Der Frauenring wird im städtischen Leben fehlen

Der Bad Homburger Frauenring ist nach 75 Jahren aufgelöst worden, das allerletzte Geld des Vereins wird auf den Cent genau an die Landgräfliche Stiftung gespendet: Die Leiterin des Kinderheims, Dagmar Heidel (l.), nimmt den Scheck aus den Händen der Frauenring-Vorstandsmitglieder Ute Dufner (Mitte) und Ana Maria Herkommer (r.) entgegen. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Der Bad Homburger Frauenring hat sich nach 75 Jahren aufgelöst. Was hinter dieser lapidaren Feststellung steht, mit der Ute Dufner und Ana Maria Herkommer vor Kurzem die vollendete Liquidation des Vereins bei einer Spendenübergabe an das Kinderheim Landgräfliche Stiftung bekanntgaben – es ist viel mehr. Viel mehr, als dass wieder einmal Ehrenamtliche ihr Engagement beenden, weil sich Lebens- und Berufsbedingungen geändert haben und jüngere Generationen andere Arbeits- und Freizeitwerte für sich reklamieren. Es ist ein weiterer Abbruch menschlicher Beziehungen und des Idealismus, füreinander und für andere da zu sein.

Der Frauenring gehörte einfach zu Bad Homburg dazu: Seit 1947 machte er die Stadtgemeinschaft reicher durch Diskussionsabende, Kulturveranstaltungen, soziales Engagement für Benachteiligte und Bedürftige. Und der Frauenring bot Bürgerinnen der Kurstadt über Jahrzehnte Zusammenhalt, Austausch und eine Plattform für Bildung und Kreativität. Auf zwei Seiten Papier hatte Ute Dufner die Entwicklung des Ortsrings Bad Homburg zusammengefasst. Beerdigungs-Reden, zumal von Liquidatoren, sind kurz. Doch dann entwickelte sich zwischen den beiden Vorstands-Vertreterinnen des Frauenrings, der Leiterin der Landgräflichen Stiftung, Dagmar Heidel, und der Journalistin ein tiefschürfendes Gespräch über gesellschaftlichen Wandel, das neue Frauenbild und seine Brüchigkeit in der Coronazeit, über Hoffnungen für die junge Generation der Frauen und Mütter, über Ruhestand und Einsamkeit.

Der Bad Homburger Frauenring machte hier seinem guten Ruf noch einmal alle Ehre. Was wäre das gewesen, wenn die reiche Erfahrung von Frauen, die da am Schlusspunkt zum Ausdruck kam, noch hätte weitergegeben werden können? Gespräche über Lebenserfahrungen vermitteln so viel mehr als das blutleere Diktum von „Transformation und Strukturwandel“, das uns gerade als modern und nötig verkauft wird.

Präsenz hatten sie immer gezeigt, die vielen Bad Homburgerinnen, die dem Ortsring des Frauenrings angehörten. In den Hoch-Zeiten des Vereins waren es mehr als 600 Frauen, zuletzt noch 119 Mitglieder. Dr. Gabriele Strecker, Homburgerin und die erste Leiterin des Frauenfunks von „Radio Frankfurt“ nach dem Zweiten Weltkrieg, hatte den Ortsring im September 1947 gegründet, „weil es ihr notwendig erschien, dass in Bad Homburg etwas aufgezogen wird, vor allem politische Aufklärung und Diskussionen, verbunden mit Streifzügen durch das gesamte problematische Leben von Frauen in diesen schweren Zeiten, dass etwas entstehen sollte, das die Frauen menschlich zusammenschließt“, so Dufner.

