Bad Homburg (ks). Die japanische Künstlerin Chiharu Shiota hat ihre eigene Sprache gefunden, Gedanken über den Menschen, seine körperlichen und geistigen Verbindungen mit dieser Welt und seine Existenz als Teil eines größeren Universums in Kunst zu übersetzen. „Gedankenlinien“ nennt sie ihre Ausstellung im Museum Sinclair-Haus, in dem ihre spektakuläre blutrote Installation „Drifting“ im Erdgeschoss eindrucksvoll vermittelt, worum es ihr geht.
Aus Booten, „Sinnbilder unserer ungewissen Reise durch das Leben“, „wächst“ ein raumfüllendes Geflecht aus roten Wollfäden, die miteinander verwebt, verknotet sind und auch wieder gekappt wurden. Verbindungen entstehen und können abrupt wieder enden. Jeder kennt das. Das Rot erinnert nicht von ungefähr an Blut. Der Mensch ist mit dem „besonderen Saft“ präsent, den er zum Leben braucht. Kleinere rote Körper in Diamantform, die aus kleinen Dreiecken bestehen, stehen für die Verbindung zwischen Körper und Universum: „Ich frage mich oft, wie mein Körper mit dem Universum verbunden ist. Wohin geht mein Bewusstsein, wenn mein Körper nicht mehr da ist?“ lautet eine Frage, auf die sie ebenfalls eine Antwort sucht.
Es steckt viel Symbolik in diesem Werk, in dem es der Künstlerin auch um das Erinnern, das Vergessen und eben auch um den Tod und die Frage nach dem „Danach“ geht. Mit diesen Gedanken setzen sich ihre Arbeiten im oberen Stockwerk auseinander. Dort herrscht, wieder sehr passend, die Farbe Weiß vor. Denn die Antworten sind weder eindeutig noch greifbar. Das Szenarium ist entsprechend mystisch und so geheimnisvoll wie die vielen Wege, auf denen sich die Menschen und Völker dieser Erde mit solchen Fragen auseinandersetzen. Und noch einmal spielt die Dreiecksform eine Rolle, denn es geht Chiharu Shiota „nicht um einen spezifischen kulturellen Zusammenhang“. Die Dreiecksform soll vielmehr als „intellektuelles Prinzip“ gelten, „das in zahlreichen Religionen für Unendlichkeit, für Kosmos und auch für ein göttliches Prinzip“ stehe. Den Kinderkleidchen, eingesponnen in unschuldiges Weiß, gab sie den Titel „State of being“, und der Klaviertorso heißt „Beyond Time“. In den diesem Instrument gewidmeten Installationen und Bildern beschäftigt die Künstlerin die Erinnerung an den Brand in einem Nachbarhaus, den sie in jüngeren Jahren erlebte und der sie sehr berührt hat. Dabei brannte auch das Klavier aus. Es hatte seinen Klang und seine Seele verloren. In ihren abstrahierten Zeichnungen geht es vordringlich wiederum um die Menschen und ihre Verbindungen zueinander, symbolhaft auch in den Metaphern Schiff und Bett zu erkennen. Außer der intellektuellen ist auch auch eine poetische und emotionale Dimension im Werk dieser Künstlerin zu entdecken, die in Osaka geboren wurde und die nun in Berlin lebt und arbeitet.
!Die Ausstellung im Museum Sinclair-Haus, Löwengasse 15, dauert bis zum 16. Juni und ist dienstags von 14 bis 20 Uhr, mittwochs bis freitags von 14 bis 19 Uhr sowie samstags, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet (Ostermontag und Pfingstmontag geschlossen). Es gibt ein interessantes Begleitprogramm, das eindrucksvoll am 3. April mit „Tanz und Wort: Der Faden der Ariadne“ mit dem Theater Willi Praml begann. Am Mittwoch, 24. April, wird um 19 Uhr „Literatur in Szene gesetzt“. Im Mittelpunkt steht der Roman „Das Feld“ von Robert Seethaler mit Eva Bühnen und Julian Melcher von der Hochschule für Darstellende Kunst und Musik Frankfurt. Tickets gibt es im Vorverkauf im Museum und an der Abendkasse, Telefon 06172-404120, E-Mail: info[at]museum-sinclair-haus[dot]de.