Tänzerische Bewegungen und die Spuren des Lichts

Kirsten Ohlrogge zieht die Strippen, die Bewegung in die „Tanzkamera Obscura“ von Paul Pape bringen. Foto: Staffel

Bad Homburg (ks). Das Prinzip der „Kamera obscura“ wurde bereits in vorchristlicher Zeit entdeckt und hat Paul Pape, Student an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, gereizt und zum Experimentieren animiert. Sein neuestes Projekt ist die „Tanzkamera Obscura“, deren Möglichkeiten im Zusammenwirken mit sieben Musikern und drei Tänzern in der Englischen Kirche gezeigt wurden. Dort ist die von ihm kreierte Kamera ausgestellt: ein großer schwarzer Kasten mit heraushängenden dünnen roten Strippen. Wenn man an diesen zieht, entstehen im Inneren Bewegungen, die aufgezeichnet werden.

Paul Pape fügte der Lichtempfindlichkeit (Iso) ein weiteres Element hinzu, nämlich Bewegung, wie sie der Wind auslöst oder wie sie auch beim Tanzen entsteht. Die Tänzer waren dabei mit Strippen mit der Kamera verbunden, und die Bewegungsbläufe wurden mittels eines Spiegels und Colourfilters auf das Fotopapier aufgezeichnet. Die Künstler waren in luftige fantsievolle bunte Kostüme gekleidet, die in der Ausstellung ebenso zu sehen sind wie die „abstrakten“ Bilder, die dabei entstanden sind.

„Die ikonographische Verwandtschaft zum Marionettentheater drängt sich auf – in umgekehrter Weise: Der Mensch wird nicht als Figur in einer Geschichte, als Darsteller in einer Rolle gelenkt. Er lenkt selbst die Parameter, die sein Bild hervorbringen, das in Kombination aus tänzerischen Bewegungen und den Spuren des Lichts entsteht“, heißt es im Programm. Das Ergebnis beim Austesten der Spielräume im Dialog mit anderen, deren Sprache noch gelernt werden müsse, sei indes lückenhaft. Denn der Apparat sei mehr als eine „technische Spielerei“ und die Tänzer keine „beliebige Ressource oder Reserve des Lebendigen, die der Technik zugeführt werde“. „So, wie die Kamera Obscura mit ihnen tanzt, tanzen sie mit ihr. Verschiedene Rhythmen teffen aufeinander, verwickeln sich Hand in Hand. Die Apparatur bleibt fehleranfällig. Manchmal entsteht ein weißes Bild, in dem sich die Spur des Ephemeren bereits verflüchtigt zu haben scheint.“ Der bildgebende Prozess sei geradezu als „kreative Schleife“ aus einander bereichernden Ableitungen zu verstehen: Die Musik lenkt die Bewegung und diese lenkt wiederum lichtzeichnerisch das Bild, das wie ein Notation, erneut als Musikkomposition oder Choreografie ausgelesen werden könnte: Die Aufzeichnung der Bewegung sei mehr noch im Sinne eines wechselseitigen Beäugens zwischen Mensch und Maschine zu betrachten. „Aufgenommen wird daraus ein Überschuss, der einen ästhetischen Rückstoß auf unser Welt- und Selbstverhältnis entfaltet und Gewohnheiten des Bildermachens aus der Ordnung wirft.“ Dieses Zusammenwirken verschiedener Künste, natürlicher Ressourcen und kreativer Technik ist originell und reizvoll.

Für die Weiterentwicklung seiner „Lichtwind Camera Obscura“ zur „Tanzkamera Obscura“, bei der nun zusätzlich Bewegungs- und Tanzsequenzen einzelner oder mehrerer von Live-Musik begleiteter Tänzer eingefangen werden, erhielt Paul Pape den Fotopreis ISO-5000. Er ist der zweite Preistäger dieses von der Hans-und-Annemarie-Weidemann-Stiftung ausgeschriebenen Preises, der mit 5000 Euro und der Ausstellung in Bad Homburg verbunden ist. Der Preis wird ausschließlich an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach ausgeschrieben.

!Die Ausstellung kann noch bis zum 23. August in der Englischen Kirche am Ferdinandsplatz besichtigt werden, die donnerstags und freitags von 16 bis 19 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 geöffnet ist. Es gelten die aktuellen Hygiene- und Abstandsregeln.

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