Die Gonzenheimer Schulen in den Mittelpunkt gerückt

Die Ausstellung „Schulen in Gonzenheim“ mit hunderten Bildern ist fertig aufgebaut, doch vorerst präsentieren Heinz Humpert (l.) und Ernst Henrich vom Geschichtlichen Arbeitskreis Gonzenheim vor dem wegen Corona noch geschlossenen Heimatmuseum Am Kitzenhof die umfangreiche Broschüre – die Lektüre lohnt sich. Foto: Bergner

Bad Homburg (a.ber). Wegen grassierender Diphterie mussten 1878 die Herbstferien für Schüler verlängert werden; wegen Kälte und Kohlemangel wurde 1917 die Schule für vier Wochen geschlossen; nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg fiel der Unterricht monatelang aus: so geschehen an Schulen in Gonzenheim in den vergangenen 150 Jahren. Wer das gerade erschienene Heft 25 des Geschichtlichen Arbeitskreises Gonzenheim (GAG) aufmerksam liest, dem fällt auf, dass Schüler in der Geschichte immer wieder stark von Ereignissen, Entwicklungen und Epidemien in ihrem Alltagsleben betroffen waren.

Lernen unter gesundheitsschädlichen Umständen, Klassenteilungen und Schichtunterricht wegen stark beengter Verhältnisse oder äußerer Gefahrenlage, „Home Office“ mit überlebensnotwendigen Zielsetzungen – alles schon mal da gewesen. Und immer wieder standen und stehen Lehrer und Schulleiter vor großen, kurzfristig zu bewältigenden Organisationsaufgaben. Allein dieser Aspekt schon macht die Lektüre von „Schulen in Gonzenheim“ lohnend. Das Kaiserin-Friedrich-Gymnasium (KFG), die Volksschule Gonzenheim, die Friedrich-Ebert-Schule und die Maria-Ward-Schule stehen im Mittelpunkt von fünf spannenden Aufsätzen.

Vom ersten Nachweis einer Lateinschule in Homburg im Jahr 1550 auf dem Gelände der heutigen Landgraf-Ludwig-Schule an der Rathausstraße, ihrer Entwicklung als städtischer und später privater Schule und ihren zahlreichen Umzügen innerhalb der Innenstadt schreibt der ehemalige Schulleiter des KFG, Oberstudiendirektor Gerfried Stein, aus geschichtlicher Sicht. Von Anfang an wurde von den Knaben ein „gesittetes Betragen“ verlangt, großer Fleiß und die Bereitschaft, Wissensstoff auswendig zu lernen. Beeindruckende Pädagogen kämpften als Schulleiter immer wieder für die altsprachliche humanistische Erziehung der Kinder, und das blieb auch so, als die Schule, seit 1865 wieder in städtischer Trägerschaft, zum Realprogymnasium mit obligatorischem Lateinunterricht umgewandelt wurde. Doch Latein durchgängig bis zur Abiturklasse – da wollten viele Eltern nicht mitmachen, und schon 1892 begann man wieder mit der Aufnahme „lateinloser Realschüler“ neben den Gymnasiasten. Seit Anfang seines Bestehens bis heute ringt das im Jahr 1900 von Kaiser Wilhelm II. so benannte „Kaiserin-Friedrich-Gymnasium“ immer wieder um die Gewichtung des Fächerkanons. Der Schulalltag während der NS-Zeit, der Umzug des KFG 1955 auf die Gonzenheimer Gemarkung Auf der Steinkaut, danach Aufnahme von Mädchen zuerst in die altsprachliche Oberstufe, die Schülerproteste der 68er-Generation, die beeindruckenden Aktivitäten von Schülerschaft und Lehrern in den folgenden Jahrzehnten, der Neubau von Schulgebäuden und schließlich die Erweiterung des Fremdsprachen-Angebots, Kurssystem und die Entwicklung des KFG zur MINT-Schule in jüngster Zeit: Autor Gerfried Stein, seit 1967 der Schule als Lehrer verbunden, erinnert an Ereignisse und Personen in Wort und Bild – und viele, die dieses Bad Homburger Gymnasium durchliefen, werden so mit ihm Rückschau halten.

