen hat, die teilweise noch erhalten sind, darunter in Oberursel-Weißkirchen die Ausmalung der St.-Johannis-Kirche (1929), die 1967 bei einem Brand teilweise zerstört wurde. Erhalten geblieben sind die Apsis (auf goldenem Grund Christus als Weltenrichter zwischen Maria und Johannes dem Täufer, darunter zwischen den Apsisfenstern Engel) und die Chorwand (Kreuzigung Christi). Weitere Werke sind in Oberhöchstadt auf dem Hofgut Hohenwald das Putzfresko „Der Sämann“ (1936), in Oberursel-Bommersheim, An der Friedenslinde 5, ein Sgraffito des Heiligen Christophorus (1964), in Frankfurt, Burgstraße 84 (Ecke Germaniastraße) am Wohnblock der Gewobag (später Neue Heimat) das Putzfresko „Drei Zimmerleute“ (1937/38) und in Glauburg-Stockheim die Ausmalung der Kirche St. Judas Thaddäus im Art-Déco-Stil (1927).

Den Frankfurter als Künstler der Putzintarsie des Heiligen Michael zu identifizieren, war eine echte Puzzlearbeit. Zunächst wurde bei Freilegung des Wandbilds die Malersignatur „R. Schön“ entdeckt. Für die Leiterin des Stadtarchivs, Dr. Astrid Krüger, lag schnell die Vermutung nahe, dass es sich dabei um den Frankfurter Dekorationsmaler Reinhold Schön handeln könnte. Eine Bestätigung ihrer These fand sie im benachbarten Oberursel. Denn zu Schön gibt es in der Materialsammlung des mittlerweile verstorbenen Oberurseler Heimatforschers Waldemar Kolb mehrere Mappen mit Fotos und eine Unmenge an Informationen.

Und in diesem Bestand, der dem Stadtarchiv zurzeit leihweise vorliegt, wurde Krüger tatsächlich fündig: Es fand sich ein Foto des Dorischen Tempels aus der Zeit als Michaelskapelle mit dem Putzfresko hinter dem Altar – garniert mit viel Material zu anderen Werken Reinhold Schöns. So wurde das Rätsel gelöst.

Restaurator Dmitrji Otto ist mit der Wiederherstellung der Intarsie des Erzengels Michael beauftragt. Foto: fk



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