Ein großer Tag für Cosima und Felix

Ihrem ersten Schultag fiebert die sechsjährige Cosima (Foto links) entgegen, die sich vor allem auf die Schultüte freut. Den Schulstart mit ihr erleben werden ihre Eltern Sophie und Marcus Thiel sowie „natürlich die Oma“. Felix ist bereit, der mit Planeten verzierte Ranzen ist gepackt. Zur Einschulung begleiten ihn seine Schwester Nele sowie seine Eltern Kristina und Birger Mangold (rechtes Foto). Fotos: Bergner

Von Astrid Bergner

Bad Homburg. Im August 1970 ging es los: das große Abenteuer Lernen. Ein blaues Dirndl mit rosa Rosen, ein hellbrauner Lederranzen, neben mir meine Mutter und die Großeltern– und 32 Schulkameraden, die mit ihren Schultüten im Arm genau wie ich auf den Stühlen in der Turnhalle der Landgraf-Ludwig-Schule ungeduldig hin- und herrutschten, bis wir aufgerufen wurden. Der erste Schultag!

50 Jahre sind vergangen, seit die junge Grundschullehrerin Fräulein Kothe uns im Gänsemarsch über die Rathausstraße in den Klassenraum führte; eine junge Frau mit großer Brille und kurzem Haar, die mich mit Freundlichkeit und einer gewissen Strenge durch die Grundschuljahre begleitete und mir unendlich viel Wichtiges beibrachte. Mein Brause-Übungsheft für Schönschreiben und die Fotos vom ersten Schultag fielen mir nach einem halben Jahrhundert wieder in die Hände.

Für den Fotografen durften wir damals, noch leseunkundig, mit der aufgeschlagenen Fibel im Klassenzimmer posieren. „Dieses Bild zeigt noch nach Jahren, wie wir froh und glücklich waren“: Schulbeginn – eine große Verheißung, durch Bildung das Leben besser begreifen und gestalten zu können. Und eine große Hoffnung, mit anderen Kindern und Erwachsenen gemeinsam zu lernen und Freunde zu finden.

Mein Jubiläum ist mir Grund genug, einmal nachzufragen, wie die diesjährigen Erstklässler und ihre Eltern diesen wichtigen Tag gestalten und was sie sich von der Grundschulzeit erhoffen. Familie Mangold mit Felix und Familie Thiel mit Cosima haben sich auf ein munteres Gespräch eingelassen. Felix und Cosima werden am nächsten Dienstag und Mittwoch in die Friedrich-Ebert-Schule in Bad Homburg-Gonzenheim eingeschult.

Felix Mangold, der wenige Tage vor Schulbeginn sechs Jahre alt wird, hat sich schon genau gemerkt, wie seine zukünftige Lehrerin heißt: „Sabine Pattberg – aber ich muss Frau Pattberg sagen.“ Seine Mutter Kristina Mangold hat ihrem Ältesten den Brief von der Schule vorgelesen. Felix hat das vorbereitete Namensschild ausgemalt, ist mit den Eltern in die Stadt gegangen und hat einen großen dunkelblauen Ranzen mit Planeten für sich ausgesucht, dessen Taschen neongrün leuchten. Die sogenannten „Kletties“, mit denen die Schulranzen neuerdings verziert werden, stellen bei dem stolzen Schulanfänger Raumschiffe dar, die blinken können. Das passende Mäppchen „habe ich selbst ausgesucht!“ Dabei sah es bis Mitte Mai für Kristina und Birger Mangold noch eher nach einem Drama aus: Wegen des Corona-Chaos mit ständig wechselnden Vorschriften für die Schulen hatte die Schulleitung die Eltern der Kann-Kinder, zu denen Felix dem Alter nach gehört, noch nicht über den möglichen Schuleintritt informiert. „Andere Kinder in der Nachbarschaft hatten alle schon einen Schulranzen gekauft, und Felix war sehr unglücklich“, erzählt Vater Birger Mangold. Für den aufgeweckten Bruder einer zweijährigen Schwester war ja klar, dass er in die Schule geht. Zwar war die Vorschule in der städtischen Kindertagesstätte Gonzenheim wegen Corona ausgefallen, „aber wir haben im Kindergarten gelernt, dass wir wie Erwachsene reden und nicht dazwischenquatschen sollen, dass wir uns melden sollen“, plaudert Felix dazwischen – und schweift dann ab und erzählt, wie schön die Kuschelecke im Kindergarten ist und dass vier Kinder aus seinem Kindergarten gemeinsam mit ihm in die Schule kommen.

