Festgenagelt auf Beton statt leichtfüßig im Gras

Die Zehen festgenagelt – so präsentiert sich der „Big Half Foot“ des Künstlers Fredrik Wretman. Foto: js

Bad Homburg (js). Autsch! Auch der kleine Scherz am Rande ist natürlich unterirdisch, denn wer will beim filigran ausgearbeiteten „Big Half Foot“ schon von einem Klumpfuß sprechen. Wie ihn der Scherzbold sieht, der mit einem handgemalten Schild auf die Sprechstunden eines angeblichen Podologen gleichen Namens verwiesen hat. Dabei sieht man am 2,40 Meter großen Fuß sogar Adern und meint, bei Betrachtung den Blutfluss zu spüren. War natürlich schnell weg der Kunstfrevel, angedroht ewig oder zumindest für längere Zeit Bestand haben wird wohl die Missetat, die dem Fuß bei seiner Präsentation im öffentlichen Raum angetan wurde. Von einem Fauxpas zu sprechen, wäre in dieser Causa ein Euphemismus. Man könnte aber ein wenig über die Kunst der Standort-Findung für ein Kunstwerk philosophieren. Natürlich, pardon, liegt auch das im Auge des Betrachters. Unvergessen jedenfalls der Kommentar von Stadtverordnetenvorsteher Dr. Alfred Etzrodt, als auf Intervention der CDU-Fußbeauftragten der aktuelle Standort für den Fuß bestimmt wurde. „Der Fuß hat ein Standbein bekommen.“ Das hatte Stil, war galant und wertfrei.

Da wusste noch niemand, wie schmerzhaft es für den Fuß kommen würde.

Mal abgesehen von seiner neuen Heimat auf einem kahlen Parkplatz am Ortsrand, direkt neben der meistbefahrenen Kreuzung in ganz Bad Homburg. Wo der Asphalt in der Hauptverkehrszeit zittert und der Fuß womöglich noch mehr Risse bekommen könnte, als er ohnehin schon hat. Der einzige Baum auf der Parkfläche wurde dafür gefällt, eine graue Feuerwehr-Notunterkunft blieb, ein Klohäuschen schmückte anfangs das Szenario. Die nackten Fakten knapp drei Monate nach dem Parlamentsbeschluss zum von der Stadt für 100 000 Euro angekauften Kunstwerk sind bitter für den Kunst-Fuß, erschaffen vom schwedischen Bildhauer Fredrik Wretman. Dem sich, wie Fama raunt, die Fußnägel in der schwedischen Heimat aufgerollt haben sollen, als er vom Verbleib seines Werks erfuhr, das die Stadtgesellschaft so gerne zur weiteren Erbauung im Kurort erhalten wollte, als die jüngste „Blickachsen“-Ausstellung zu Ende ging. Der Künstler will das nicht näher erläutern, das ehrt ihn. Dass er „not amused“ über den Umgang mit seinem Werk ist, darf an dieser Stelle schon gesagt werden. Dass er den Ort ziemlich hässlich finde und dass er hoffe, es werde noch der passende Platz für den „Big Half Foot“ gefunden, an dem dieser ein wenig sinnlicher Fuß fassen könne. Auf der großen Wiese des Kurparks unterhalb vom Schmuckplatz haben die Homburger den sanft im Gras aufgesetzten Fuß lieben gelernt, das hat auch dem Künstler gefallen. Hat ihn aber keiner gefragt, wie er es denn gerne hätte.

Also, gemessen an der medialen Aufmerksamkeit haben die Bad Homburger Kunstfrevler mit ihrem je nach Blickwinkel skurril oder reichlich seltsamen Geschmack doch alles richtig gemacht. Werbetechnisch gesehen. Der Boulevard war in höchster Instanz am Ort des Geschehens und verbreitete die Nachricht von der wunderbaren Fuß-Konstellation millionenfach, das Fernsehen war da, was will man mehr? Da durfte einer der Verfechter, der Vorsitzende der CDU-Ortsgruppe Dornholzhausen, die den drögen Parkplatz unbedingt künstlerisch aufwerten wollte, im Hessen-TV auch verbreiten, dass der Künstler froh sein könne über die Aufmerksamkeit, die seinem Werk derzeit geschenkt würde. Er könne sich „doch riesig freuen, noch nie sei so viel über ein Kunstwerk von ihm geredet worden“, sprach Hans-Peter Heß zum geneigten Publikum. Noch nie ist wohl auch derart intensiv über die Art der Bad Homburger Politik diskutiert worden, wie reichlich seltsam sie mit Künstlern und ihrer Kunst umgeht. Bis hoch hinauf in den schwedischen Norden und quer über die Boulevards und durch die so genannten sozialen Medien der Republik.

„Geschmacklos“, mehr fällt der Dame dazu vor der TV-Kamera nicht ein. „Absolut scheußlich, rausgeschmissenes Geld“, sagt eine andere. „Dafür haben wir ein Dutzend Parkplätze verloren“, merkt ein Pragmatiker an, „unverständlich und sinnfrei“, urteilt ein Herr aus Kirdorf. Ein Tritt ins Fettnäpfchen die Platzwahl, damit der Fuß nicht gar so sehr von Fett trieft, wurde er aufgespießt. Zwei fette Nägel durch den großen Zeh und Nummer vier in der Reihe, zwei weitere durch den Ballen, damit der Fuß in der tänzerisch anmutenden Position verharren kann. Wird er müssen, festgenagelt auf einer flachen Betonplatte, die wiederum diagonal auf einen Betonquader montiert wurde. Voilà, fertig ist das Kunstwerk. Drumrum soll noch Rasen gepflanzt werden, heißt es, geschmückt mit ein paar Lavendelbeeten. Gibt ein bisschen Farbe im Sommer.



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