Bad Soden (Sc) – Die Stadt Bad Soden ist seit 2016 Fairtrade-Stadt und lebt diesen Titel mit regelmäßigem Engagement und für einen bewussten und nachhaltigen Konsum. Neben zahlreichen Aktionen, die sich im Allgemeinen mit dem Thema „Konsumgüter“ in Form von Lebensmitteln oder auch Bekleidung befassen, lud die Stadt in der vergangenen Woche zu einer Veranstaltung ein, die sich mit dem Thema „Faire Geldanlagen“ beschäftigte. Zu der Veranstaltung, die in der Messer-Lounge im alten Bahnhofsgebäude stattfand, waren sowohl Eve Seiltgens (Oikocredit Hessen-Pfalz) als auch Peter Krissel (Taunus Sparkasse Bad Soden) eingeladen.
Im Mittelpunkt des Abends stand die Frage, wie Vermögen sinnvoll und unter Nachhaltigkeitsaspekten angelegt werden kann, wobei der Begriff „nachhaltig“ als „im Einklang mit sozialen und ökologischen Werten“ definiert wurde. Die beiden Referenten beschäftigten sich in ihren Vorträgen mit durchaus unterschiedlichen Ansätzen zur Erreichung dieser Ziele – während es bei Eve Seiltgens und der von ihr vorgestellten Oikocredit um genossenschaftliche Beteiligungen ging, betrachtete Peter Krissel entsprechende Investitionen in z.B. Anlagefonds der Sparkassengruppe und natürlich in die Aktien- und Anleihemärkte.
Bewusster Konsum – auch in Geldanlagen
Die Veranstaltung wurde von Bürgermeister Dr. Frank Blasch eröffnet, der in seinen Eingangsworten darauf hinwies, dass sich die Stadt Bad Soden bereits seit längerem auf mehreren Ebenen mit der Frage des „bewussten“ Konsums auseinandersetzt. Die Stadt habe schon mehrere Initiativen unterstützt, nicht zuletzt engagiere man sich in der Fairtrade-Steuerungsgruppe des Main-Taunus-Kreises, in dessen Mittelpunkt der nachhaltige Handel mit Bekleidung steht. Geldanlagen und Zinsen, so Dr. Blasch, seien aber noch einmal ein ganz anderes Thema. Jeder müsse sich die Frage stellen: Was ist mir wichtiger – Rendite oder Nachhaltigkeit? Zwar schließt das eine das andere nicht aus, gemeinsam betrachtet muss man jedoch von einer eher verhaltenen Renditeerwartung ausgehen. Wer diese Entscheidung für sich trifft, kann auf ein durchaus breites Spektrum entsprechender Anlagemöglichkeiten zurückgreifen.
„In Menschen investieren“
… lautet das Motto von Oikocredit. Das in der Schweiz ansässige Unternehmen arbeitet auf genossenschaftlicher Basis und vergibt unter anderem Mikrokredite an Menschen in den Ländern des globalen Südens. Eve Seiltgens ist ehrenamtlicher Vorstand im Förderverein Oikocredit Hessen-Pfalz e.V. und unterstützt mit ihrer Arbeit die Ziele der Genossenschaft. Die Förderkreise sind – mit zahlreichen Kirchen – Träger von Oikocredit. Sie geben Anlegerinnen und Anlegern in ihrer Region eine Stimme in der Genossenschaft und engagieren sich mit entwicklungspolitischer Bildungsarbeit für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Das Unternehmen besteht seit 50 Jahren, wobei seit ca. fünf Jahren der Fokus auf dem Thema Nachhaltigkeit liegt.
Direktbeteiligung
Da es sich bei Oikos um eine Genossenschaft handelt, erfolgt eine Beteiligung über den Erwerb von Genossenschaftsanteilen in Höhe von mindestens 200 Euro. Der Vertrieb der Anteile erfolgt ausschließlich über das Onlineportal des Unternehmens. Mit den Geldern unterstützt Oikos Organisationen mit Darlehen, Kapitalbeteiligungen und nicht-finanzieller Hilfe (z.B. Beratung). Die Partnerorganisationen sind Finanzdienstleister, Genossenschaften oder auch Entwickler und Anbieter von Projekten für erneuerbare Energien. Diese Partnerorganisationen wiederum bieten wirtschaftlich benachteiligten Menschen Finanzdienstleistungen an (z.B. Mikrokredite).
