Ausstellung zeigt, wie schön Einkaufen bei Tante Emma war

Gute Beratung und Zeit für den Kunden hat in Tante Emmas Laden Chef Alexander Weisgerber für Kundin Brigitte Arnold. Fotos: fch

Friedrichsdorf (fch). Unverpackt-Läden liegen im Trend. Nichts Neues, sondern ein seit Jahrhunderten bewährtes Verkaufsmodell. Für unsere Vorfahren gehörte der verpackungs-freie, meist sogar fußläufige Einkauf in Bäckereien, Metzgereien, Milchküchen, Kolonialwarenläden, Schusterläden und Drogerien zum Alltag. Die familiengeführten, genannten Einzelhandelsgeschäfte, gab es in jedem Dorf. Auch in Seulberg bildeten sie mit Schmieden, Schreinereien und anderen Gewerken das Rückgrat des ortsansässigen Handels.

Das Team vom Heimatmuseum Seulberg nimmt seine Besucher seit Sonntag in der Ausstellung „Mit Tante Emma in den Supermarkt“ mit auf eine sinnliche Zeitreise. Präsentiert wird nicht nur die Entwicklung vom Kolonialwarenladen hin zum modernen Selbstbedienungsmarkt, sondern auch die Geschichte der ortsansässigen Gewerke und Läden sowie deren Bedeutung für Seulberg. Ermöglicht wurde diese Ausstellung durch den Einsatz von drei engagierten Bürgern. Ihnen dankten bei der Eröffnung Bürgermeister Horst Burghardt und Museumsdirektorin Dr. Erika Dittrich. Die Heimatforscher Eugen Privat, Ingeborg Desor und Waltraud Rohde unterstützen das Museumsteam und seine ehrenamtlichen Helfer aktiv bei der Sammlung von Fotos, Exponaten und Informationen.

Seulberg hat soviel zu bieten

Den Anstoß für Recherche und Sammlungen gab dem Trio vor fünf Jahren ein Gespräch zwischen zwei Heimatmuseumsbesuchern. Diese unterhielten sich angeregt über die in der Ausstellung gezeigten Gewerke und fragten sich, ob es in Seulberg nicht viel mehr als das Gezeigte gegeben habe. Auch Leihgebern wie dem Hessischen Rundfunk, dem Freilichtmuseum Hessenpark, Familie Hellmann oder dem Seulberger Micky Waue vom Auktionshaus in Friedrichsdorf, der Fotos, Kassen und Metallschilder beisteuerte, sowie weiteren Sellwicher Familien gebührt Dank.

Damit im Museum ein echter Tante-Emma-Laden zum Einkaufen öffnen konnte, legten Bernd Föller und Frank Böttcher Hand an. Das Duo zimmerte den schmucken Verkaufstresen samt Regalen fachmännisch zusammen. Die Ausstellungsvitrinen bestückten und dekorierten Ute Desch, Marielouise Pauly und Brigitte Arnold.

In einem kurzweiligen Filmbeitrag über Kolonialwarenläden informiert Reiner Harscher die Besucher. Sein Vater hatte in unmittelbarer Nähe zum heutigen Heimatmuseum in Seulberg eine Bäckerei. Dank der Einzelhandelsläden und des Gewerbes waren die Sellwicher in ihrem Dorf autark. Sie kauften mit Korb oder Einkaufsnetz klimaneutral auf Schusters Rappen in den acht Sellwicher Lebensmittelgeschäften, beim Schreiner, Schuster und Schmied alles für den täglichen Bedarf und darüber hinaus Benötigte ein. Fahrende Händler oder Läden in unmittelbarer Nähe wie Sengeisen in Köppern, wo es Kurzwaren, Wolle und Strümpfe gab, deckten alles Weitere ab. Wie die Museumsmitarbeiter Alexander Weisgerber und Janine Weigel informieren, gab es in Sellwich folgende Kolonialwarenläden: Marx (1830 – 1960), Kiese (1892 – 1935), Theiss (1900 – 1983), See (1900 – 1970), Mathes (1918 – 1961 und im Neubau bis 1975), Niger (1930 – 1968), Volz (1930 – 1973), Lenhardt (1930 – 1971) und Brill (1950 – 1980). Hinzu kamen Bäckereien wie die von R. und F. Landvogt, die Metzgerei Etzrodt (1927 – 1978) oder die Milchküche der Familie Kitz.

Düfte wie das 1921 kreierte Tosca Parfüm im tropfenförmigen Flakon mit Edelsteinschliff oder das bereits seit 1799 beliebte Kölnisch Wasser „4711“, diverse Duftseifen, Kosmetika und Zubehör sind als Klassiker des Drogerieangebotes ebenfalls in einer Vitrine zu bewundern. Alle Besucher, die etwas über die Entwicklung der Einzelhandelsgeschäfte vom Kolonialwarenladen über Selbstbedienungs-markt bis hin zu Lebensmittelriesen und Markendiscounter wissen möchten, sind im zweiten Stock des Museums richtig. Dort ist auf einer großen Schautafel zusammengefasst, wie in nur 25 Jahren aus der kleinen Gemischtwarenhandlung der Familie Leibrand in Ernsthausen, erst HL Markt und dann der zweitgrößte Lebensmittelhändler Deutschlands (REWE) werden konnte.

!Ergänzt wird die informative und kurzweilige Ausstellung durch ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm mit ortsansässigen Bäckern, Metzgern und Schustern sowie Sulinchens Kinderaktionen (Infos im Internet unter www.heimatmuseum-seulberg.de). Die Ausstellung ist bis zum 24. Mai im Heimatmuseum Seulberg, Alt Seulberg 46 mittwochs und donnerstags von 9 bis 12.30 Uhr, sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet.

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