Bad Homburg (hw). Als Teenager für ein ganzes Jahr seine eigene Familie, seine Freunde, sein Heimatland zu verlassen, ist sicherlich kein leichtfertiger Schritt. Doch für drei Teenager, die zurzeit das Kaiserin-Friedrich-Gymnasium besuchen, war es eine der besten Entscheidungen ihres Lebens.
Brunella Orlando Blas (17), Luana Vendramin Ganassim (17) und Anna Hart (19) sind gerade mehrere tausend Kilometer von ihrer heimat Argentinien, Brasilien und Neuseeland entfernt und nehmen am Jugendaustauschprogramm des Rotary Clubs („Rotary Youth Exchange“) teil. Dass sie dabei nach Deutschland, speziell nach Bad Homburg kamen, war eher Zufall. „Vor allem wollte ich nach Europa“, erzählt Anna, deren ursprünglich geplanter Austausch sich aufgrund der Covid-Pandemie um zwei Jahre verzögert hat. Jedoch habe sie zuvor nur Gutes über das deutsche Bildungssystem gehört, weshalb sie sehr glücklich gewesen sei, als sie erfuhr, welches Land es letztlich wurde. Die Wurzeln ihrer Familie reichen zurück bis nach Großbritannien sowie Deutschland. Auch Brunella und Luana haben Wurzeln in Europa: beide in Italien, Brunella dazu noch in Spanien. Doch wünschten sie sich die Mitte Europas, da sie sich hier das komplette Gegenteil ihrer südamerikanischen Heimatländer versprachen – sei es die Sprache, die Kultur oder die Menschen.
Brunella und Luana sind nun seit August in Deutschland, Anna kam bereits im Januar. Ihre positiven Erwartungen an Land und Leute seien erfüllt worden, dazu sei glücklicherweise das Wetter deutlich besser als befürchtet. Doch vor allem seien die Deutschen viel offener und freundlicher, als ihr internationaler Ruf es manchmal vermuten ließe. Für viele möglicherweise überraschend: Alle drei heben den öffentlichen Personennahverkehr explizit hervor. „Busse und Züge sind hier sehr gut und vor allem sicher“, erzählt Luana. „Wenn auch oft zu spät“, wie Brunella verschmitzt lachend ergänzt.
Die drei Austauschschülerinnen sind vom Kaiserin-Friedrich-Gymnasium begeistert. Das deutsche Schulsystem unterscheide sich in vielen Details deutlich von den Schulen ihrer Heimatländer. Sowohl in Argentinien als auch in Brasilien und Neuseeland gebe es nur eine Schulform für alle. Das Gymnasium als höchster Zweig eines dreigliedrigen Schulsystems sei also zunächst eine ungewohnte Erfahrung. „Hier ist es viel akademischer, weniger auf Handwerk und Praxis ausgelegt“, stellt Anna zunächst fest. „Aber auch eine solche Unterrichtsbeteiligung“, ergänzt Luana, „wo alle viel und offen diskutieren, gibt es bei uns nicht.“ Luana und Brunella besuchen die E-Phase, Anna ist der Q1 zugeordnet.
Auch wenn die drei jungen Frauen aus Familien mit langer Verbindung zum Rotary Club stammen: Die Anmeldung für das Jugendaustauschprogramm des Rotary Clubs steht allen Jugendlichen offen, unabhängig von der Mitgliedschaft eines Familienangehörigen bei Rotary. Wichtig ist jedoch, dass es sich um einen gegenseitigen Austausch handelt. Während das eigene Kind im Ausland ist, ist man verpflichtet, auch einen anderen Teilnehmer des Programms bei sich aufzunehmen und nicht nur als Gast, sondern wie ein eigenes Kind zu behandeln. Es muss nicht für ein Jahr dieselbe Person sein, da die Jugendlichen pro Austausch zwei bis drei Gastfamilien kennenlernen sollten. „Die Gastfamilien bekommen kein Geld fürs Beherbergen. Sie machen das, weil sie voll dahinterstehen und ihr eigenes Kind im Ausland ebenso die Gastfreundschaft der dortigen Gastfamilien genießen“, lobt Anna das Programm. Und bei Schwierigkeiten aller Art kümmere sich Rotary direkt und verlässlich.
Als ehrenamtliche Organisation ermöglicht Rotary weltweit jährlich 8 000 bis 10 000 Jugendlichen die Chance, internationale Erfahrungen in über 30 fremden Ländern zu sammeln. Allein in Deutschland nehmen etwa 650 Schüler am Jahresaustausch teil.