Aber das Licht der Hoffnung bleibt

Die Gesänge des ukrainischen Chors „Bozhedary“ aus Ober-Eschbach und Ober-Erlenbach steigen hinauf in die Kuppel der Erlöserkirche. In dem Gotteshaus haben sich am Freitag, dem Jahrestag des Kriegsbeginns, mehr als 100 Betende versammelt. Foto: Bergner

Bad Homburg (a.ber). „Du bist ein Gott, der uns sieht mit unseren Sorgen um Sicherheit und Energie und den vielen geflüchteten Menschen hier an unserer Seite. Siehst du die Menschen in der Ukraine, die Soldaten im Gefecht, die Kinder und Alten in Kellern und zwischen Ruinen?“ So betete Kirchenvorsteher Wolfgang Förderer mit mehr als 100 Menschen, die sich aus Anlass des Jahrestags des Kriegsbeginns in der Ukraine in der Erlöserkirche zum ökumenischen Friedensgebet versammelt hatten.

Die christlichen Kirchengemeinden der Stadt hatten eingeladen. In den Gebeten, Berichten Betroffener und in den Gesängen des neugegründeten ukrainischen Chors „Bozhedary“ aus Ober-Eschbach und Ober-Erlenbach kamen existenzielle Fragen zum Ausdruck: Können wir auf Frieden hoffen? Hört Gott unser Schreien in der Not? Wohin mit unseren Gefühlen von Elend, Angst und Hass angesichts von Gewalt und Zerstörung? Bürger, geflüchtete Menschen, Vertreter der katholischen und evangelischen Kirchengemeinden und der Stadt waren gekommen.

„Am 23. Februar 2022, einen Tag vor Kriegsbeginn, waren wir vor der Kirche zusammengekommen und hatten voller Hoffnung noch um Einsicht in die Notwendigkeit friedlicher Konfliktlösungen gebetet“, erinnerte Pfarrer Andreas Hannemann von der Erlöserkirche. „Nun sehen wir seit einem Jahr bodenlose Bestialität, Zerstörung an Leben und Ressourcen in der Ukraine. Auch russische Menschen leiden unsäglich, werden voller Menschenverachtung von ihrer Regierung im Kampf geopfert für einen Krieg, der so sinnlos begonnen wurde.“ Bad Homburgs Oberbürgermeister Alexander Hetjes sprach vom „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine durch Russland gerade einmal 2000 Kilometer Luftlinie entfernt von uns“. Für ihn persönlich, so Hetjes, hätten die Bilder von dort auch nach einem Jahr nichts von ihrer Grauenhaftigkeit verloren. „Der Magistrat und die Bürgerschaft unserer Stadt stehen unverbrüchlich zu den Menschen in der Ukraine.“

„Stolz auf alle, die helfen“

Mehr als 800 geflüchtete Ukrainer hätten bisher vorübergehende oder dauerhafte Heimat in Bad Homburg gefunden. „Ich bin stolz auf alle, die dabei helfen“, so der Oberbürgermeister. Besonders hob Hetjes die Jüdische Gemeinde Bad Homburg hervor, die mehr als 100 Geflüchtete jüdischen Glaubens aufgenommen habe: „Was die Jüdische Gemeinde hier leistet, ist phänomenal.“ Frieden, so Hetjes, könne einzig und allein durch einen Rückzug Russlands aus der Ukraine werden.

Die Ukrainerin Mila Heinz vom ukrainischen Koordinationszentrum in Frankfurt übersetzte die Worte der aus einem Kiewer Vorort geflüchteten jungen Ukrainerin Tetiana Yasy-novska. „Ich persönlich kann berichten: Es ist jetzt sehr schwierig in der Ukraine, alle sind durch den Krieg erschöpft. Aber die Ukrainer hoffen auf Unterstützung. Sie wissen, Elektrizität und anderes kann man ihnen wegnehmen, aber nicht Freiheit und Licht der Hoffnung!“ Tetiana Yasynovska brachte ihre Dankbarkeit gegenüber Deutschland für Schutz und Hilfe zum Ausdruck. „Natürlich ist es sehr schwer, von vorne anzufangen – aber es motiviert mich, meiner Stadt hier so nützlich wie möglich zu sein.“

Die ausdrucksvollen Gesänge des ukrainischen Chors „Bozhedary“ stiegen in die Kuppel der Erlöserkirche und zeugten von der Lebenskraft der Betroffenen in all dem Leid. Pastoralassistentin Silvia Kessler von St. Marien betete für „unsere Geschwister, die durch Gewalt vertrieben wurden und in Nachbarländern der Ukraine Ruhe suchen“. Pastor Horst Weinmann von der Evangelischen Gemeinschaft gab mit Psalm 142 der Hoffnung aller in Not Schreienden Ausdruck: „Aber du, Herr, bist meine Zuflucht.“

Über die Lage der befreundeten Baptisten-Gemeinde in Cherson berichteten Pastor Harald Kufner und eine Vertreterin der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Bad Homburg. „Wir blicken auf eine Katastrophe, kein Brot, keine Medikamente, unsere Versorgungsanlagen sind zerstört. Die Menschen hier kommen jetzt in die Orte um Cherson herum zurück, in bittere Armut, die Schulkinder haben keinen Unterricht, und die Kinderspielplätze sind durch die Russen vermint worden“, so die Baptisten aus Cherson.

Nach Gebeten von Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak und Stadträtin Lucia Lewalter-Schoor zündeten Gottesdienst-Teilnehmer in der Taufkapelle der Kirche Kerzen an. Pfarrer Andreas Hannemann appellierte an die Menschen hier, weiter zu helfen: „Die Situation bringt zunehmend für alle mehr Lasten, aber wir ahnen, dass die Gesichter, die wir dort im Krieg sehen, unsere Gesichter sein könnten.“

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