Glashütten (hhf) – „Das ist schmerzlich für Archäologen“, bekannte Dr. Carsten Amrhein, seines Zeichens Direktor der Saalburg, als er in der ersten Gesprächsrunde des Abends über den Limes als Weltkulturerbe berichtete. Der Schmerz bezog sich dabei auf die Erkenntnis, dass Archäologen bei ihrer Ausgrabungsarbeit immer auch etwas zerstören und die logische Folge daraus, dass sie eben nicht überall „buddeln“ dürfen. Gerade das In-Ruhe-lassen gehört heute zu den wichtigen Methoden, um historisch bedeutsames Welt-Kultur-Erbe auch für künftige Generationen zu bewahren, die vielleicht mit feineren Methoden mehr Forschungsergebnisse erzielen können.
Umgekehrt nutzt ein solches Erbe auch wenig, wenn es unbekannt in der Erde schlummert, also kommt es auf die richtige Mischung von Bewahrung und Bewerbung an, um überhaupt erst das Bewusstsein in der Bevölkerung für die überkommenen Werte zu schaffen. Genau diese Mischung hat die Gemeinde Glashütten mit Wanderweg und „Limes-Portal“ geradezu vorbildlich umgesetzt, weshalb nun die vor zehn Jahren erfolgte Erhebung des römischen Limes zum Welt-Kultur-Erbe den willkommenen Anlass bildete, um sich mit einem Aktionswochenende einmal der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.
„Glashütten hat was – die Mitbürger wissen das“, aber es sei Aufgabe der Bürgermeisterin, „damit zu prahlen“, um die Vorzüge der Gemeinde auch über deren Grenzen hinaus bekannt zu machen, erklärte Rathauschefin Brigitte Bannenberg ihr Anliegen. Da diese Vorzüge aber sicher nicht ohne ein reichhaltiges Engagement der Bürger zu schaffen oder zu erhalten sind, begann das Wochenende mit einem Festabend, zu dem alle langjährigen Helfer eingeladen waren, nachdem zuvor die Möglichkeit bestanden hatte, sich auf einer Limes-Wanderung über die Gegebenheiten zu informieren.
Das Festprogramm im Bürgerhaus eröffnete Hornist Hagen Pätzold, den man wohl besser als „Cornist“ bezeichnen sollte, denn er spielt auf dem Nachbau eines römischen Cornu antike Weisen und tritt dabei selbstverständlich in korrekter Rüstung eines damaligen Militärtrompeters auf. Über diese ebenso zerstörungsfreie wie eindrucksvolle Vermittlung römischer Kultur zeigte sich die erste Gesprächsrunde des Abends unisono erbaut, in deren Verlauf der Saalburg-Direktor nicht nur eine Einführung in die Ausmaße des obergermanisch-rätischen Limesabschnitts gab, sondern auch eindringlich für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Welterbe warb: „Stellen Sie sich ein Gartenmäuerchen vor, dass sie nicht pflegen – es wird in wenigen Jahren zerstört sein.“
Genau mit dieser Problematik kennt sich der Kulturkreis Glashütten mittlerweile besser aus, als seinen Mitgliedern vielleicht lieb ist. „Wir wollten damals einfach nur mehr wissen“ erinnerte sich die ehemalige Kulturkreis-Vorsitzende Ingrid Berg an die Zeit vor rund 15 Jahren, als der rührige Verein sich daran machte, durchaus „risikofreudig“ jene Wald-Glashütten zu suchen, die der Gemeinde den Namen gaben. Mittlerweile hat diese Arbeit zum Beispiel mit den „Glas-Symposien“ zu recht ansehnlichen Ergebnissen geführt, allerdings steigt nach der Phase der Ausgrabungen nun der Anteil an Einsätzen zur Erhaltung der Fundamente im Wald. An den Limes selbst haben sich die Heimatkundler übrigens nicht herangewagt, aufgrund der Nähe aber durchaus Einfluss auf die Römer-Forschung genommen, zum Beispiel durch die Erkenntnis, dass die Glasfunde eben nicht aus römischer Produktion stammen.
