Nach 44 Jahren: Linda Godry gibt alle politischen und Ehren-Ämter auf

Glashütten
(gs) – Es war ein Paukenschlag, der in dieser Form und Deutlichkeit nicht erwartet worden war: Linda Godry, langjährige Vorsitzende der Gemeindevertretung in Glashütten, legte am Abend des 24. Juni nicht nur ihre politischen, sondern auch fast alle Ehrenämter nieder.

Vorausgegangen war dieser Entscheidung eine Sitzung der Gemeindevertreter in Glashütten. Neben vielen anderen wichtigen Themen stand an diesem Abend auch der Antrag der SPD-Fraktion zur Abstimmung, die Zahl der Beigeordneten auf neun zu erhöhen, was in der Gemeindevertretung mehrheitlich abgelehnt wurde.

Ablehnung SPD-Antrag

Begründet wurde der Antrag von der SPD mit dem Umstand, dass es in den letzten Jahren üblich gewesen sei, dass alle in die Gemeindevertretung gewählten Parteien auch im Gemeindevorstand vertreten gewesen seien. Aufgrund des Ergebnisses der Kommunalwahl vom 14.3.2021 hätte dies rechnerisch für die SPD einen Sitz im Gemeindevorstand bedeutet. Weil CDU, WGS und FWG einen gemeinsamen Wahlvorschlag einreichten und damit die Mehrheitsklausel nach§ 22Abs.4 des Hessischen Kommunalwahlgesetzes (KWG) zur Anwendung kam, fiel der letzte Sitz jedoch an die FWG. Damit entstand die Situation, dass eine Fraktion mit drei Sitzen in der Gemeindevertretung aktuell zwei Sitze im Gemeindevorstand einnehmen kann, die SPD mit zwei Sitzen in der Gemeindevertretung hingegen keinen – aus Sicht der SPD unter demokratischen Gesichtspunkten mehr als unbefriedigend, da nun 10% der Wählerstimmen im Gemeindevorstand unrepräsentiert bleiben würden. Wäre die Anzahl der Beigeordneten auf neun erhöht worden, hätte der zusätzliche Sitz der SPD zugestanden. Nach mehreren Wortmeldungen, die unter anderem die Umsetzung des Wählervotums zum Inhalt hatten, lehnte die Gemeindevertretung den Antrag der SPD am vergangenen Donnerstag jedoch ab, so dass es bei der Anzahl von acht Beigeordneten blieb – ohne Vertretung der SPD.

Ungerecht behandelt?

Die SPD habe, so Godry in ihrer Presseerklärung, ein ausführliches Wahlprogramm und sehr engagierte, qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten, wie zum Beispiel den Ortsvereinsvorsitzenden Marco Abbé, der über fundiertes Expertenwissen im Bau- sowie Verwaltungsrecht verfüge, was ihrer Meinung nach in der Gemeindevertretung fehle. Aus diesem Grund trete Linda Godry zurück und mache den Weg für Marco Abbé frei.

Gerne habe Godry über mehr als 44 Jahre hinweg den Bürgerinnen und Bürgern ihres Heimatortes Schloßborn geholfen und Vereine durch ihre Mitarbeit unterstützt. Sie sei immer aktiv gewesen, einerlei, wo sie gebraucht worden sei. Linda Godry dankte allen, die ihr freundschaftlich verbunden sind, sowie den Wählerinnen und Wählern für die sie in und mit der SPD weiterhin ihr Bestes geben werde.

Engagement nicht geschätzt

Allerdings sei ihr etwas anderes klar geworden: Viele, zu viele schätzen dieses Engagement nicht. Die Mehrheit in der Gemeindevertretung verweigere ihr gar einen Sitz im Gemeindevorstand. Die Entscheidung, eine Fraktion aus dem Gemeindevorstand auszuschließen, sei einmalig in Glashütten – nun werde die SPD zum ersten Mal seit Jahrzehnten keinen Sitz im Gemeindevorstand haben. Obwohl Bürgermeister Thomas Ciesielski versprochen habe, der Bürgermeister aller Bürger werden zu wollen, seien jetzt 10 % der Bürgerstimmen im Gemeindevorstand nicht mehr repräsentiert. In vielen Kommunen (z.B.: Königstein und Usingen) sei die Zahl der GVo-Mitglieder angepasst worden. Linda Godry vermutet, dass die getroffene Entscheidung an ihrer Person liege. „Ich unterstelle, mehrere erstmals Gewählte im GVo befürchten, dass ich mit meiner 44 jährigen Erfahrung deren Fehler aufdecken würde. Dabei bin ich immer fair und teamfähig im Umgang mit anderen. Bei so wenig Wertschätzung meiner Person ziehe ich daraus die Konsequenz, die meisten meiner Aktivitäten einzustellen (bis auf Förderverein der Städtepartnerschaft und Funktionen in der Gewerkschaft)“, so Godry..

Ihr Rückzug aus den Vereinen betreffe den Heimatverein, dort stehe sie bei der nächsten Jahreshauptversammlung als 1. Vorsitzende nicht mehr zur Verfügung und werde dort auch nicht mehr aktiv sein. Im Karnevalsverein und bei den Kerbeveranstaltungen – mit eigenem Umzug und Stand – werde sie ebenfalls nicht mehr tätig sein. „Das ist Geschichte - ich konzentriere mich zukünftig auf mein Privatleben“, merkte Godry an. Das Ehrenamt als Versichertenberaterin der Deutschen Rentenversicherung gebe sie zum 1. Juli 2021 ebenfalls auf.

Nun sieht die Gemeinde Glashütten, nach 44 Jahren ehrenamtlichem und politischem Engagement von Linda Godry, einer Zukunft ohne sie entgegen. Bürgermeister Thomas Ciesielski äußerte sich verwundert über den Rückzug von Linda Godry, zumal dieser fast alle ihre Ämter umfasse. „Ich habe im Anschluss an die Sitzung der Gemeindevertretung mit Linda Godry persönlich gesprochen“, teilte Ciesielski mit. „Sie teilte mir ihren Entschluss bereits am Abend mit, woraufhin ich sie eindringlich bat, diese Entscheidung noch einmal zu „überschlafen“ und etwas Abstand zu gewinnen.“ Glashütten habe eine engagierte Lokalpolitikerin verloren, deren Entscheidung menschlich sicher nachvollziehbar sei, eine sachliche Begründung für ihren Rückzug gebe es jedoch nicht. Die Abstimmung in der Gemeindevertretung sei demokratisch und korrekt abgelaufen, so dass die Entscheidung nicht angreifbar sei, so Ciesielski.



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