Wenn der Schäferwagen zur Literaturinsel wird

Im Gustavsgarten gibt Saskia Hennig von Lange Tipps zum Schreiben von eigenen Geschichten. Foto: nl

Bad Homburg (nl). Am Wochenende Anfang September hatten einige Wenige Glück. Sie trafen im Gustavsgarten der Villa Wertheimber auf die Schriftstellerin Saskia Hennig von Lange. Der Gustavsgarten – ein großzügiges Areal mit altem Baumbestand, an der Tannenwaldallee gelegen. Idylle pur. Unter dem Titel „Landschaft schreibt“ hatte die kleine Gruppe literarisch Interessierter Gelegenheit, sehr persönliche Texte zum Thema Natur zu verfassen und sich dabei von einem Profi über die Schulter gucken zu lassen.

Der Gedanke an den Deutschunterricht in der Schule mit recht starren Regeln, wie ein Aufsatz auszusehen hat, ist schnell verflogen, wenn Saskia Hennig von Lange davon schwärmt, wie gut es läuft, wenn sie mit Teilnehmern des Workshops übers Schreiben nachdenkt. Das Schreiben sieht sie als eine Art von spontanem Ausdrucksmittel, für das niemand erst Unterricht nehmen muss, um es zu beherrschen. Im Grunde kann jeder gleich loslegen, wären da nicht die eigenen Grenzen, die sich jeder selbst setzt. Die eigene anspruchsvolle Erwartung. Indem sie in ihrer Schreibwerkstatt die Wahrnehmung ihrer Teilnehmer schärft, den Blick für die Umgebung mit Gefühlen assoziiert, schafft Saskia Hennig von Lange eine Atmosphäre, in der sich jeder wohlfühlt. Nur so entsteht eine Freiheit im Kopf, die direkten Einfluss auf die Schreibfreude hat.

Sie selbst sagt von sich, dass sie über einen großen Vorrat an Ideen und Geschichten verfügt, die schließlich dringend auf Papier gebracht werden müssen. Doch in Corona-Zeiten, während denen ihre drei Kinder vorwiegend zu Hause waren, fiel es ihr schwer, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. „Ich brauche eine leere Wohnung dazu. Ein Zimmer allein genügt nicht“, sagt sie. Ihre drei Kinder, vor allem die Dreijährige, nehmen sie dann viel zu sehr in Beschlag. „Dann will sich kein Flow einstellen, und ich fühle mich ein bisschen wie eingerostet“, beschreibt sie die angespannte Situation, die sie mit vielen Künstlern teilte.

Doch als Saskia Hennig von Lange diesen Sommer mit ihrer Familie im Urlaub war, gab es neben der Ferienwohnung noch einen einsam in der Natur stehenden Schäferwagen, den sie kurzerhand umfunktionierte zu ihrer Literaturinsel. Dort schrieb sie regelmäßig, Tag für Tag, zwischen 6 und 9 Uhr morgens. Sie verrät auch schon ein wenig über ihr neues Buch, das sie in dieser Zeit begonnen hat. Ihr fiel mit einem Erbe ein Briefwechsel in die Hände, der sie dazu inspirierte, über die großen Themen nachzudenken, die in den denkwürdigen, gesellschaftlich aktuellen Bereich der Medizinethik fallen. Mehr dazu wird vorab nicht verraten.

Dass sie außer der eigenen literarischen Arbeit regelmäßig ihre Workshops rund ums Schreiben mit ganz unterschiedlichen Altersgruppen geben kann, das hält sie für einen gelungenen Ausgleich zur einsamen Arbeit während des eigenen intensiven Prozesses, den ihr jedes ihrer Bücher abverlangt.

Wer mit Saskia Hennig von Lange ins Gespräch kommt, der wird sofort in den Bann gezogen von ihrer gewählten Sprache und ihrer dabei so selbstverständlichen Beschreibung, von dem, was sie bewegt und wovon ihre Gedanken getragen sind. Mit ihr zusammen über eigene Texte zu sinnen und sich inspirieren zu lassen, von einer Frau, die Literatur lebt, das ist ein Fest.



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