Mehrling

Wenn der ganze Sommer so bleibt, wie dieser Anfang des Kelkheimer Kultursommers im Rettershof mit Katharine Mehrling, dann kann es nur ein Super-Kultursommer werden. Stehender Beifall für die in Berlin lebende und im osthessischen Ostheim geborene Künstlerin, die sich gleich zu Beginn erst einmal die Duzfreundschaft mit Bürgermeister Albrecht Kündiger („Ich darf doch Harald zu Dir sagen“) sicherte.

Doch vorher gab es eine Lektion für die Ehrengäste in der ersten Reihe, wie zum Beispiel der Bürgermeister: Zuweilen besser außerhalb der Reichweite der Künstler sitzen, dann wird man auch nicht angesprochen.

Sperlinge schilpten in der Rettershoflinde, über dem Hof schwirrten die Schwalben und Mauersegler, in den Ställen wieherten Pferde: Kein Wunder, dass der Gast aus Berlin schon immer mal Ferien auf einem Ponyhof machen wollte. „Das ist herrlich hier.“

Mit dem Bürgermeister tauschte sie auf der Bühne einen Wangenkuss aus; denn der brachte ihr das Glas Rotwein, dass Anwohner für die Künstlerin gespendet hatten. Denn Katharine Mehrling hatte einfach nur mal so darauf hingewiesen, dass sie gern Rotwein trinkt, und dies, nachdem sie ein Glas mit einer (wahrscheinlich anderen) roten Flüssigkeit an diesem Supersommerabend geleert hatte, und auch noch ein Glas Wasser.

Wolfgang Zengerling, der sich als gelernter Kavalier auch auf den Weg gemacht hatte, die Künstlerin mit Rotem zu laben, krankte am langen Anmarschweg für seinen Rotwein. Die Anwohner waren schneller.

Für das Publikum ein Abend, an dem kein Cent für die Eintrittskarte verschenkt war. Auf der Bühne eine Künstlerin, die ihrem Berliner Ruf als Theaterstar alle Ehre machte, die Lieder aneinander knüpfte, die sich unnachahmlich über die heutige digitale Welt lustig machte (Welch Gedächtnisleistung, diesen blühenden Unsinn aneinander zu reihen und zu behalten). Dann der Reigen der Lieder von Edith Piaf und Charles Aznavour und anderen und schließlich die Künstlerin barfuß selbst am Klavier als Abschied von den stehend Beifall klatschenden Besuchern.

Sollte sie noch einmal Urlaub auf dem Ponyhof Rettershof machen – sie wird mit Sicherheit gern gesehen sein, zumal sie jetzt viele kennen, die den Namen Katharine Mehrling noch nie gehört hatten.

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