Bad Homburg (lm). „Und mag die ganze Welt versinken/ Hafis mit dir, mit dir allein/ Will ich wetteifern! Lust und Pein/ Sey uns den Zwillingen gemein!/ Wie du zu lieben und zu trinken/ Das soll mein Stolz, mein Leben seyn.“ Diese Worte verfasste Johann Wolfgang von Goethe in seinem Gedichtzyklus „West-östlicher Divan“. Intensiv hatte sich dieser mit dem wohlbekannten, persischen Dichter und Mystiker Hafez beschäftigt, der im 14. Jahrhundert über Liebe, Sehnsucht und Schicksal geschrieben hatte.
Viele Jahre später wurde auch der Künstler Günther Uecker auf die Poesie von Hafez aufmerksam. Seine tiefe Begeisterung für Hafez drückte er in insgesamt 42 Sieb-, Sand- und Prägedrucken aus, die nun im Kulturzentrum Englische Kirche von der Galerie am Dom ausgestellt werden. Von dieser „Huldigung an Hafez“ existieren insgesamt 70 arabisch, 30 römisch, zehn persisch vom Künstler nummerierte und signierte Auflagen, die jeweils in einer handbemalten Kassette aus unbehandeltem Holz verwahrt werden. Die Werke sind einzeln oder als vollständige Mappe käuflich und lockten zur Vernissage am vergangenen Freitag viele Kunstinteressierte. Kein Wunder, denn Uecker nimmt nach dem Capital Kunstpass den 26. Platz der 100 bedeutsamsten, noch lebenden Künstler ein. Die Werke, die ihren Austellungsplatz ebenfalls in der Unesco in Paris finden, sind nun noch bis zum 2. Oktober in der Englischen Kirche am Ferdinandsplatz zu bestaunen.
In den frühen 60er-Jahren trat Günther Uecker der von Heinz Mack und Otto Piene gegründeten Kunstvereinigung „Zero“ bei. „In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg setzten es sich diese Künstler zum Ziel, alle vorigen Kunstrichtungen auszublenden und von Null anzufangen. Daher stammt auch der Name. Sie fingen an, zu experimentieren: Mack mit Licht, Piene mit Feuer und Uecker mit Nagelbildern“, informierte Rolf Baltromejus von der Galerie am Dom. Neben der Huldigung an Hafez finden auch einige seiner berühmten Nagelbilder in der Englischen Kirche ihren Platz. „Das Besondere an Uecker ist“, erläuterte Baltromejus, „neben der großen handwerklichen Kunst der filigranen Abdrücke auch sein Auge für das Besondere. Auf seinen Reisen sammelte er stetig Inspiration, und so steckt hinter vielen Werken eine Geschichte.“ Wie zum Beispiel hinter der ebenfalls ausgestellten Bronzestatue. Sie ist inspiriert von butanischen Mönchen, die ihr Gebetsbuch stets unter ihrem Schlafkissen aufbewahrten. Dieser Bezug zu anderen Kulturen, der zu Offenheit und Toleranz aufrufen soll, wird auch in der Huldigung an Hafez deutlich. Nicht nur ehrt er den persischen Künstler und seine Dichtungen, dessen Worte im Zusammenspiel mit Ueckers bildlichen und farbenfrohen Interpretation einen tiefen Einfluss bei dem Betrachter finden. Auch regt Uecker damit zum west-östlichen Dialog und zur Auseinandersetzung mit hierzulande wenig bekannten Kulturgütern an. „Die Werke lassen viel Platz für die eigene Interpretation. Betrachtet man sie, ist es, als würde man das eigene Gedankenkino zum Laufen bringen: Was bedeutet all dies für mich? Was ist die Liebe?“, berichtete Rolf Baltromejus. Immer bewusster wird einem hierbei die Zeitlosigkeit in Hafez’ Ausdrücken.
Die Austellung wurde mit Musik eröffnet. Migena Gjata als Sopranistin und Mirela Zhulali am Flügel verzauberten mit einer Vertonung von Goethe und Hafez. Stadträtin Nina Hoff-Kott bedankte sich im Namen Bad Homburgs und des Bürgermeisters bei der Galerie am Dom für diese Ausstellung. Vor allem in diesen Zeiten von Menschenrechtsverletzungen seien die Werke von Uecker als Zeichen der Hoffnung von hoher Bedeutung, sagte sie. Dr. Friedhelm Häring riss anschließend in seiner freien Rede über die Kunst das Publikum mit. Sie sei das Mittel, mit dem sich der Mensch von dem Irdischen entferne, da sie nach dem Sinn suche, sagte er.
In Zeiten von Krieg und Hass will er dieselbe Botschaft vermitteln, die auch Hafez, Goethe und Uecker von Bedeutung war: Wenn wir lieben, dann sollten wir absolut lieben. „Denn in uns liegt das Licht, und durch diese Liebe können wir es zum Leuchten bringen.“ Auch widmet er seine Worte der Geschichte zwischen Abend- und Morgenland, denen Uecker in seinen Werken einen Gegensatz zu bieten versucht. Obwohl im Nahen Osten die antike Medizin und Philosophie, die wir hierzulande so schätzen, im Mittelalter Rettung fand, herrsche seit ewiger Zeit großes Misstrauen gegenüber der morgenländischen Kultur. Dabei sprechen wir nach Häring zu oft von den bösen Anderen und zu selten von dem bösen Eigenen. Seine Worte fanden im Publikum viel Beifall.
Zum Schluss sprachen Jacqueline Wood und Michael Marks von der Galerie am Dom. Herzlich bedankten sie sich bei dem Kulturamt Bad Homburg, dem Kulturzentrum der Englischen Kirche und dem Kunstverlag Till Breckner sowie bei Stadträtin Nina Hoff-Kott, den Mitarbeitern der Galerie am Dom, den Musikern und Dr. Friedhelm Häring. Sie laden ein, sich in den kommenden Wochen ein eigenes Bild von Ueckers Werken zu machen und diese in Ruhe zu genießen.
!Geöffnet ist die Ausstellung „Huldigung an Hafez“ in der Englischen Kirche, Ferdinandsplatz, mittwochs bis sonntags von 15 bis 18 Uhr.