Glashütten (as) – Die Glashüttener verstehen es wirklich, Kerb zu feiern. Seit mehr als 300 Jahren ist das Kirchweihfest am Pfingstwochenende in den Chroniken bezeugt. Eine Tradition, die auf gewisse Weise auch verpflichtet. In diesem Jahr hatte der stark gewachsene Kerbeverein Glashütten, dessen Mitgliederzahl sich der Marke 150 nähert, bei der zweiten Auflage nach Wiederaufnahme der Kerb nach der langen Corona-Pause, „auf‘s Ganze gegangen“, wie sich Mitglied Kevin Jäckel ausdrückt, um den Kerbefreunden und der gesamten Gemeinde etwas zu bieten. Julian Eichhorn, Sprecher des Vereins, hatte schon vorab ein Programm angekündigt, „das sich gewaschen hat“.
Wobei diese Aussage zum Glück sinnbildlich blieb, denn anders als vor einem Jahr meinte es Petrus doch einigermaßen gut mit dem Kirchweihfest hoch oben auf dem oft doch etwas zugigen „Berg“ bzw. der Kleinfeldsportanlage des SC Glashütten. Kinderkarussell, Schießstand, eine Hüpfburg und ein im Vergleich zum Vorjahr richtig großes Festzelt – alles war angerichtet für das verlängerte Kerbewochenende.
Aus zwei Tagen wurden in diesem Jahr drei: Los ging es schon am Freitagabend mit einer Mallorca-Party, bei der Daniel Fischer von Hit Radio FFH auflegte und dabei auch so einige „unchristliche“ Lieder zum Mitsingen dabei hatte. Um die 400 vorwiegend junge Leute sorgten im neuen, wesentlich größeren Festzelt für eine Superstimmung. „Wir waren ausverkauft. Es war richtig gut, phänomenal“, berichtete Julian Eichhorn und erntete damit auch am Tag darauf viel Kopfnicken. Vier Security Mitarbeiter sorgten dafür, dass es friedlich blieb, auch die genehmigte Sperrstunde 2 Uhr wurde eingehalten.
Am Samstag ging es mit dem klassischen Programm weiter, wobei „klassisch“ auch die Rückkehr der Kerbeborsch und Kerbemädels beinhaltete. Die hatten im vergangenen Jahr beim Comeback noch gefehlt. Acht junge Männer und Frauen hatten in der Zwischenzeit Lunte gerochen, angeführt wurden sie von Schlagges Vincent Säuberlich, der erzählt: „Ich bin über Lina Eichhorn reingerutscht und habe dann auch einige Freunde gefragt.“ So ist eine sehr junge Truppe zwischen 16 und 18 Jahren zusammengekommen, die nicht nur gerne Stimmung macht, sondern auch Lust auf die Kerbetradition hat. Zu der auch der Äbbelwoi gehört, nicht unbedingt das Lieblingsgetränk der jungen Generation. „Er schmeckt uns allen, die Mädels trinken ihn vielleicht lieber süß gespritzt“, sagt der Schlagges. Aber das war vor 30 Jahren auch schon so.
Erste Aufgabe der Jung-Kerbeborsch und -mädels war es am Samstagmittag, den Schlagges am noch liegenden Kerbebaum zu befestigen. Die Puppe auf dem Baum ist Pflicht, sobald es aktive Kerbeborsch im Ort gibt. Motto: Schlagges am Boden, Schlagges auf dem Baum. Früher war es noch eine beliebte Sportart, den Schlagges des Nachbarn vom Baum zu klauen, die Schloßborner sollen sich dabei besonders aktiv gezeigt haben. Um den gestohlenen Schlagges wieder auslösen zu können, musste der „gegnerischen“ Kerbegesellschaft ein Abend lang Freibier bzw. Freiäppler spendiert werden. Eine „Baumwache“ gibt es noch immer, aber eher aus traditionellen Gründen, denn ein Schlagges wird heute nur noch selten erbeutet. Aber man weiß ja nie ...
Die 22 bis 23 Meter lange Fichte kam wieder aus dem Hobholz in Oberems, und wie seit Jahrzehnten hat sie Anton Keller auf der Deichsel seines Traktors und einigen Helfern aus dem Wald geholt. Ein schöner Baum, zwar nicht mehr ganz gesund und somit zur Fällung freigegeben, aber mit einer vollen, wunderbar geschmückten Krone. Und nochmal mussten die Kerbeborsch richtig anpacken, als es darum ging, den Baum anzuheben und um 90 Grad zu drehen , um ihn parallel zur Bodenhülse zu platzieren.
Historische Bodenhülse freigelegt
Diese ominöse betonierte Hülse war ein großes Gesprächsthema an diesem Samstagmittag. Sie stammt aus dem Jahr 1976, die Zahl war in einen der Abdecksteine geritzt worden. Doch sie konnte nur bis 1980 genutzt werden, dann machte der unmittelbar angrenzende Anbau an die Turnhalle das Aufstellen eines Kerbebaums mit der damals zur Verfügung stehenden Technik unmöglich, und die Kerb zog 1981 zum Bürgerhaus um. Als sich die Älteren bei der Rückkehr an den früheren Standort an die mittlerweile überwucherte Hülse erinnerten und diese freilegten, mussten sie feststellen, dass mittlerweile eine Wasserleitung auf halber Tiefe „durchgeschossen“ worden war. Diese wurde dann um die Hülse herum neu verlegt und der Kerbebaum 2024 stand wieder an dem Platz, an den er gehört. Bis es in diesem Jahr dazu kommen konnte, musste aber erst das in den Vortagen in üppiger Menge gefallene Regenwasser mit Eimern aus dem Schacht geschöpft werden. Dann konnte Stephan Reuter von Holzbau Reuter aus Wüstems seinen Ladekran in Position fahren, um die Fichte von der Waagerechten in die Senkrechte zu hieven.
Doch auch das war kein einfaches Unterfangen für den Kollegen von Tobias Eichhorn, den Vorsitzenden des Kerbevereins. In einer Höhe von 20 Metern spiele der Wind in der Baumkrone eine große Rolle, so Reuter, was das exakte Platzieren in der Hülse nicht leicht mache. Zudem kam er mehrfach an den Endabschalter, das Piepen signalisierte, dass die Teleskoparme des Krans bis zum Maximum ausgefahren waren. Aber mit zwei, drei Mal Ansetzen stand der Baum dann senkrecht, wurde noch so gedreht, dass der Schlagges in Richtung Kerbezelt schaut und konnte in der Hülse verkeilt werden. Applaus bei den rund 100 Schaulustigen brandete auf.
Die Stärkung am äußert üppigen und leckeren Kuchenbuffet hatten sich alle Helfer jedenfalls verdient. Am Abend ging es dann mit dem Kerbetanz, einer weiteren neuen Herausforderung für die Kerbeborsch, weiter. Äbbelwoi-Johnny und dessen Band „Äppel-Quetscher“ sorgten für beste Stimmung und das Zelt wurde wieder voll. Am Sonntag dann der Tradition letzter, aber eben auch wichtigster Teil: der Kerbegottesdienst mit anschließendem Frühschoppen im Festzelt. Wenn die Kirche bei der Kerb mitspielt so wie in Glashütten, was nicht in jedem Ort der Region der Fall ist, dann ist es um die Kerb wirklich gut bestellt. Welche Steigerung kann es da im nächsten Jahr überhaupt noch geben? Hier lassen sich die Macher des Kerbeverins noch nicht in die Karten schauen, aber dass sie wieder für eine Überraschung sorgen werden, ist so gut wie sicher ....