Umstrittener Abriss des Bürgerhauses in Sulzbach: Jetzt haben die Bürger das letzte Wort

Sulzbach (wto) – In Sulzbach kommt es am 18. Februar 2024 zum „Showdown“. Es kommt zu einem Bürgerentscheid über eine Frage, die schon seit Langem die Gemüter in der Gemeinde am Taunus bewegt. Es geht um den Umgang mit dem Bürgerhaus im Herzen der Gemeinde – am Platz an der Linde 3. Die Sulzbacher Gemeindevertretung hatte in ihrer Sitzung vom 6. Juli dieses Jahres beschlossen, das Bürgerhaus abzureißen, an gleicher Stelle einen Neubau mit Seniorenwohnungen zu errichten, den Parkplatz hinter dem Haus zu überbauen und eine Tiefgarage einzurichten.

Das Vorhaben hat für Proteste in Sulzbach gesorgt, viele Menschen lehnen nicht nur den Inhalt, sondern auch die Form der Entscheidung ab. Die Sulzbacher Initiative „Bürger für das Bürgerhaus“ hat die mangelnde Bürgerbeteiligung deutlich kritisiert und sprach von einer „parlamentarischen Posse“, wie es sie in den letzten 50 Jahren in Sulzbach nicht mehr gegeben habe.

Gleich nach der Entscheidung der Gemeindevertretung kündigte die Initiative an, Unterschriften für den Erhalt des Bürgerhauses sammeln zu wollen und prophezeite: „Wir, die Bürger Sulzbachs, werden mit einem Bürgerentscheid das letzte Wort haben.“

Die erste Hürde genommen

Genau so wird es nun kommen. Denn die Initiative hat die erste große Hürde genommen: Das Bürgerbegehren war erfolgreich. „Wir haben vom 21. Juli bis zum 28. August insgesamt 968 Unterschriften für das Anliegen gesammelt, davon waren 933 gültig“, berichtet Hans Weihrauch, der Sprecher der Initiative, gegenüber der Bad Sodener Woche. Nötig gewesen wäre eine Zustimmung von 689 Sulzbacher Bürgerinnen und Bürger – zehn Prozent der Wahlberechtigten –, die das Begehren mit ihrer Unterschrift unterstützen.

Nach einer Prüfung durch den Hessischen Städte- und Gemeindebund und einer entsprechenden Empfehlung an die Gemeinde folgte ein Beschluss der Gemeindevertretung, dass der Entscheid durchgeführt wird. Der Gemeindevorstand, vertreten durch Bürgermeister Elmar Bociek, teilte daraufhin in der „Bekanntmachung Nr. 52/2023“ Mitte letzter Woche lapidar mit, dass am Sonntag, dem 18. Februar 2024 ein Bürgerentscheid durchgeführt wird „gemäß § 55 des Hessischen Kommunalwahlgesetzes“. Der Bürgerentscheid zielt darauf ab, so wird mitgeteilt, den Beschluss vom 6. Juli wieder aufzuheben.

Den Bürgerinnen und Bürgern wird am 18. Februar folgende Frage vorgelegt: „Sind Sie dafür, dass der Beschluss der Gemeindevertretung vom 6.7.2023, wonach das auf dem Grundstück am Platz an der Linde 3 befindliche Bürgerhaus abgerissen und durch einen Neubau mit Seniorenwohnungen, Gaststätte, Mehrzweckraum sowie Tiefgarage ersetzt werden soll, aufgehoben wird und stattdessen das dortige Bürgerhaus baulich saniert wird?“

Hohes Zustimmungsquorum nötig

Weihrauch ist sich bewusst, dass die größte Hürde noch genommen werden muss: die Wahlbeteiligung. „Wir müssen am 18. Februar mehr als 25 Prozent der wahlberechtigten Sulzbacher an die Urne bringen.“ Denn das Zustimmungsquorum liegt bei 25 Prozent, das heißt, nur wenn mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten abstimmen und die gestellte Frage mit Ja beantworten, ist der Beschluss gegen den Abriss und für die Sanierung gefasst.

Schon seit Jahren gibt es in Sulzbach Auseinandersetzungen um das Bürgerhaus. Zwischenzeitlich gab es Pläne, das im Besitz der Gemeinde befindliche Grundstück und Haus zu verkaufen – das wurde jedoch wieder zurückgenommen. Weihrauch ist froh, wenn am 18. Februar endlich ein Schlusspunkt gesetzt werden kann. Er ist davon überzeugt: „Das Gebäude, das auf den Grundmauern der alten Schule steht und 1977 eingeweiht wurde, ist von der Substanz her völlig in Ordnung. Da ist nichts marode.“ Der 75-Jährige weiß, wovon er spricht, war er doch in seinem Berufsleben als Städtebauarchitekt tätig. Dass bei einem fast 50 Jahre alten Gebäude erneuert und technisch aufgewertet werden müsse, etwa was den Brandschutz angeht, sei völlig normal.