Magisches Dreieck der Geldanlage
In Deutschland, so führte Seiltgens aus, verfügen Privathaushalte über relativ große Geldvermögen, womit das Potenzial zukünftiger Investoren bemerkenswert groß sei. Grundsätzlich gelte, dass Verfügbarkeit, Rendite und Sicherheit der Anlage („magisches Dreieck der Geldanlage“) im Fokus einer jeden Anlageentscheidung stehen. Heute allerdings stelle sich auch die Frage nach der Ethik und der sozialen Wirkung einer Geldanlage („magisches Viereck“). Die durch Oikos geförderten Unternehmen investieren u.a. in Mikrokredite für Kleinbauern oder Handwerker und in die Förderung für Anbieter von alternativen Energien. Die gewährten Kredite dienen als Starthilfe und verschaffen so zahlreichen wirtschaftlich benachteiligten Menschen eine Arbeit und damit eine wirtschaftliche Zukunft, die ihnen ohne das Darlehn verwehrt geblieben wäre.
Entwicklungsfinanzierung
Bei Oikos sind ca. 48.000 Investoren weltweit aktiv. Die Genossenschaft arbeitet mit 540 Partnerorganisationen in 53 Ländern zusammen. Mit ihrer Unterstützung wurden in den vergangenen 50 Jahren ca. 42 Millionen Menschen erreicht, die von der Entwicklungsfinanzierung profitieren konnten – zumeist in Lateinamerika, Indien und Afrika. Die geförderten Projekte müssen bestimmte Förderkriterien erfüllen und ihnen muss ein – oft einfaches – Konzept zugrunde liegen. Die Ausfallquoten sind relativ gering – Oikos rechnet mit einer Rendite von bis zu 2% für die Anleger.
Informationsdefizit?
Für Peter Krissel, Vermögensberater der Taunus Sparkasse Bad Soden, war der Besuch in der Messer-Lounge ein Heimspiel. Die Taunus Sparkasse, so führte er aus, sei lokal engagiert und für viele Kunden „ein sicherer Hafen für Geldanlagen“. In Anlagegesprächen werde eingangs auch immer die Frage nach dem „Nachhaltigkeitsaspekt“ bei der Geldanlage gestellt und es verwundere ihn nicht, dass mehr als 80% der Gefragten diesen Aspekt als „nicht relevant“ betrachteten. Dies, so führte er aus, sei jedoch nicht mit grundsätzlicher Ablehnung gleichzusetzen, sondern es fehle oft schlicht an Information zu dem Thema. Ein Gespräch bringe hier meist Aufklärung, müsse aber aktiv angeboten werden.
Aktien, Fonds und Anleihen
Nachhaltigkeit sei jedoch weniger ein Thema bei der Geldanlage in Fest- oder Termingelder, sondern eher beim Erwerb von Wertpapieren. Hier gelte es, zum Erwerb von spezialisierten Fonds (z.B. erneuerbare Energien) zu beraten. Gerade bei Fondsanlagen gebe es verschiedene Ansatzpunkte und ein breit gefächertes Angebot. Für die Sparkassen bewertet die DEKA ihre Fonds mit einem eigenen Nachhaltigkeitsfaktor, der die Auswahl für den Anleger transparenter gestalten soll.
Nachhaltige Anlageprodukte sind, so Krissel, nicht weniger ertragreich als andere – sehr viel entscheidender sei das persönliche Risikoprofil des Kunden. Hier entscheide sich, wie stark der Kunde in welcher Risikokategorie investiert sei. Aktien sind potenziell ertragreicher, aber auch mit sehr viel höheren Risiken verbunden, als z.B. Investitionen in Anleihen. Oft gebe es in den Produktkategorien jedoch bereits beide Varianten – nachhaltig und „nicht“ nachhaltig – so dass der Kunde frei entscheiden könne.
Die bewusste Entscheidung, die Anlagen in bestimmten Wertpapieren abzulehnen, weil der Wirtschaftszweck des Unternehmens als „unethisch“ empfunden werde, begegne den Beratern häufiger, so Krissel. So werden Investments der Anleger in Fonds oder Aktien von Unternehmen bewusst dann vermieden, wenn diese im Verdacht stehen, z.B. die Trinkwasserressourcen in Drittländern auszubeuten oder als Waffenproduzent bekannt seien.
Im Anschluss an die Vorträge gab es Gelegenheit, die unterschiedlichen Ansätze und verschiedenen Sichtweisen der Oikocredit und der Taunus Sparkasse mit den Referenten zu diskutieren und sich über die einzelnen Angebote zu informieren. Ein gelungenes Gesprächsformat, das ganz sicher eine neue Sicht auf das Thema „ faire Geldanlagen“ ermöglicht hat.