Mit leidenschaftlicher Hingabe und größer Könnerschaft

Joscho Stephan (l.) an der Sologitarre mit seinem Vater Günter an der Rhythmusgitarre und Volker Kamp am Kontrabass sorgten für einen mitreißenden Beginn des 5. Gitarren-Festivals in der Englischen Kirche. Reiner Harschers Leopard lauert im Hintergrund. Foto: Staffel

Bad Homburg (ks). Mitreißender als mit dem virtuosen Gitarren-Solisten Joscho Stephan, seinem Vater Günter an der Rhythmusgitarre und Volker Kamp am Kontrabass hätte das 5. Gitarren-Festival in der Englischen Kirche nicht beginnen können. Die Spielfreude und Spiellust des Trios war so ansteckend, dass der zündende Funke schon nach den ersten Akkorden übersprang und der erste Titel bereits mit langem Applaus und Jubelrufen bedacht wurde. Und das blieb so bis zum Ende eines an Melodien und Rhythmen reichen Abends im Zeichen eines frischen und lebendigen Gypsyjazz’.

Joscho Stephan, der beeindruckende Spieler, Arrangeur und Komponist, war auch ein heiterer Moderator, der manche witzige Anekdote von berühmten Kollegen parat hatte und sich auch nicht scheute, den eigenen Vater und den Bassisten ein bisschen zu veräppeln. Das Publikum freute sich, und die Kollegen nahmen es gelassen hin. Wer sehen konnte, mit welcher Geschwindigkeit und sicheren Grifftechnik Joscho Stephan die Akkorde anschlägt und mit der rechten Hand seinem Instrument auch manchen ungewohnten Klang entlockt hat, kam aus dem Staunen nicht heraus und mit den Augen kaum mit. Dass dieses intensive und konzentrierte Spiel Kraft kosten muss, war Joscho Stephan nicht anzumerken. Diese vermeintliche „Leichtigkeit“ kann nur einer vermitteln, der sich seiner Kunst mit leidenschaftlicher Hingabe und großer Könnerschaft widmet.

Joscho Stephan hält den „klassischen“ Gypsiejazz lebendig, weil er ihn auf eindrucksvolle Weise mit anderen musikalischen Stilelementen bereichert, ohne ihn zu verfälschen. Er integriert Swing, Latin, Klassik und Pop, und wenn ein berühmter Kollege wie Dschango Reinhardt hören könnte, wie Stephan Titel von ihm „verjüngt“ und modifiziert hat, müsste er ihm dankbar sein. Er sorgt dafür, dass der Gypsiejazz und seine namhaften Vertreter nicht in Vergessenheit geraten. Dschango Reinhard soll sehr eigenwillig gewesen sein. Wenn er keine Lust zum Spielen hatte, sei er einfach nicht zum Konzert erschienen, berichtete Stephan. Einmal habe ihn sogar sein Bruder Joseph vertreten, der seine Gitarre tragen musste. Er sprang für den Bruder ein, ohne dass es jemand bemerkt hat, und durfte sich danach über positive Kritiken als „Dschango“ freuen. Das könnte sich wohl heutzutage kein Künstler mehr leisten.

Joscho Stephan ehrt die alten Meister auch damit, dass er Titel von ihnen auf einer Disc versammelt hat, die, wie alle seine Tonträger, großen Anklang findet. Er hat den Mut, einen alten Schlager wie „Hallo, kleines Fräulein, haben Sie heut’ Zeit...“ mit einer gefälligen Mozartmelodie oder der „A-Train“ von Duke Ellington zusammenzubringen. Experten bezeichnen Joscho Stephan als „kreativen Visionär“ und „Gitarristen für die Zukunft der Gypsie-Jazzgitarre.“ Seine Variationen, in denen die Grundmelodie immer wieder erkennbar ist, sind faszinierend, und seine beiden Kollegen folgen ihm willig und in großer Harmonie.

Frenetischer Beifall

Bassist Volker Kamp imponierte mit eigenen Soli, eine Ehre, die Günter Stephan an der Rhythmusgitarre nicht zuteil wird. Er durfte sich aber auch über einen Extraapplaus freuen. Er bezahle dem Vater keine Gage; dieser sei aber am Umsatz der Tonträger beteiligt warb und witzelte sein Sohn. Es gab auch am Ende noch einmal frenetischen Beifall, der mit einer Zugabe von Johnny Depp belohnt wurde: „Damit man einmal hören kann, wie seine Musik richtig gespielt wird“, kommentierte Joscho mit einem fröhlichen Grinsen.

Auch dieses 5. Gitarren-Festival wurde wieder in Zusammenarbeit von Stadt und Volkshochschule/Musikschule organisiert. Die künstlerische Leitung hatten die Brüder David und Nick Kvaratskhelia, die auch Meisterkurse und Workshops leiteten und beim Orchesterkonzert in der Schlosskirche zusammen mit der Gitarristin Stephanie Jones als Gitarren-Duo auftraten.



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