Sanierungsbedürftig sei das Gebäude heute nur deshalb, weil es seit den 90er-Jahren versäumt worden sei, das Gebäude regelmäßig instandzusetzen. Man habe, mit Verweis auf das Bürgerzentrum Frankfurter Hof in Sulzbach, den Eindruck erweckt, die Räumlichkeiten des Bürgerhauses seien verzichtbar. In dieser Frage ist Weihrauch dezidiert anderer Meinung: „Wir brauchen das Gebäude.“

Im Erdgeschoss des Bürgerhauses befindet sich eine Gaststätte, im Obergeschoss ein großer Bürgersaal mit allen Nebenräumen und im Dachgeschoss drei Wohnungen sowie zwei Vereinsräume. „Sollte der alte Bürgersaal mit bis zu 240 Sitzplätzen sowie die Vereinsräume im Dachgeschoss wegfallen, können die darin befindlichen Aktivitäten nicht in das Bürgerzentrum Frankfurter Hof übernommen werden, da die Kapazitäten dort dann nicht mehr in ausreichender Größe vorhanden sind. , heißt es in der Begründun der Antragsteller des Bürgerentscheids. „Die Nutzung des Saales und der Vereinsräume im alten Bürgerhaus ist daher zu erhalten.“

„Rabiater Eingriff im Ortskern“

Weihrauch verweist zudem darauf, dass die Einwohnerzahl Sulzbachs bald die Grenze von 10.000 überschreiten werde, „da werden dann auch Räume für Vereine und Kursprogramme benötigt, die der Frankfurter Hof nicht bieten kann“. Was die geplanten Seniorenwohnungen angeht, so betont er: „Das klingt gut, es ist aber versäumt worden, den tatsächlichen Bedarf an solchen Wohnungen zu ermitteln.“ Zudem würden die Wohnungen aller Voraussicht nach hochpreisig ausfallen. Es gebe in Sulzbach andere Möglichkeiten, Seniorenwohnungen einzurichten, etwa in großen leerstehenden Bauernhäusern.

Die geplante Veränderung lehnt Weihrauch auch deshalb als „rabiat“ ab, weil es sich um den empfindlichen Ortskern von Sulzbach handelt, einem Ort mit inzwischen fast tausendjähriger Geschichte. „Das ist der Platz, auf dem die Gerichtslinde gestanden hat und heute immer noch ein Lindenbaum steht“, sagt er beim Ortstermin vor dem Bürgerhaus. Noch ein anderes Argument ist ihm wichtig: die Nachhaltigkeit. Denn: „Von der Öko-Bilanz her ist es viel besser zu sanieren, als neu zu bauen.“

In der Bekanntmachung der Gemeinde ist neben der Begründung der Antragsteller des Bürgerentscheids auch die Auffassung des Gemeindevorstandes und der Gemeindevertretung wiedergegeben. Darin wird auf den „Arbeitskreis Bürgerhaus“ verwiesen, bei dem je zwei Mitglieder der in der Gemeindevertretung versammelten Fraktionen mitgewirkt haben. Ziel des Arbeitskreises sei es gewesen, „eine Entscheidung zur Zukunft des Bürgerhauses vorzubereiten und einvernehmlich einen konkreten Beschlussvorschlag vorzulegen“. In der fünften Sitzung des Arbeitskreises am 28. März dieses Jahres sei die gemeinsame Position festgelegt worden: der Abbruch des Bürgerhauses sowie der Neubau mit den Nutzungen: „Seniorenwohnen und Pflegeangebote, Gaststätte mit Außenbereich auf dem Platz an der Linde, Mehrzweckraum zur Nutzung zum Beispiel für Vereine, Vorstandssitzungen, kleinere Veranstaltungen sowie Gastronomienutzung, Tiefgarage, auch mit öffentlichen Stellplätzen.“

Was zum Verdruss geführt hat

Ebenso sei vereinbart worden, die Bürgerinnen und Bürger in einer moderierten Veranstaltung schon vor den parlamentarischen Beratungen über das Ergebnis des Arbeitskreises zu informieren und sie an der Ausgestaltung eines Neubaus zu beteiligen.

Genau dies hält die Initiative aber für den neuralgischen Punkt: Sie wirft dem Gemeindevorstand vor, nicht ergebnisoffen agiert und informiert zu haben, sondern versucht zu haben, schon vor der Informationsveranstaltung vollendete Tatsachen zu schaffen. „Dies hat zu Verdruss bei den Bürgerinnen und Bürgern geführt, der sich jetzt auch darin zeigt, dass viele die Initiative unterstützten, die der Frage Abriss oder Erhalt des Bürgerhauses indifferent gegenüberstehen, sich aber an der mangelnden Bürgerbeteiligung stören“, erläutert Weihrauch.

„Dieses Haus muss erhalten bleiben“, sagt Hans Weihrauch (im Bild), der Sprecher der Initiative „Bürger für das Bürgerhaus“, beim Ortstermin im Herzen von Sulzbach, dem Platz an der Linde.Fotos: Tocha



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