Lesen, Schreiben, Rechnen und Sport will der Sechsjährige, der nach seinem Plan später Feuerwehrmann werden will, in der Schule lernen. „Und viele Freunde finden.“ Da der Jahrgang 2020 an der FES mit vier ersten Klassen ziemlich stark ist, wird ihm das sicher gelingen. Kristina Mangold wünscht sich für ihren Sohn, dass „die Lehrerin es schafft, möglichst individuell auf die einzelnen Kinder einzugehen“, und dass der Grundstein für die Bildung gut gelegt wird. Birger Mangold erhofft sich konkret für „diese schwierige Zeit der Pandemie, dass die Schule ein vernünftiges Konzept entwickelt hat und bei Schwierigkeiten gerade für die jüngsten Schüler den Schulalltag so koordiniert, dass sich die Kinder sicher fühlen.“ Sicher ist für Felix schon mal: Er zieht am ersten Schultag „kurze Hose und T-Shirt an“, bekommt dann eine Schultüte und wird mit der Familie den Schulanfänger-Gottesdienst in der evangelischen Kirche Gonzenheim besuchen, bevor es zur Einschulung an die FES geht. Schwester Nele wird auch dabei sein, und sein Freund Elias, der zwei Häuser weiter wohnt.

„Wir zählen schon die Tage bis zur Einschulung“, sagt Sophie Thiel, die Mutter von Cosima. Die sechsjährige Cosima ist die Jüngste von vier Schwestern und weiß schon einiges über die Schule. „Frau Eser wird meine Lehrerin“, sagt sie und erzählt, dass sie im Kindergarten Heilig-Kreuz in Gonzenheim schon Schneiden, Malen „und ein bisschen Buchstaben“ gelernt hat. Stolz holt Cosima ihren schönen roten Schulranzen. „Das ist der alte Ranzen von meiner Schwester Elise. Ich habe mir dafür neue Hunde-Kletties ausgesucht und ein neues rotes Mäppchen. Da sind Schere, Kleber, Stifte und ein Spitzer drin.“ Auf die Schultüte am Mittwochmorgen ist sie schon sehr gespannt. „Ich will mich aber ganz normal anziehen“, erklärt Cosima und erzählt, dass ihre Oma, die in Bad Homburg wohnt, auch kommen wird. Die großen Schwestern werden zwar in der Schule sein, aber die Oma kommt mit in den Gottesdienst. Zur Einschulungsfeier in die FES dürfen die Schulanfängerin dann drei Personen begleiten, „natürlich meine Eltern und die Oma!“ Anschließend wird sich die ganze Familie zu einem schönen Mittagessen zu Hause treffen, und Cosima darf aussuchen, was es zu essen geben soll.

Cosima beschreibt, wie die Vorschule des Kindergartens ab März so lief: Sie musste zu Hause bleiben und bekam Briefe von den Kindergärtnerinnen – ob der Besuch der Vorschulkinder bei der Polizei wirklich noch stattfand, da ist sich Cosima nicht mehr so sicher, „wegen dem Corona“.

Es sei eine besondere Situation für seine Tochter gewesen, sagt Marcus Thiel. Die Vorschule musste praktisch zu Hause absolviert werden, der Abschied vom Kindergarten fiel aus. „Wichtig ist, dass die Unsicherheit der Situation die Kinder nicht belastet. Sie sollen Freude haben und möglichst viel lernen dürfen“, meint der Vater. Thiel hat beobachtet, dass seine Töchter in den vergangenen Monaten doch viel weniger gelernt haben als im normalen Schulbetrieb. „Das darf nicht zum Dauerzustand werden. Wir haben in Deutschland das Privileg eines gut funktionierenden öffentlichen Schulsystems – das darf man nicht aufs Spiel setzen. Es ist wichtig und richtig, dass alle Schulen wieder aufmachen und normal unterrichten.“ Außerdem habe die Schule auch eine Betreuungsfunktion. „Kein Kind kann eigenverantwortlich seinen Alltag strukturieren.“ Dass die Lehrer es hinbekommen, trotz Einschränkungen in guter Atmosphäre zu unterrichten, „zu unterstützen und zu loben, aber auch die Neugier zu wecken und zu fordern“, das wünschen sich Sophie und Marcus Thiel für Cosima.

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