Vom Traditionslokal zum Wohnkomplex

So sieht es schon lange dort nicht mehr aus, wo früher das Gasthaus „Zum Löwen“ Friedrichsdorfer Geschichte schrieb. Dieses Foto ist kurz vor dem Abriss 1967 aufgenommen.Foto: Stadtarchiv

Friedrichsdorf (fch). Städte verändern sich stetig, unterliegen einem permanenten Wandel. Alte Häuser und sogar ganze Stadtteile verschwinden, Firmengelände werden neu genutzt, machen Neubauten Platz. Lag jahrzehntelang das Wohnen im Grünen im Trend, ist heute für viele Wohnen im Zentrum wieder attraktiv. Nicht immer werden Altbauten saniert, sondern oft durch Neubauten ersetzt.

Nicht jede Veränderung bedeutet eine Verbesserung. Ein Teil der Stadtgeschichte Friedrichsdorfs und Informationen, die mit bestimmten Orten verknüpft sind, drohen in Vergessenheit zu geraten. So wie das Gasthaus „Zum Löwen“, das auf eine wechselvolle Geschichte erst in der Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße und später in der Taunusstraße, der früheren Hugenottenstraße 72, zurückblickt. Stadtarchivarin Dr. Erika Dittrich erinnert sich an die Besitzer der Grundstücke und die Nutzungen.

„Als erster Besitzer des Grundstücks wird 1702 der Gerber Pierre Vallais genannt. Ab 1706 verliert sich seine Spur“, informiert Dittrich. Es folgen als Besitzer 1735 Louis Moutoux und ab 1746 Jean Louis Chérigaut, der als erster seiner Familie eine Deutsche heiratete. 1751 wird das Grundstück geteilt, in die späteren Haus-Nummern 53 und 55. Letzteres geht als Mitgift an den Schwiegersohn und Tischlermeister Jean André Huitneuf anlässlich seiner Heirat mit Marie Elisabeth Chérigaut. Die andere Seite behält Jean Chérigaut. Der Zuschnitt der beiden Grundstücke wird 1797 noch einmal verändert. André Huitneuf bleibt auf der linken Hälfte. Ein weiterer Schwiegersohn, der Lehrer Jean Foucar erhält die rechte Hälfte (Nummer 53). „Jean Foucar war von 1790 bis 1799 Amtsschreiber und Schulleiter. Er schrieb die ersten historischen Texte für Friedrichsdorf“, berichtet Dittrich.

Mit dem Gastwirt Jean Pierre Garnier, der vermutlich ab 1814 Grundstückseigentümer ist, beginnt die Geschichte des Gasthauses „Zum Löwen“. Die Stadtarchivarin sagt: „Im 1825 bis 1827 aufgestellten Gemarkungsatlas wird ein zweistöckiges Haus mit Hofplatz, Scheuer, Stallung, einem Nebenhaus, zwei weiteren Ställen, einem Schweinestall, einem Brauhaus, einer Kegelbahn und einem Garten aufgeführt.“ 1827 wird der Gastwirt Wilhelm Islaub, ein gebürtiger Seulberger, Eigentümer. Er preist sein Gasthaus „Zum Löwen“ als Ziel für „Ausflüge und Kutschfahrten“ an. Im Garten lädt ein Pavillon zum Verweilen ein.

Schweinebraten nach dem Brand

Vollständig abgebrannt ist das Anwesen 1885. „Es gibt einen Bericht, die Löschenden hätten dann ein verbranntes Schwein verspeist, das köstlichste, was sie je gegessen hätten“, berichtet die Stadtarchivarin. Der Wiederaufbau beginnt noch im gleichen Jahr. „Das neue am 4. August 1886 bezogene Anwesen besteht aus einem zweistöckigen Wohnhaus mit Kniestock, Hofplatz, Garten, unterkellertem Tanzsaal, Waschküche, Schweinestall, Scheune, Stallung sowie Getränke- und Eiskeller.“ 1892 übernimmt Ferdinand Islaub den Betrieb. „Um 1900 kauften Gastwirt Wilhelm Voigt (1877-1959) und seine begüterte Ehefrau das Gasthaus „Zum Löwen“. Dort sollen laut Aussagen von alten Friedrichsdorfern im Zweiten Weltkrieg Zwangsarbeiter von der dortigen Küche aus verköstigt worden sein. Der Tanzsaal des „Löwen“ war zugleich das Kino der Stadt. Stummfilme begleiteten die beiden Voigt-Töchter am Klavier. Am 11. August 1947 erhielt Pächter Michael Feldmaier die Genehmigung für die Einrichtung eines Kinos samt Einbau eines Bildwerferraumes, womit der Tanzsaal offiziell in ein Kino umgewandelt wurde. Betrieben wurde es von etwa 1948 bis 1965 von Familie Klohocker. Wilhelm Voigt verpachtete 1954 den Gaststättenbetrieb an die sudetendeutsche Familie Schiebel. Das Gasthaus wurde Vereinsgaststätte des neu gegründeten FSV Friedrichsdorf. Die Erben von Wilhelm Voigt verkauften das Anwesen 1966 an die „Frankfurter Volksbank“. Die neuen Eigentümer ließen 1967 alle Gebäude an der Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße abreißen, um Platz für einen 1968/70 erstellten Neubau zu schaffen. Der ehemalige Gaststättenpächter Walter Schiebel erwarb das Wohnhaus der Familie Boutemy in der Taunusstraße 1. Nach Ausbau und Erweiterung entstand dort eine neue Gaststätte mit Hotelbetrieb, die der Sohn Udo Schiebel unter dem Namen „Zum Löwen“ führte. Große Bilder im Gastraum erinnerten an den „alten Löwen“. Das Haus in der Taunusstrasse 1 wurde 1976 um einen Anbau mit Zimmern für die Gaststätte und drei Komfort-Gästezimmer erweitert. Ab 1993 führte Udo Schiebel den Familienbetrieb. Er wurde nach aufwendigen Renovierungsarbeiten von 1999 bis Ende 2005 verpachtet. Anfang 2006 führte Udo Schiebel Hotel und Restaurant bis zum 31.August 2017 weiter. Damit endet die Geschichte des Gasthauses „Zum Löwen“.

Neuer Besitzer des Areals ist die Nubis GmbH in Bad Homburg. Sie ließ bis auf drei Wände die Gebäude abreißen. Derzeit wird ein barrierefreies sechs Familienhaus mit vier 3-Zimmmer-Wohnungen, je einer 2-Zimmer-Wohnung und einem Studio errichtet. Zur Ausstattung gehören unter anderem Fußbodenheizung, Parkett, elektrische Rollläden, Pkw- und Fahrradabstellplätze mit Elektroanschluss wie Frank Gehrsitz vom Büro Oberursel der Postbank Immobilien GmbH informiert. Von den sechs Wohnungen sind noch drei verfügbar.

Weitere Artikelbilder



X