„Die Akte Vivaldi“ oder Die Wiederkehr eines barocken Meisters

Bad Soden
(Sc) – Es war ein ganz besonderer musikalischer Genuss, in den die Besucherinnen und Besucher des Jubiläumskonzertes „Die Akte Vivaldi“ der Bad Sodener Musikstiftung Ende Oktober kamen.

Viele Musikkenner verbinden mit dem Namen des Barockkomponisten Antonio Vivaldi in erster Linie „Die vier Jahreszeiten“. Doch über und von dem gebürtigen Venezianer gibt es noch viel mehr Interessantes zu hören und zu erfahren.

Die letzten Jahre in Vivaldis Leben waren von Katastrophen geprägt. Trotzdem schreibt er noch eine allerletzte Oper – immer in der Hoffnung, damit finanziell überleben zu können. Hinter ihm liegt ein Leben voll enormer Schaffenskraft, präzise festgehalten in seinem handschriftlichen Notenschatz, seinem Vermächtnis an die Nachwelt. Zunächst verschollen, taucht dieses unter verwunderlichen Umständen gegen 1920 wieder in Piemont auf. Einem mit Weitblick und Geschäftssinn gesegneten Musikwissenschaftler ist es zu verdanken, dass man diesen Schatz heben konnte und wieder hören kann. Antonio Vivaldi (1678 - 1741) lebt heute, nach 200 Jahren Vergessenheit, wieder in unserer Musikwelt.

Musik und Geschichte(n)

Nicht nur die einzigartigen barocken Klangwelten machten das Konzert im Rosensaal zu einem besonderen Erlebnis – begleitend erfuhren die Gäste die bemerkenswerte Geschichte, die das Leben für Vivaldi schrieb. Uwe Zerner, Mitglied des Ensembles des Schauspiels Frankfurt, führte als Sprecher durch das Leben des einzigartigen Künstlers, beleuchtete Vivaldis Schaffen, seinen wirtschaftlichen Ruin, das Verschwinden seiner Werke und die besonderen Umstände, unter denen das Gesamtwerk erst nach mehr als 100 Jahren wieder in der Öffentlichkeit auftauchte.

Besondere Klangwelten

Heute, so erfuhren die Gäste an diesem Abend, ist es nicht ganz einfach, Vivaldis Werke zu interpretieren, denn dadurch, dass sie ein Jahrhundert lang nicht aufgeführt wurden, sind viele Besonderheiten der barocken Musikstücke „verloren“ gegangen oder müssen neu interpretiert werden. Auch waren die barocken Instrumente teilweise nicht nur andere als heute, sondern sie waren auch anders gestimmt, so dass sich Vivaldis Musikstücke heute anders anhören dürften, als dies im 19. Jahrhundert der Fall gewesen ist.

Die Instrumentalsolistinnen und -solisten des Barockorchesters der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Frankfurt unter der Leitung von Petra Müllejans spielten die barocken Musikstücke mit großer Liebe und viel Leidenschaft. „Ihr Zugang zur Musik des Barock und der Klassik ist geprägt von der immer neuen Suche nach der Rhetorik in der Musik“, beschreibt die Musikstiftung den Ansatz Müllejans, die Klänge des Barock immer neu zu ergründen und entsprechend ihres Ursprungs zu interpretieren.

Altus – die „barocke“ Stimme

Die spannende Geschichte über das Verschwinden und Wiederfinden von Vivaldis handschriftlichen Noten wurde darüber hinaus von einer ganz besonderen Stimme begleitet. Christian Rohrbach ist nicht nur Dirigent und Liedpianist, sondern verfügt auch über die Gabe, als Countertenor in einer ganz einzigartigen Stimmlage singen zu können. Mit Stücken wie „Nisi Dominus“ oder „Vedrò col mio sole“ aus der Oper ‚Il Giustino‘ widmete er sich Liedern, die nur sehr selten gespielt und gesungen werden, da sie eine Stimmlage erfordern, die früher ausschließlich den Kastraten vorbehalten war.

Den Gästen bescherte Rohrbach damit ein seltenes musikalisches Erlebnis, das sie mit feinen Kompositionen und filigranem Gesang mühelos in die glanzvollen Zeiten von Venedig im 18. Jh. zurückversetzte – ein musikalischer Genuss, der ganz sicher seinesgleichen sucht.

Musikalisches Kriminalstück

Die Idee, ‚Die Akte Vivaldi‘ als historisch-musikalischen Krimi auf die Bühne zu bringen, hatte die künstlerische Leiterin und Vorstandsmitglied der Bad Sodener Musikstiftung, Sabine Schaan, anlässlich der Planungen zu einem Jubiläumskonzert. Dr. Jürgen Frei, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Stiftung, dankte seiner Frau für diese wunderbare wie einzigartige Idee, die nun im Rahmen des Leuchtturmprojektes der Stiftung, den „Mendelssohn Tagen der Musik“, aufgeführt werden konnte.

Ohne die beständige Förderung der Taunus Sparkasse und die finanzielle wie auch organisatorische Unterstützung durch die Stadt Bad Soden, so Dr. Frei, seien diese wunderbaren musikalischen Erlebnisse nicht möglich – weshalb er dafür seinen Dank aussprach.

Altus Christian Rohrbach ließ eine barocke Stimmlage wieder aufleben.
Foto: Scholl



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