Corona kann den Umbau nicht aufhalten

Von der Rumpelkammer zum schmucken Museumsbereich verwandeln wird sich das Dachgeschoss, worüber sich Museumsleiterin Dr. Erika Dittrich und Joachim Fuß freuen. Foto: fch

Friedrichsdorf (fch). Gedämpfte Geräusche aus dem Dachgeschoss unterbrechen die Stille im Philipp-Reis-Haus. Das Museum ist seit Mitte März für Besucher geschlossen. Seither haben die am Um- und Ausbau beteiligten Handwerker das 1790 erbaute Fachwerkhaus, das 1858 um einen Anbau erweitert wurde, fest im Griff.

Das Philipp-Reis-Haus befindet sich im Wandel. Trotz Corona wird dort emsig um- und angebaut. „Durch die Corona-Pandemie wurden die Gewerke entzerrt, wodurch sich die Fertigstellung und Eröffnung des Philipp-Reis-Hauses verschieben“, teilt Joachim Fuß mit. Der Mitarbeiter im Stadtplanungs-, Umwelt- und Hochbauamt ist im Sachgebiet Hochbau für städtische Gebäude zuständig. Er trifft sich regelmäßig auf der Baustelle mit Architekt Michael Ruhl, Thomas Scheuermann, der für die Innengestaltung zuständig ist, und „Hausherrin“ Dr. Erika Dittrich, die das Stadtarchiv und die städtischen Museen leitet.

„Bisher wurde nur der linke Flügel, das 50 Quadratmeter große Kernhaus, als Museum genutzt. Hinzu kommen im Anbau das Erdgeschoss, eine bisher rund 45 Quadratmeter große, leerstehende Wohnung im ersten Obergeschoss sowie das dortige Dachgeschoss. Dadurch und durch das neue Foyer, mit dem der linke und rechte Baukörper verbunden werden, wird die bisherige Ausstellungsfläche mehr als verdoppelt“, freut sich die Museumsleiterin. Das neue verglaste Foyer war ein bislang offener Durchgang von der Hugenottenstraße zur Philipp-Reis-Passage. Zum Hinterhof hin wird die Foyerfläche um etwa 20 Quadratmeter erweitert. Auf beiden Seiten des Foyers führen künftig ebenerdige Eingänge in die beiden Museumsbereiche, die vorhandenen Stufen wurden entfernt. „Der Zugang ins Museum und seine Räume werden mit Rampe und Aufzug in die oberen Etagen behindertengerecht“, informiert Joachim Fuß. Taktile Bereiche helfen bei der Inklusion von Sehbehinderten, und Texttafeln sollen die Teilhabe von Hörbehinderten ermöglichen.

Im Foyer befinden sich der Empfang, ein Wartebereich, die Garderobe, der Museumsshop „Reis Store“ und ein behindertengerechtes WC, wo sich zuvor ein Abstellraum befand. Vom Foyer aus sind Treppe und Aufzug bequem erreichbar. „Im Hofbereich werden Färberpflanzen wie Färberkrapp, Färberwaid und Färberwau, aber auch Ginster, Thymian und Maiglöckchen in Trögen angepflanzt“, stellt Dr. Dittrich in Aussicht.

Von Friedrich II. bis Philipp Reis

Sie freut sich vor allem darüber, dass durch die Erweiterung des Bestandsmuseums Besuchern künftig einen Rundgang durch die Ausstellungsräume ermöglicht wird. Im Erdgeschoss des linken Museumsflügels können Besucher auf den Spuren von Telefonerfinder Philipp Reis wandeln. Im ersten Stock befinden sich Exponate und Informationen zur Ansiedlung und Geschichte der Hugenotten in Friedrichsdorf durch Friedrich II. Neu sind Exponate der evangelischen, früher hugenottisch reformierten Kirche.

„Wir stellen künftig alle Themen und Firmen aus Friedrichsdorf und Umgebung sinnlicher mit Hilfe von Filmstationen und Hörspielen da“, sagt Dr. Dittrich. Zu den Neuerungen gehören im rechten Gebäudeteil, wo sich im Obergeschoss rechts das Büro der Museumsleiterin befindet, ein Hugenottensignet (Kreuz) als Puzzlespiel in Form einer Magnettafel. Links wird die Geschichte der Hugenotten mit einem Porträt von Friedrich II. ergänzt. Außerdem in diesem Bereich zu sehen sein werden in einer Vitrine Exponate wie die Hochzeitskrone, zum religiösen Leben und dem Kirchenbau der Hugenotten sowie ein Ölbild von Suzanne Garnier, die das Haus einst an Philipp Reis verkaufte. Auf zwei Monitoren wird es eine Videoeinspielung geben, die zwei Hugenotten im Gespräch zeigt. Kinder dürfen sich auf eine Verkleidungsstation mit Hube und Dreispitz freuen.

Zu sehen gibt es Informationen zu Stadtfesten und ein Modell der Hugenottenstraße. Ein Strumpfwirkstuhl ermöglichte die mechanisch feine Herstellung von Strümpfen, die zum Exportschlager wurden. In einem neuen Durchgang befindet sich ein Zimmer, in dem die Besucher Bekanntschaft mit der Friedrichsdorfer Schustertochter Marie Charlotte Blanc, die weltweit als Spielbankdirektorin „Madame Blanc“ bekannt war und dem gebürtigen Friedrichsdorfer Universalgelehrten Edouard Desor, machen können. „Desor hat Ölporträts und einen Teil seiner Bibliothek seiner Heimatstadt vermacht.“

In einem neuen Ausstellungsraum wird es eine Vitrine mit 45 unter-schiedlichen Zwiebackdosen, ergänzt durch Texte, Fotos und einem Film von Karl Beuß aus dem Jahr 1954 zur Zwiebackherstellung geben. Zu sehen gibt es Verpackungen aus Pergamine, von der Firma Bruder und Pauly, aus deren einem Familienzweig Milupa entstand. Der Herstellung von Haller Nudeln ist im Film von 1954 zu sehen wie auch Nudelpressen, Verpackungen, eine Stechuhr und ein Vertreterkoffer. Auf dem Gelände der Villa Haller steht heute der Mormonen-Tempel. Das Dachgeschoss wird ausgebaut und kann künftig für museumspädagogische Arbeit mit kleiner Küche mit Lager- und Vorbereitungsraum genutzt werden. Erhalten bleiben soll in einer Geheimkammer die Rosentapete aus den 1960er-Jahren. Hier wurden im Dachgebälk Haken entdeckt, der erhalten bleiben, die einst der Erbauer des Hauses, ein Flanellmacher, zum Trocknen seiner Stoffe anbrachte.

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