Perlkörbchen und Funkien für Goethes Ruh

Die ersten warmen Frühlingssonnenstrahlen locken Hunderte von Krokussen ans Licht und setzen den Weißen Turm in Szene. Foto: jas

Bad Homburg (jas/hw). Blauer Himmel, angenehme Temperaturen, Sonnenschein und überall ein paar bunte Blümchen – im Bad Homburger Schlosspark hat der Frühling Einzug gehalten. Und nicht nur das: Das Team um Schlossgärtner Peter Vornholt hat alle Hände voll zu tun. Auf der Arbeitsliste stehen allerlei Neupflanzungen, aber auch die Verbesserung und Neuanlage von Wegen.

Viel Zeit haben die Schlossgärtner in den vergangenen Tagen vor allem im lauschigen Rondell des Schlossparks, in Goethes Ruh seitlich des Obergartens, verbracht. Nach sechs Jahren hat das idyllische Plätzchen eine neue Bepflanzung erhalten. Dabei werden Bezüge zur Geschichte des Schlossparks aufgegriffen. Wie Gartenmeister Peter Vornholt mitteilt, setzte sein Team Pflanzen aus überlieferten Bestelllisten der englischen Landgräfin Elizabeth von Hessen-Homburg (1770-1840), solche, die der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) in seinem Weimarer Garten kultivierte, und Pflanzen eines überlieferten hessischen Herbariums.

Vor dem Teehaus in der Senke des ehemaligen Steinbruchs pflanzten Auszubildende der Schlossgärtnerei unter anderem Perlkörbchen, Funkien, Dreimasterblumen, Kugelprimeln, Dreiblattspiere, Aschwurz und bodendeckenden Teppich-Fingerstrauch ein. Die neue Flora ehrt die Königstochter Elizabeth, deren 250. Geburtstag im vergangenen Jahr gefeiert wurde und über die das Schloss bis Ende November eine Ausstellung zeigt. Und sie erinnert an Goethe, nach dem der Ort wegen eines poetisch besungenen Stelldicheins mit einer Homburger Hofdame benannt wurde. Beide waren selbst erfahren in der Gartenkunst ihrer Zeit und verfügten über große botanische Kenntnisse. Zugleich nahmen sich die Gärtner auch der Wege in dem ehemaligen Steinbruch an. Hier wurde die Tragschicht abgeschoben und mit Felsenkies erneuert. Wer an den Osterfeiertagen einen Spaziergang durch den Park macht, wird sehen, dass sich das 13 Hektar große Areal in den vergangenen Jahren an vielen Stellen verändert hat. Das ist besonders auf die Initiativen von Schlossgärtner Vornholt zurückzuführen. Neueste Zutaten sind auch Neupflanzungen in Bereich der Fantasie, wo am 7. Mai das sanierte und zu einem Museum über historische Obstkultur umgewidmete Teehaus, der sogenannte „Tempel der Pomona“, eingeweiht wird. „Dort wird eine Dauerausstellung zu historischer Obstkultur zu sehen sein. 145 Exponate alter Äpfel- und Birnensorten, von denen einige dann im Schlosspark wieder angebaut werden sollen“, sagt Dr. Inken Formann.

Teich aus Sternhyacinthen

Im Jahre 1772 hatte Landgräfin Caroline von Hessen-Homburg, Gemahlin Landgraf Friedrich V., die Umgestaltung eines Teils des Schlossparks im anglochinoisen Stil veranlasst und ihn Fantasie genannt. Er lag in unmittelbarer Nachbarschaft des herrschaftlichen Obstgartens und besaß als erhöht liegenden Mittelpunkt das kleine Teehaus in der Gestalt eines „chinesischen“ Pavillons. Nach der Instandsetzung sieht es nun wieder so aus, wie in den ältesten erhaltenen Ansichten der 1870er-Jahre überliefert. Die bisherige offene Konstruktion aus dem Jahre 1952 erhielt gemäß dem historischen Vorbild Wände, Eingangstür und Fenster. Das marode Dach wurde komplett neu aufgerichtet.

In der Nähe der Pfauenvoliere gibt es eine Senke, in der Vornholt und seine Kollegen blaue Sternhyacinthen gepflanzt haben. Die Farbe ist kein Zufall, denn dort bestand bis ins Jahr 1871 der sogenannte Karautschenteich. Die Bezeichnung war von einer Karpfenart abgeleitet. Im Oktober 1872 begann man nach der Planung des preußischen Gartendirektors Ferdinand Jühlke, den Teich auszuräumen. Den rechteckigen Teich schüttete man teilweise zu und brachte ihn 1879 in eine natürliche Form. Dem Teich wurde dann die Funktion eines dem Großen Teich vorgelagerten Schlamm-Absatzbeckens zugedacht, in dem das aus der Altstadt kommende Wasser gereinigt wurde, bevor es in den Großen Teich floss. Im Jahr 1881 wurde der Kleine Teich als Klärteich durch ein neues Abwassersystem für die Altstadt überflüssig, und man schüttete ihn zu. Um auf diese Vergangenheit hinzudeuten, wurden die Sternhyazinthen gepflanzt: Jetzt im Frühjahr stellen sie für kurze Zeit das ehemalige Wasser dar – ein sehr sehenswertes Bild.

Einen neuen Zuweg hat die Pfauenvoliere bekommen, damit Besucher nicht mehr im Grasmatsch stehen müssen, wenn sie sich die Tiere aus der Nähe ansehen möchten. Rindenmulch ist ausgelegt, und eine Immergrün-Bepflanzung kam hinzu. Dies dient auch dem Schutz der Wurzeln nahestehender Bäume.

Die Mitarbeiter der Schlösserverwaltung sind froh, „in der Lage zu sein, den Menschen im Lockdown wenigstens die Gärten offen halten zu können. Wir freuen uns über die – wenn auch von den fürchterlichen Umständen erzwungene – (Rück)Besinnung auf die Natur“, heißt es. Das Schloss und auch das Wahrzeichen Bad Homburgs, der Weiße Turm, mussten ihre Türen am Montag wieder für Besucher schließen – aufgrund der Corona-Notbremse, die das Land angesichts hoher Inzidenzzahlen gezogen hat. Führungen werden derzeit nicht angeboten. Gemäß der aktuellen Verordnung der Hessischen Landesregierung wird die Schließung vorläufig bis 18. April andauern. Der Schlosspark bleibt geöffnet – täglich bis zum Einbruch der Dunkelheit. Hier dürfen sich maximal fünf Personen aus maximal zwei Haushalten treffen – Kinder unter 14 Jahren zählen nicht mit.

„Wir sind sehr betrübt, dass wir so kurz nach Wiedereröffnung am 12. März jetzt wieder schließen müssen“, bedauert Direktorin Kirsten Worms. „Aber eine Minimierung der Kontakte ist derzeit das einzig Richtige, um die Verbreitung des Coronavirus und seiner Mutationen zu verhindern.“ Ein Oster-Spaziergang durch den Park lohnt sich auf jeden Fall: Generationen von Landgrafen, später sogar die preußischen Könige und deutschen Kaiser, prägten die Gestalt der Anlage, die heute eine abwechslungsreiche Gartenkunst aus verschiedenen Jahrhunderten vereint.

Weitere Artikelbilder



X