Ein „Wandertisch“ für Schulmeister im 16. Jahrhundert, der „Schulscheit“ und die „Schulbretzel“ vor mehr als hundert Jahren, „Kartoffelkäfersammlung“ und „Kohleferien“ im Zweiten Weltkrieg: Stadtteil-Historiker Karin Henrich und Karl-Adolf Westerfeld erzählen kurzweilig von der Volksschule in Gonzenheim, die um 1557 erstmals erwähnt wird. Der Schulmeister damals „war noch gleichzeitig Glöckner, Küster und später auch Organist“ der protestantischen Ortsgemeinde. Die Schulstube an der Frankfurter Landstraße sei nur 1,63 Meter hoch gewesen, „ein Mann von mittlerer Größe konnte darin kaum aufrecht gehen“. Die Raumnot kaum zu glauben: 57 Schüler wurden auf knapp vier mal vier Metern im Jahr 1772 unterrichtet – bis sich der damalige Landgraf erweichen ließ und für die mittlerweile schulpflichtigen Jungen und Mädchen ein neues Gebäude in Auftrag gab. Das Curriculum, zu dem im 18. Jahrhundert allerdings noch der Gesang von Kirchenliedern, Sittenlehre und „das Nötige aus der Erdbeschreibung“ gehörten, hat sich seither für die Grundschüler im Wesentlichen erhalten: Lesen, Schreiben und Rechnen, Stilübungen in deutscher Sprache, Naturlehre und Religion wurden und werden auch heute noch an der Friedrich-Ebert-Schule unterrichtet.

Das Kapitel über die „FES“, die Gonzenheimer Grundschule Auf der Schanze, die 1951 eingeweiht wurde, schreibt Hobby-Historikerin Karin Henrich mit Blick in alte Dokumente und aus eigener Anschauung. Sie wurde mit 16 Mädchen und 15 Jungen im April 1951 in die neue Schule eingeschult. Das Gebäude, damals noch fast auf der grünen Wiese stehend, wurde bereits vier Jahre später wegen des Zuzugs vieler Familien aus ehemaligen deutschen Ostgebieten erweitert. Heute besuchen fast 400 Kinder in 16 Klassen die Friedrich-Ebert-Schule; Ganztagsbetreuung, pädagogische Nachmittagsangebote und eine Intensivklasse für Kinder mit wenig Deutschkenntnissen runden das Angebot ab.

Dass auf Gonzenheimer Gebiet auch die staatlich anerkannte, überkonfessionelle Maria-Ward-Schule, Realschule und berufliches Gymnasium für Mädchen mit christlichem Schwerpunkt, liegt, die 1896 als Haushalts- und Fortbildungsschule von Maria-Ward-Schwestern gegründet wurde, beschreiben Hiltrud und Ernst Wilhelm in einem Beitrag. Vom Hotel Dreikaiserhof bis zur modernen Schule – die Geschichte der Gebäude am Weinbergsweg ist ebenso spannend wie die Prägung der Schule durch die Ordensfrauen und die Entwicklung des Unterrichts-Angebots. Mit einem kurzen Kapitel über die Gründerin des Ordens der Englischen Fräulein, die englische Katholikin Maria Ward (1585-1645), gibt Nele Heinz einen grundlegenden Einblick in die bis heute weltweit tätige Ordensgemeinschaft.

Heinz Humpert, dem 2. Vorsitzenden des Geschichtlichen Arbeitskreises Gonzenheim, und den Autoren ist mit der neuen Publikation wieder ein Heft zur Geschichte des Stadtteils gelungen, das über seine Grenzen hinaus für alle Bad Homburger und ehemaligen Schüler der vier Schulen von großem Interesse sein dürfte. Die Sonderausstellung 2021 „Schulen in Gonzenheim“ im Heimatmuseum Am Kitzenhof 4 mit mehr als 350 Fotos und Bildern insgesamt ist bereits aufgebaut und kann, sobald es die Pandemie-Entwicklung erlaubt, sonntags von 15 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung besichtigt werden. Ihr erster Teil ist der Gonzenheimer Volksschule und der Friedrich-Ebert-Schule gewidmet, der zweite Teil nach den Sommerferien dem Kaiserin-Friedrich-Gymnasium und der Maria-Ward-Schule.

!„Schulen in Gonzenheim“, Heft 25 mit 106 Seiten, vom Geschichtlichen Arbeitskreis Gonzenheim herausgegeben, kann zum Preis von zehn Euro zur Zeit über Ernst Henrich (Telefon 06172-453036) oder Heinz Humpert (Telefon 06172-450134) bezogen werden. Bei Wiederöffnung des Heimatmuseums Am Kitzenhof 4 ist die Broschüre auch im Museum erhältlich.

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