Es wurde eine Erfolgsgeschichte. Mitglied Ellen McCloy, Gattin des damaligen amerikanischen Hochkommissars in Deutschland, regte 1948 den ersten „Tauschmarkt“ in der Kurstadt an, der fortan als jährlicher Weihnachtsbasar des Frauenrings im Kurhaus fast 70 Jahre veranstaltet wurde. Wer nicht viel Geld hatte, konnte hier gebrauchte Dinge und Kleider verkaufen und kaufen – „eine Riesenarbeit für unseren Verein, aber so viele Frauen waren da aktiv!“, erzählt Ute Dufner. Herz und Kopf des legendären Vorweihnachts-Events war jahrzehntelang die Organisatorin Elisabeth Ratte. Die Erlöse wurden stets für bedürftige Frauen in der Stadt gespendet. Der Bad Homburger Ortsring wurde schon in den 1950er-Jahren als eine der größten Ortsgruppen des Deutschen Frauenrings bundesweit zum Impulsgeber: Lange vor der Entwicklung der Städtepartnerschaften knüpften die Frauen hier internationale Kontakte mit der englischen Stadt Exeter und Terracina in Italien. Ana Maria Herkommer, von Herkunft Spanierin, fand im Frauenring eine Heimat in der Mitte der deutschen Gesellschaft. Viel wurde seit 1948 getan für Flüchtlingsfamilien aus dem Osten Deutschlands, Hausaufgabenhilfe, Kinderbetreuung.

Der Frauenring integrierte und motivierte. Der Besuch von Kunstausstellungen, Museen und Konzerten, gemeinsame Sommerfeste und die beliebte Weihnachtsfeier des Frauenrings schweißte die Mitglieder zusammen. In der Festschrift zum 50-jährigen Bestehen zeigt sich noch die ganze Bandbreite der Angebote, die Frauen für Frauen machten. In den vergangenen 20 Jahren seien viele Frauen erst mit Eintritt in den Ruhestand zum Verein dazugestoßen, wie sie selbst auch, sagt Herkommer. „Ich wollte da der Gesellschaft etwas zurückgeben.“ In jüngster Zeit hätten aber Überalterung, Umzüge und Austritte von Mitgliedern dem Frauenring ebenso zu schaffen gemacht wie die Haltung berufstätiger Frauen, sich nach dem Beruf nicht mehr über eigene Interessen hinaus für anderes engagieren zu wollen. Industriekauffrau Ute Dufner, die aus der katholischen Jugend kam und später „im Ruhestand nicht zu Hause hocken und verblöden“ wollte, wie sie sagt, gibt auch der Coronazeit eine Mitschuld am Niedergang des Frauenrings.

„Natürlich konnten unsere langjährigen alten Mitglieder mit aktuellen gesellschaftlichen Frauen-Themen nicht mehr viel anfangen. Aber merkwürdigerweise kamen während Corona längst überholt geglaubte Themen wieder hoch: Wer bleibt zu Hause, wenn Kinder betreut werden müssen? Wo bleibt das Selbstbewusstsein von Frauen, wenn es eng wird? Und in diesen Kriegs- und Krisenzeiten: Wer sind denn die Leidtragenden in autokratischen Regimen?“ Aber, so meint Ute Dufner, „ich bin fest überzeugt, dass sich etwas ändern wird, nicht nur für die intellektuellen Frauen in den Gesellschaften, die jetzt gegen Regime aufbegehren, sondern für alle.“

Für Ute Dufner und Ana Maria Herkommer sowie für den gesamten Team-Vorstand war es ein anstrengender Weg, die Ende 2021 beschlossene Auflösung des Vereins abzuwickeln. Das Büro in der Obergasse ist geräumt, die Auflösung des Bad Homburger Frauenrings im Hessischen Staatsanzeiger veröffentlicht. Nun ist es Zeit für die Stadt und ihre öffentlichen Vertreter, das auch zu bemerken. Merken werden es auch viele Bürger und das Netzwerk der Frauen-Vereine in der Kurstadt. Denn fehlen wird in Zukunft auch eine aktive und verlässliche Gruppe von Spendern.

Das Restvermögen des Vereins übergaben Ute Dufner und Ana Maria Herkommer an das Kinderheim Landgräfliche Stiftung (6253,37 Euro) und an das Frauenhaus Bad Homburg (12 000 Euro), die das gespendete Geld in die Freizeit-Pädagogik des Kinderheims und in die Nachmittagsbetreuung und notwendige Utensilien für aus Notsituationen geflüchtete Frauen mit Kindern fließen lassen wollen. Ein „harter Kern“ des Frauenrings unter der Leitung von Maria Magdalena de Zotti werde sich weiter privat zu Kunstführungen im Städel und zum Stammtisch jeden letzten Montag im Monat zusammenfinden, verriet Ute Dufner. „Denn viele Frauen heute sind einsam, gerade im Ruhestand oder wenn der Partner stirbt.“ Gesprächsthemen gibt es für die lebenserfahrenen Frauen sicher viele.

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