Bad Homburg (nl). Um es gleich vorwegzunehmen, das war das beste Konzert seit langer Zeit. Manch einer wird sich jetzt – vielleicht sogar leicht den Kopf schüttelnd – denken: „Tsss, kein Wunder! Es gab auch seit Monaten keine mehr!“ Doch dieses C-Argument gilt hier nicht. Die Bühne, der Sound, die Musiker und schließlich Udo – zwar not himself, aber sein bestes Double, das sich jeder, der Udo kennt, vorzustellen vermag – all das war mitreißend und professionell inszeniert. Jeder Song war ein akustischer Gourmetgenuss vor der klassizistischen Fassade des Kaiser-Wilhelms-Bads. Als das Publikum auf seinen bequemen Stühlen Begeisterung zunächst mit verhalten wippender Fußspitze ausdrückte und mehr nicht drin zu sein schien, gab sich der Udonaut unbeeindruckt, schaffte es unangestrengt, ohne den Hauch auch nur einer homöopathisch dosierten Anbiederung, das Publikum davon zu überzeugen, dass Tanzen den ganzen Spaß des Abends sogar noch vergrößert.
Man musste schon zweimal hingucken, um die Kopie des Rockers auch als solche entlarven zu können. Die Brille, der Hut, die nach vorn gezogene Unterlippe, mit dem „Hey, wat willste von mir“-Ausdruck, alles identisch mit dem Original. Selbst die dünnen langen Beine und die passend dazu aus dem Hut ragenden schwarzen Haarsträhnen, zu denen noch nie ein akkurater Schnitt gepasst hätte. Auch dann nicht, als die Popper-Mode in den 80er-Jahren und damit John Travolta, Depeche Mode und David Bowie die Elvis-Tolle und das Haargel wieder einführten.
Natürlich habe auch ich mich vor dem Konzert gefragt, was auf der Hand liegt: Wozu muss ich zur Udo-Kopie aufs Konzert gehen? Gerade, wenn das agile Original noch fast alterslos die Bühne rockt. Auf ihrer Homepage verlautbaren „Der Udonaut und die Paniker“: „Uns inspiriert das Schaffen Udo Lindenbergs. Aus seinen Songs spricht ungefiltert menschliche Wärme, tiefer Respekt und politische Haltung. Sein Werk ist stilistisch unglaublich facettenreich, die Songs so unterschiedlich in ihrer musikalischen Sprache, und doch sind sie alle echt.“
Daraus spricht eine tiefe Verbeugung vor Udo Lindenbergs Unverwechselbarkeit. Daran ablesen lässt sich aber auch der Wunsch, Lindenbergs Botschaft, seinen Spirit nachzufühlen und vors Mikrofon zu tragen. Lindenbergs Musik hat kein Verfallsdatum. „Der Undonaut und die Paniker“ sind mit ihrer Musik eine einzige authentische Ehrerbietung des Altrockers. Dazu kommt noch ihre ausgefeilte musikalische Darbietung. Die Coverband will nicht nur Udo Lindenberg Songs adaptieren, sondern sie setzen das Ganze auch künstlerisch „1a“ um. Ihnen gelingt dabei etwas richtig Großes. Aus dem Umfeld des originalen Panikorchesters ist entsprechend zu vernehmen, dass sie sehr einverstanden mit ihrer Musikband-Kopie sind.
Wenn „Der Udonaut“ sein Mikrokabel wie Udo kreiseln ließ und er zusammen mit der stimmgewaltigen Jasmin Antic eine große Show abzog, dann ließen die acht Musiker auf der Bühne eine abgestimmte Inszenierung sehen, in der nichts dem klanglichen Zufall überlassen wurde, in der jeder auch noch so leise wie energiegeladene Basston stimmte und in der die Coolness und Entspanntheit, die von der Bühne aus ins Publikum hineinwirkte, einfach nur noch als hochprofessionell zu bezeichnen waren.
Geboten haben „Der Udonaut und die Paniker“ ein Repertoire, in dem aus jeder Udo-Epoche etwas dabei war. „Mädchen aus Ostberlin“, ein Lindenberg-Song der ersten Stunde, veröffentlicht 1973. Aber auch vor den Liedern aus Udo Lindenbergs Mainstream-Zeit wie zum Beispiel „Hinterm Horizont geht’s weiter“ scheuten sie nicht zurück. Hier gelangen Jasmin, dem Udonauten und auch der Band gemeinsame Gänsehaut-Momente. Diesen Stücken verliehen sie ihren ganz persönlichen Touch und dabei ein Eigenleben, das den Kompositionen fast besser zu Gesicht steht als der Originalsound.
Als „Ich mach’ mein Ding“ anklang oder „Bunte Republik Deutschland“ – ein Text, geschrieben lange vor der Wiedervereinigung –, wurde es vor den Stühlen des Publikums fast gesellig und auf jeden Fall unbeschwert. Da war dann weit mehr Köpereinsatz als die federnde Fußspitze zu sehen.
Ob der großen Begeisterung für dieses Bad Homburger Sommer-Highlight sei hier noch das Gitarren-Solo von Bandmitglied Richie erwähnt. Als er „Sie spielte Cello“ gab, was Udo Lindenberg gemeinsam erstklassig mit Clueso eingespielt hatte, spätestens da entstand der Wunsch, diese Musiker sollten doch bitte so bald wie möglich wieder zurückkommen nach Bad Homburg.