Mehrere Male ein Sehr gut im Gesellenbrief – für Kelkheimer Schreiner an sich nichts Ungewöhnliches. Doch hier ist die Rede vom Gesellenbrief und dem Gesellenstück einer Frau, der ersten Schreiner-Gesellin im Main-Taunus-Kreis aus dem Jahr 1960. Heute selbstverständlich, dass auch Mädchen eine Lehre im Schreinerhandwerk anfangen können. Dass Karin Schade eine Schreiner-Lehre begann, war in den Fünfziger Jahren so außergewöhnlich, dass sich Schreinermeister Kurt Müller noch lebhaft an die junge Frau erinnert, die es nach dem Abitur 1958 nicht nur bei einer Schreinerlehre beließ, sondern ein Studium der Kulturwissenschaften begann, sich als Bauzeichnerin in Hamburg ausbilden ließ und später sogar noch das Diplom eines Bauingenieurs erwarb. Ihr Gesellenstück, ein „Schreib- und Zeichentisch in Esche gehört jetzt zum Kelkheimer Museum ist „Möbel des Jahr 2015“.
Kurt Müller und Sigrun Horn berichteten über dieses Gesellenstück, das so etwas wie eine Odyssee hinter sich hatte, bevor es nun im Kelkheimer Museum einen Platz fand. Sogar in einem Container fristete das Gesellenstück Jahre ein Dasein, wurde durch Wasser beschädigt und wurde jetzt dank großzügiger Sponsoren und durch den Einsatz der Mitglieder des Kelkheimer Museums restauriert. Daran maßgeblich beteiligt war auch Sigrun Horn (Holunderhof) die zusammen mit Kurt Müller das Gesellenstück vorstellte.
Begeistert war die Schreinermeisterin, die ja bekanntlich seit langem weibliche Auszubildende im Betrieb hat, von der Strukturierung der Holzmaserung auf den Vorderseiten der Schubladen sowie dem Lack auf der Schreibplatte. Sie bezeichnete den Schreibtisch als sehr gut ausgedacht und praktisch. Der Tisch war teilbar und konnte so auch besser transportiert werden. Sogar die Griffe waren selbstgemacht (beifälliges Nicken von Kurt Müller).
Konzeption und Verarbeitung des Möbel seien, so heißt es in einem Text des Museums, den Prinzipien des Bauhauses gefolgt. Klare Funktionalität und Formensprache mit der Betonung auf gute Verarbeitung und Qualität.
Kurt Müller steuerte die Geschichte vom Furnier des Schreibtisches und einiges andere bei. Sein Vater Adam Müller habe damals gesagt, eine der besten Entscheidungen, Karin Schade als Lehrling (so nannte man diese Auszubildenden damals), einzustellen.
Er berichtete auch, wie man damals in Oestrich in einem Weingut an einen Nussbaum kam, den nach Kelkheim schaffte – wobei wohl viel Wein geflossen sein muss – der dann in der Firma Dichmann zum edlen Furnier verarbeitet wurde.
Wie Kurt Müller unterstrich: Das war wertvolles Material, das nicht jede Firma einem Auszubildenden zur Verfügung stellen kann.
Rüdiger Kraatz, der Vorsitzende des Museums-Vereins ließ auch die Geschichte lebendig werden, wie der Schreibtisch den Weg zurück nach Kelkheim fand. Er befand sich zunächst im Nachlass von Karin Schade, dann im Nachlass von Verwandten, bis dann ein Anruf aus Bad Soden kam, ob denn das Museum an diesem Stück interessiert sei.
Kein Wunder, dass man Feuer und Flamme war. Und es bedurfte auch noch so mancher Anstrengung, bis der Tisch in Kelkheim landete – aber wegen eines Wasserschadens fast vollständig restauriert werden musste. Das war, wie gesagt nur durch die Großzügigkeit von Sponsoren möglich.
Das Foto zeigt Karin Schade, ein Bild, das wohl in Hamburg entstand. Das zweite Bild: Kurt Müller und Sigrun Horn am Möbel des Jahres 2015 im Gespräch.