Farbentdeckung: Lehrling blau, Holz blau

Gästeführerin Katrin Halfmann präsentiert den Gästen der Ausstellung „Die bunte Welt der Hugenotten – Pflanzenfarben verwandeln Stoffe und Wolle“ verschiedene Farben, die bei den Hugenotten üblich waren. Foto: mas

Von Mike Alexander Siemens

Friedrichsdorf. Die Geschichte der Hugenotten lässt sich im Rathaus blicken: Im Foyer auf der ersten Etage erwarten die Besucher zahlreiche Schilder, Plakate und thematische Boxen, die den Einfluss der Hugenotten auf die Kultur und das Wirtschaftsleben veranschaulichen. Von Informationen über ihre Reise bis hin zu ihren süßen Backwaren spannt die Ausstellung einen weiten Bogen.

Die internationale Wanderausstellung „Wurzeln schlagen – Menschen und Pflanzen im Exil“ lädt dazu ein, die Spuren der Hugenotten nachzuverfolgen. Im Rahmen dieser Ausstellung bekamen die Gäste unter der Leitung der Gästeführerin Katrin Halfmann am Donnerstag, 24. Oktober, einen tiefen Einblick in die Färbungskunst der Hugenotten.

Das Programm „Die bunte Welt der Hugenotten – Pflanzenfarben verwandeln Stoffe und Wolle“ startete zunächst mit allgemeinen Informationen über die Hugenotten: So wurde etwa beschrieben, wie sie „sich teilweise aus der Schweiz aufgemacht“ haben und im 17. Jahrhundert nach Deutschland kamen. Die Gründe waren vielfach religiöser Natur, denn die Hugenotten verließen ihre Heimat, denn sie „waren Franzosen, die ihren Glauben in ihren Worten ausdrücken wollten“ und dafür verfolgt wurden. Dadurch entstand auch der rote Faden, welcher die Forschung hinter der Ausstellung leitet: „Was haben die denn mitgebracht, und was hat es verändert?“ Besonders in drei Bereichen stechen dabei die Hugenotten hervor: Gartenbau, Esskultur und Handwerkskunst.

Von der Handwerkskunst war die Färbereikunst eine der wertvollsten handwerklichen Traditionen, die die Hugenotten im 17. Jahrhundert nach Friedrichsdorf brachten. Ab etwa 1690 etablierte sich die Färberei als zentrales Handwerk in der Stadt. Die Hugenotten bedienten sich dabei natürlicher Färbemittel aus der Region, wie Ringelblumen und roten Zwiebeln, um natürliche Farbtöne zu erzeugen: „Wir sind immer in dem braunen oder gelblichen Speckrum.“ Diese pflanzlichen Ressourcen ermöglichten es den Färbern, natürliche Farben zu schaffen, die im Einklang mit ihrer Umgebung standen. Neben den regionalen Pflanzen eröffneten internationale Kontakte den Hugenotten – die sie noch aus ihrer Heimat oder der Wanderung kannten – Zugang zu exotischen Färbemitteln wie dem Rotholz aus Amerika. Eine humorvolle Anekdote aus dieser Zeit erzählt von der Herstellung blauer Farbtöne: Ein Lehrling musste eine Flasche Schnaps trinken und anschließend auf Blauholz pinkeln, um die gewünschte blaue Nuance zu erzielen.

Einfacher, aber effizienter Lebensstil

Das Leben der Hugenotten in Friedrichsdorf war geprägt von handwerklichem Fleiß, aber auch von alltäglichen Herausforderungen. Die meisten Hugenotten wohnten in kleinen Häusern, welche kaum größer als nötig waren, mit Raum für einen Bottich und ein Lager zur Aufbewahrung der Stoffe, die sie färbten und verarbeiteten. Diese schlichten Wohn- und Arbeitsräume zeugen von einem einfachen, aber effizienten Lebensstil, der auf die wesentlichen Bedürfnisse der Arbeit konzentriert war. Doch nicht nur räumliche Einschränkungen stellten die Hugenotten vor Herausforderungen. Da Friedrichsdorf damals ohne Stadtmauer auskommen musste, waren die Bewohner ständigen Gefahren durch Räuber ausgesetzt. Um ihre wertvollen Stoffe und Färbematerialien zu schützen, war es den Bürgern erlaubt, Waffen zu tragen – eine ungewöhnliche Erlaubnis, die sogar noch zu Zeiten von Telefonerfinder Philipp Reis galt.

Ein weiterer Einblick in die wirtschaftliche Struktur zeigt, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung im Färbereigewerbe tätig war, während die übrigen zwei Drittel sich anderen Gewerken widmeten. Diese Arbeitsteilung ermöglichte ein produktives Zusammenwirken und machte Friedrichsdorf zu einem Zentrum der Textilproduktion in der Region. Allerdings verlief das Zusammenleben mit den einheimischen Dillingern, Seulbergern und Holzhausenern nicht immer reibungslos. Besonders der Zugang der Hugenotten zu Holzwirtschaftsressourcen sorgte für Spannungen. Da sie anfangs für die Holzbeschaffung keine Abgaben leisten mussten, führte dies zu Konflikten mit den örtlichen Gemeinschaften. Trotz dieser Differenzen gelang es den Hugenotten, mit ihrem kulturellen Erbe und handwerklichem Können, gute Geschäftsbeziehungen aufzubauen und sich zu beweisen.

Auch heute noch erinnern viele Details an die Präsenz der Hugenotten. Die Hauptstraße des Ortes, einst „Rue principale“ genannt, ist heute als „Hugenottenstraße“ bekannt. Entlang dieser Straße standen einst über 40 Färberhäuschen, von denen etwa 20 bis heute erhalten geblieben sind. Diese historischen Bauten sind stille Zeugen des blühenden Handwerks. Im Ausklang der Ausstellung wird deutlich, dass das Erbe der Hugenotten in Friedrichsdorf weit über die historischen Gebäude und Straßen hinausreicht. Ihre Handwerkskunst, kulinarischen Einflüsse und die Erinnerung an ihre Kultur bereichern die Stadt noch immer. Die Geschichten und Traditionen der Hugenotten sind fest im kulturellen Gedächtnis verwurzelt und werden mit Ausstellungen wie dieser für künftige Generationen lebendig erhalten.

!Weitere Führungen zu den Ausstellungen der internationalen Wanderausstellung „Wurzeln schlagen – Menschen und Pflanzen im Exil“ sind am Donnerstag, 31. Oktober, mit „Muckefuck, Blumenkohl & Co. – Esskultur und Gartenbau der Hugenotten und Waldenser“ und am Donnerstag, 7. November, mit „So werden Stoffe bunt – die Färberei in Friedrichsdorf“ jeweils um 16.30 Uhr im Foyer im ersten Stock des Rathauses geplant. Die Teilnahme ist kostenfrei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die komplette Ausstellung ist bis zum 8. November zu sehen. Mehr Infos auch zu Sonderführungen für Gruppen gibt es per E-Mail an stadtverwaltung[at]friedrichsdorf[dot]de oder unter Telefon 06172-7311296.



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