Schwarzer Freitag am Steuermarkt

Aus dem geplanten neuen Sportzentrum in Ober-Eschbach soll keine Ruine werden, „begonnene Projekte werden weitergeführt“, heißt es aus dem Rathaus. Foto: js

Von Jürgen Streicher

Bad Homburg (js). Die Kurstadt muss erhebliche Verluste bei ihrer wichtigsten Einnahmequelle verkraften. Aus den für das laufende Jahr kalkulierten 94 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer sind nach dem ersten Quartal 70 Millionen geworden, das eingeplante Defizit im Haushalt wird von 17,4 Millionen auf 39,2 Millionen Euro steigen. „Die Lage ist nicht nur ernst, sie ist schlimm“, sagen OB Alexander Hetjes (CDU) und sein „Finanzminister“ Meinhard Matern unisono bei der Vorstellung der jüngsten Entwicklung am Freitag. Erste strenge Restriktionen und Maßnahmen wurden bereits verfügt, „harte Einschnitte werden auch für die Bürger kommen“, prophezeite Hetjes.

Dunkle Wolken über dem Champagnerluft-Himmel in der Kurstadt. „Die Zeichen an der Gewerbesteuer-Front stehen auf Sturm, wir müssen jetzt die Notbremse ziehen“, so Oberbürgermeister Alexander Hetjes am Tag eins der öffentlich gemachten Steuerkrise, der womöglich als „Schwarzer Freitag“ in die Geschichte Bad Homburgs eingehen wird. Es geht laut Hetjes um „dramatische Einbrüche“ bei den Gewerbesteuer-Einnahmen, allein in den vergangenen zwei Wochen wurde ein Rückgang von elf Millionen Euro verzeichnet. Die kurz zuvor noch gesendeten positiven Signale von einzelnen Unternehmen hatten sich ins Gegenteil verkehrt, nun werden erhebliche Rückzahlungen auf die Stadt zukommen. Schon in den nächsten zwei Wochen werden dies weitere 8,5 Millionen Euro sein, das sei schon klar, kündigt Kämmerei-Verwalter Matern an. „Es gibt keinen Anlass für Optimismus, das wäre fahrlässig.“

Noch krasser formuliert es der Oberbürgermeister. „Wir sind in eine Situation katapultiert worden, die es so noch nicht gab nach dem Zweiten Weltkrieg“, so Hetjes. Ursache dafür seien „zwei sich überlappende weltweite Krisen“. Heftige wirtschaftliche Auswirkungen seien die Folge. Vornehmlich ausgehend zunächst von der Coronapandemie, die Folgen des Kriegs in der Ukraine sind in den jüngsten Schätzungen noch gar nicht eingerechnet. Auch diese dürften den Optimismus auf „mindestens drei, vier Jahre bremsen“, so Matern. Nur ein paar Grafiken reichen aus, den Ernst der Lage optisch zu dokumentieren. Die Plan- und Ist-Linien etwa bei den Einnahmen aus der Gewerbesteuer, die weit auseinanderklaffen. Mit Tiefpunkt im Coronajahr 2020, da wurden aus dem Plan (101 Millionen Euro) schlappe 65 Millionen, in der langfristigen Planung waren für 2025 Steuereinnahmen in Höhe von 111 Millionen Euro eingepreist, nun stehen noch 83 Millionen in der Prognose.

Noch krasser der Absturz im Ergebnishaushalt auf minus 39,2 Millionen Euro in diesem Jahr. „Da schmieren wir ab“, fasst Matern kurz zusammen. Die Schuldenkurve hat nur noch eine Tendenz, sie ist steigend von 78 Millionen (2016) auf 299 Millionen Euro (2025). Schnelles Handeln sei nun angesagt, die Rücklagen der Stadt betragen laut Matern aktuell 147 Millionen Euro. Sie „tragen uns nicht mehr so lange, wie wir das unter normalen Umständen angenommen haben“. Um die nötige „Vollbremsung“ zu stemmen, soll umgehend eine hausinterne „Task Force“ mit externer Begleitung installiert werden. Bemüht wird das zuletzt auch in der Bundes- und Weltpolitik häufig und gern genutzte Bild vom „Paket schnüren“, gesucht werden die Pakete, die deutliches Einsparpotenzial versprechen. Das Identifizieren der Spar-Pakete sei Aufgabe der Fachbereiche, vor allem natürlich der Kämmerei. Alle sind angehalten, ihre Leistungen kritisch zu überprüfen. Gesucht: Kreativität und der Mut, „ausgetretene Pfade zu verlassen“.

Die ersten Maßnahmen hat der OB bereits verfügt, etwa eine fünfprozentige Sperre für alle Sach- und Dienstleistungen. Freiwerdende und neue Stellen in der Verwaltung dürfen zunächst bis Ende Oktober nur noch intern ausgeschrieben werden, freiwillige Leistungen werden grundsätzlich auf 75 Prozent des bislang gewährten Umfangs reduziert. Das betrifft vor allem Zuschüsse für Sport- und Kulturvereine, da geht es unter anderem auch um Energiekosten, die noch heftig steigen dürften. Finanzielle Leistungen dürfen vor allem nur noch für Maßnahmen erbracht werden, die rechtlich verpflichtend sind oder zur „Weiterführung notwendiger Ausgabe dringend notwendig sind“.

Aus dem geplanten neuen Sportzentrum in Ober-Eschbach soll aber keine Ruine werden, auch nicht aus Kläranlage und neuem Wertstoffhof. „Begonnene Projekte werden weitergeführt“, heißt es aus der Schaltzentrale des Rathauses. Ob in diesem Jahr überhaupt ein neuer Haushalt beschlossen wird, ist wohl derzeit noch unklar.

 



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