Glashütten (kw) – „Das eben ist der Liebe Zaubermacht, dass sie veredelt, was ihr Hauch berührt. Der Sonne ähnlich, deren goldener Strahl Gewitterwolken selbst in Gold verwandelt.“ Dieses Zitat von Johann Wolfgang von Goethe stellten die Geigerin Sophie Müller und die Pianistin Cornelia Neuwirth ihrem Kammerkonzert, zu dem der Kulturkreis Glashütten ins Bürgerhaus eingeladen hatte, voran. Sophie Müller erklärt dazu: „Was Goethe in seinem Zitat beschreibt, fanden wir im Moment zwischen dem dritten und dem vierten Satz der Franck-Sonate vertont. Diese bildete den Ursprung unseres Programms, alle weiteren Stücke haben wir darum herum gruppiert.“ Also die Zaubermacht der Liebe als Band, das die Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Olivier Messiaen und César Frank zusammenhält – ob dieses Bild wohl passt?
Ganz sicher: Ja! Zu Beginn Mozarts Sonate in G-Dur KV 301, die erste von sechs zumeist zweisätzigen Violinsonaten, die das junge Genie 1779 der pfälzischen Kurfürstin Elisabeth Auguste widmete und die darum heute auch als „Kurfürstin-Sonaten“ bezeichnet werden. Mozart hatte den Jahreswechsel in Begleitung seiner Mutter 1777/78 in Mannheim verbracht und scheint sich in der pfälzischen Residenzstadt besonders wohl gefühlt zu haben – sicher auch, weil er auf dieser Reise endlich einmal der sonst umfassenden Kontrolle des Vaters entzogen war. Und er konnte dort das damals beste Orchester Europas hören, die berühmte Mannheimer Hofkapelle. Mit einigen ihrer Mitglieder schloss er Freundschaft, wie etwa mit dem Soloflötisten Jean-Baptiste Wendling (dem er die G-Dur-Sonate ursprünglich zugedacht hatte) und seiner Frau Dorothea, der Primadonna der Hofoper. Aber eine Mannheimer Musikerin zog Mozart damals ganz besonders an: die erst sechzehnjährige Aloysia Weber mit ihrem glockenreinen Sopran und ihrer beachtlichen Ausstrahlung. Sie wurde seine erste große Liebe – Jahre, bevor er Aloysias Schwester Constanze zur Frau nehmen sollte. Und der Goldglanz dieser Liebe (siehe Goethe) fiel wohl auch auf die Musik, die der junge Mann in Mannheim komponierte, und der wurde nun von den beiden Künstlerinnen in den Saal des von der Abendsonne beschienenen Bürgerhauses getragen – einfach schön!
Auch das zweite Werk Mozarts, seine Sonate in e-Moll KV 304, zählt zu den Kurfürstin-Sonaten. Er komponierte sie vielleicht schon in Paris, wo seine Mutter auf just dieser Reise sterben sollte. Sie ist eines seiner wenigen in einer Molltonart geschriebenen Stücke, ebenfalls in zwei Sätzen melancholisch beginnend und dramatisch-frühromantisch endend, von den beiden Musikerinnen als Brücke zum romantischen Hauptwerk des Abends nach der Pause sehr geschmackvoll gestaltet.
Die beiden Sonaten bildeten den Rahmen für „Thème et variations“ für Violine und Klavier, das Olivier Messiaen 1932 als Hochzeitsgeschenk für seine Frau Claire Delbos schrieb und im selben Jahr mit ihr gemeinsam zur Uraufführung brachte. Auch hier dürfte also Liebe im Spiel gewesen sein. Obwohl das Stück neben seinem „Quatuor pour la fin du temps“ zu seinen populäreren Kompositionen zählt, ist es bei uns eher selten zu hören. Umso lobens- und bewundernswerter, wie das Duo dieses für unsere an das klassisch-romantische Repertoire gewöhnte Ohren vielleicht etwas sperrige Werk präsentierten, nämlich duftig-impressionistisch und so, dass das Publikum seine Schönheit erkennen und schätzen konnte.
Die A-dur Violinsonate von César Franck zählt fraglos zu den feinsten und anspruchsvollsten ihrer Gattung. Auch sie war ursprünglich ein Hochzeitsgeschenk, das Franck 1886 im Alter von 63 Jahren für den damals erst 28-jährigen belgischen Violinisten und Komponisten Eugène Ysaÿe und seine Braut Louise Bourdeau de Courtrai schrieb. Der Komponist konnte selbst bei der Hochzeit nicht dabei sein und ließ die Noten durch einen Freund überreichen, dessen Schwägerin Marie-Léontine Bordes-Pène die Sonate nach einer sicher äußerst flüchtigen Probe zusammen mit Ysaÿe den Hochzeitsgästen präsentierte. Man mag sich nicht vorstellen, wie das wohl geklungen haben mag, ist doch der Klavierpart besonders im letzten Satz äußerst anspruchsvoll. Und dann hatte auch die eigentliche Uraufführung im Dezember 1886 mit ungewöhnlichen Hindernissen zu kämpfen: Sie fand in einem Kunstmuseum in Brüssel statt, dessen Leitung kein künstliches Licht erlaubte. So mussten Ysaÿe und seine Begleiterin die drei letzten Sätze im Dunkeln und auswendig spielen, was den Erfolg womöglich noch steigerte und ins Legendäre trieb. César Franck starb schon vier Jahre später, Eugène Ysaÿe aber spielte die Sonate in seiner über 40-jährigen Weltkarriere immer wieder und machte sie und ihren Komponisten damit berühmt.
Sophie Müller und Cornelia Neuwirth arbeiteten die dramatisch-romantischen Höhepunkte wie auch die harmonischen Feinheiten und die Zartheit im dritten Satz wunderbar heraus und wurden mit anhaltendem, herzlichem Applaus und auch einigen Bravos belohnt. Mit einer Bearbeitung des „Ave Maria“ von Gabriel Fauré bedankten sie sich und entließen ihr Publikum, das wieder einmal herausragende Kammermusik in Glashütten erleben durfte und hoffentlich fleißig im Freundes- und Bekanntenkreis für diese Konzerte wirbt.