Süßer als Kirschlikör und einfach ein Geheimtipp

Trotz schützender Corona-Glasscheibe ganz nah dran: Das „Trio“, das fünfköpfig auftritt, brennt für den Jazz, und jeder von ihnen ist ein Meister seines Instruments. Foto: nl

Bad Homburg (nl). Das „Horst Hansen Trio“ besteht aus fünf Musikern mit bunten Hemden und kam auf Strümpfen daher. Muss erwähnt werden, dass auch die Socken farbenfroh leuchteten? Der Saal war ausverkauft. 40 Stühle standen dafür in großen Abständen voneinander im Raum verteilt. Es war beeindruckend, wie gelassen die jungen Jazzer sich hinter der Corona-Glasscheibe in Stimmung brachten. Chapeau. „Ich sehe vor allem mich selbst“, meinte da Manfred an der Trompete, schulterzuckend, noch bevor er mit seinen Musikerfreunden loslegte und sich in der durchsichtigen Barriere spiegelte, anstatt „Face to Face“ seinem Publikum näherzukommen mit seiner feinen, erstklassigen Musik. Doch das Motto war: „Endlich spielen!“ „Heftigen Überjazz“ nannte das fünfköpfige „Horst Hansen Trio“ seine Mucke. Sie spielten eigene Kompositionen von ihrem neuen Album „Live in Japan“.

Die Leichtigkeit brachten sie nach Bad Homburg zurück mit ihrem erstklassigen Auftritt. Der Saxofonist moderierte gelassen und machte das Beste aus dem Abend: „Könnt ihr noch?“, fragte er das konzentrierte und introvertierte Publikum und brachte damit die Sache auf den Punkt. Denn es war für beide Seiten eine Herausforderung, diesen Abend zu bestreiten. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch für die wenigen Zuhörer war es ungewohnt, wie verloren in einem riesigen Saal zu sitzen und richtig guten Jazzrock zu hören, ohne sich in Stimmung zu grooven. Unter den üblichen Bedingungen würde der Saal toben, und Schulter an Schulter wäre dieses Gemeinschaftserlebnis ein unfassbar besonderer Abend geworden.

„Die schwarze Kira“ oder die „Geschichte vom Vagabunden“, so lauteten die Titel der ausgefallenen Kompositionen, die nicht zu heftig kreativ und arhtythmisch daherkamen, sondern gepflegt und genießbar auch für Nichtjazzer und für Zuhörer guter individueller Musik. Dass die Fünf sich schon lange kennen und seit der Schulzeit zusammen auftreten, das war überdeutlich. Das Timing passte auf die Millisekunde. Intuitiv eingespielt schienen die Künstler mit der komplexen Musik zu verschmelzen und sich wie von selbst zu verstehen.

Als dann noch die Anmoderation eines Stückes mit einer sensationell alltäglichen Geschichte den philosophischen Touch einbrachte, war es passiert: Der Abend war perfekt.

Wie wäre das, wenn man im Stau steht, kurz vor Duisburg. Überall Autos, am Horizont die Hochöfen. Man selbst auf dem Weg zur Oma, die 75 wird und auf dem Beifahrersitz der Kuchen für sie. Das beste Shirt hätte man aus dem Kleiderschrank gezogen, der Frost zieht ins Auto. Es wird kalt und kälter. Wie nah stehen sich doch Glück und Unglück selbst in einer solch beiläufigen Situation. Das „Horst Hansen Trio“ freut sich darauf, dieser Frage mit Musik eine Antwort entgegenzusetzen. Das ist „süßer als Kirschlikör“ und „heißer als ein Kirchenchor“, bekommt das Publikum zur Antwort. Aber allen sei gesagt: Das „Horst Hansen Trio“ ist geschmackvoller als die Piemontkirsche und ein Geheimtipp. Kommt man drauf, ist es Genuss pur.



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