Egal, ob Glas oder Grenze, im Bereich von Glashütten gelinge es in besonderer Weise, Geschichte und Landschaft zu verbinden, pflichtete auch Gregor Maier als Leiter des Kultur-Dezernats des Hochtaunuskreises bei und brachte den Begriff der „Königsstrecke“ in die Diskussion ein: Wegen der Lage im Mittelgebirge ist der Limes im Taunus besonders gut erhalten, während er zum Beispiel in der fruchtbaren Wetterau nach Jahrhunderten des Pflügens oft nicht mehr zu erkennen ist. Angesichts dieser besonderen Verantwortung hat der Hochtaunuskreis extra eine gemeinnützige GmbH gegründet, um das Weltkulturerbe zu pflegen sowie gleichermaßen Bewahrung und Vermittlung zu unterstützen.
Die Vermittlung der Geschichte der Glashütten nehmen die aktiven Bürger der Gemeinde dagegen eher selbst in die Hand, was nun das Flaschenbläser-Quintett mit einer originellen musikalischen Einlage demonstrierte, die ein wenig an Drehorgel-Klänge erinnerte. Auch hier wurde ein konkreter historischer Bezug hergestellt, denn eine der Glashütten geriet zeitweise in solche Armut, dass der Einkauf von Rohmaterial nicht mehr möglich war und die Produktion zwangsweise mit „Leergut“ aufrecht gehalten werden musste.
Aus dem Vollen schöpfte dagegen Dr. Shyamal Majumdar sein Lob für das Engagement der Glashüttener für ihren Teil des Weltkulturerbes, denn seiner Meinung nach können solch bedeutsame Denkmäler nur entsprechend gepflegt werden, wenn deren Anwohner sie auch als Teil ihrer eigenen Identität ansehen. Als Vorsitzender der UNEVOC, einer Abteilung der UNESCO, deren Schwerpunkt in der Förderung beruflicher Ausbildung zur Verbesserung des Lebensstandards liegt, fand der Inder aber auch seinen Gefallen an dem handwerklichen Aspekt der historischen Glasproduktion.
In der von Günther M. Szogs moderierten zweiten (englischen) Gesprächsrunde trat ihm Professor Michael Spencer zur Seite, der alte Technik besonders im Bezug auf Geigen liebt und dies auch mit kleinem Orchester auf der Bühne zu Gehör brachte. Ebenfalls nicht geräuschlos präsentierten drei Studentinnen der Glasfachschule Vilshofen Kleidung aus Glas und schlugen damit den Bogen zum künstlerischen Aspekt, wie Dozent Andreas Hart ausführte. Besonders lag der Studiengruppe dabei die Ambivalenz von Glas als antikem Werkstoff und modernem Hightech-Produkt am Herzen, weshalb die Kleidung auf einem gläsernen Laufsteg präsentiert wurde.
Die Verbindung von Glashütten nach Vilshofen ist zwar auch über den Verlauf der B8 gegeben, kam aber über Ines Nickchen zustande, die sich als Glashüttener Künstlerin eingehend mit dem Material Glas beschäftigt hat. Aus dieser Verbindung ist schließlich auch die Gestaltung des „waldGlaswegs“ entstanden, der in seiner künstlerischen Ausgestaltung sicher mehr ist, als ein einfacher Lehrpfad.
Aber auch in Zukunft scheint die künstlerische Kreativität wenig erschöpft, so kann sich Ines Nickchen durchaus einen Limesturm aus Glas in Originalgröße vorstellen. Aktuell aber mussten sich die Gäste mit selbstgebrautem Bier und lokalen Spezialitäten vor dem Bürgerhaus zufrieden geben – und der Aussicht auf weitere Erlebnisse in den nächsten beiden Tagen: „Ich bin immer unterwegs und möchte jeden von Ihnen dort am Wochenende sehen“, beschloss Bürgermeisterin Brigitte Bannenberg den Abend mit klaren Worten.
Auf der Festveranstaltung in Glashütten gab es zwar auch genug zu trinken, die Flaschenbatterie auf der Bühne allerdings diente der musikalischen Unterhaltung, deren Repertoire damit um das Genre „Glasbläser“ eindrucksvoll erweitert worden ist. Der Klang des Ensembles erinnerte ein wenig an eine Drehorgel.
Foto: Friedel