Spiel mir das Lied vom Leben – das Hoffnungsschimmerkonzert in St. Katharina

Bad Soden
(aks) – Bereits am Samstag warb Bundespräsident Steinmeier im Kloster Eberbach am Eröffnungsabend des Rheingau Musik Festivals für einen „Neustart der Kultur“, und schon am Sonntagabend war die Musik endlich auch in Bad Sodens prachtvoller St. Katharina-Kirche zurück.

Die Freude auf allen Seiten war groß: Neue Hoffnung auf Musik schimmerte im strahlenden Licht der bunten Kirchenfenster.

Beginn der Konzerte lange erwartet

Es herrschte Vorfreude, und so etwas wie Lampenfieber war spürbar bei den jungen Künstlern, aber auch beim Publikum, das dankbar und zahlreich der Einladung der Bad Sodener Musikstiftung gefolgt war, die sich seit 30 Jahren für Musik und Musiker einsetzt. Vor allem junge Menschen sollen spielerisch ans Singen und Musizieren herangeführt werden.

Jürgen Frei und seine Frau, die Sopranistin Sabine Schaan, die während der Corona-Pandemie nicht müde wurden, auf das Leid und die großen Existenzsorgen der Künstlerinnen und Künstler hinzuweisen und großzügige Spenden generierten, begrüßten herzlich die Zuschauer: „Die konzertlose, die zerbrechliche Zeit ist vorbei – wer weiß, hoffen wir’s“, so Frei.

Erfolgreicher Coronafonds

Dank des Coronafonds wurde das erste Konzert 2021 in Bad Soden möglich: das „erste Coronafonds-Konzert“– es folgen zwei weitere am 19. September und am 31. Oktober. Die Musiker hatten bereits an Weihnachten, quasi als Überlebenshilfe, einen Teil des Honorars erhalten. Der Eintritt an diesem Abend war frei, Spenden waren erwünscht, die Stiftung versprach, diese zu verdoppeln. „Lassen Sie es rascheln, nicht klingeln“, scherzte Frei.

Konzert der Nationen

Detlef Steffenhagen, der international bekannte und erfahrene Organist, der auch Filmmusik studiert hat, wie er selbst betonte, wusste gleich zu Beginn die majestätische Kirchen-Orgel mit einem Bolero in Szene zu setzen und alle auf ein Konzert einzustimmen, das vor allem der Lebensfreude gewidmet war. Die besondere Lebenslust Lateinamerikas mit rhythmischen Melodien, die zum Tanz auffordern, gespielt von Musikern aus Venezuela, Mexiko und Italien sowie einem Organisten, der zwölf Jahre in Brasilien gelebt hat, war ansteckend. Wer könnte den elektrisierenden Tangos von Piazzolla und Gardel widerstehen oder der traditionellen Folklore Mexikos und Venezuelas? Wer dem brasilianischen Karneval mit der Filmmusik von „Orfeu Negro“ auf der Orgel? Für dieses Konzert verbanden sich vier Musiker aus aller Herren Länder, die unterschiedliche Sprachen sprechen, wortlos zu einem mitreißenden musikalischen Dialog. Das Zusammenspiel der Instrumente war oft überraschend und immer virtuos. Beim „Libertango“ behauptete sich Solorzanos standhafte und ausdauernde Viola gegen die gewaltige Orgel, das war so überraschend wie verführerisch. Die Reise ging nicht nur durch die Kaffeehäuser und Bars von Buenos Aires und Barcelona, einmal quer durch die Nacht, sondern mit Bachs Toccata und einem mexikanischen Walzer auf der Harfe auch direkt in den Himmel. Wo ginge das besser als in einer Kirche? Auch das Lied des Trauerschwans, des „cysne negro“, mit seinem schmerzhaft schönen Totengesang, wurde meisterhaft gezupft von Ivan Gómez Cervantes an der Harfe.

Unbeschwerte Leichtigkeit

Der Inbegriff sakraler Musik, Johann Sebastian Bachs „Toccata“ mit donnernden Orgelklängen, fand dank Steffenhagens genialem Spiel auf wundersame Weise zu den spielerischen Sambaschritten, Ausdruck praller Lebenslust. Viele Füße tippelten im Takt unter den Holzbänken, und die unbeschwerte Leichtigkeit war ergreifend. Luca Giovannini, Schüler von Frans Helmerson an der Kronberg Academy, gelang mit der Suite für Cello solo von Gaspar Cassadó ein Tanz auf dem Cello, der alle Sinne in Aufruhr versetzte.

Sein Spiel ist feinsinnig und aufregend zugleich und findet seinen Weg zu den Herzen.

Klangreise mit Leidenschaft

Gott sei Dank! Da ist sie wieder, die Welt der schönen Klänge, die die Menschen bewegt und glücklich macht. Wie schmerzlich wurde sie vermisst, und so überwiegt die Dankbarkeit, den Künstlern und ihrer Musik wieder nah zu sein. Der Funke springt am Sonntagabend über: Wir dürfen wieder brennen! Dass das Gute manchmal so fern liegen kann, hat uns das Quartett mit der Folklore und Tanzweisen seiner Heimat an diesem tropisch anmutenden Sommerabend bewiesen. Das Hoffnungsschimmerkonzert wurde zu einer eineinhalbstündigen Klangreise con brio – mit dem Feuer der Leidenschaft. Endlich wieder Musik und endlich wieder hinaus in die Welt und zu den Menschen! Hoffen wir’s! Leicht im Herzen, aber ohne Leichtsinn.

Wer freie Künstler unterstützen will, bis der „Neustart“ greift, kann dies tun unter:

Bad Sodener Musikstiftung Jürgen Frei

Frankfurter Volksbank DE73 5019 0000 0001 101706

Das erste Konzert nach 15 langen Monaten mit Violonistin und Bratschistin Elena Solorzano, Cellist Luca Giovannini, Organist Detlef Steffenhagen und Harfenist Ivan Gómez Cervantes (von links)
Foto: Sura



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