„Eine bessere Schule für‘s Leben gibt es nicht“ Hessens beste Schülerfirma kommt aus Kelkheim

„Nun drücken wir UP³ die Daumen für den Bundeswettbewerb!“ Mit diesen Worten beendete Matthias Rust, Geschäftsführer von Schulwirtschaft Hessen, die Preisverleihung für den Landeswettbewerb um die beste Schülerfirma Hessens. Das Unternehmen UP³ der Eichendorffschule setzte sich nach monatelanger Vorbereitung gegen starke Konkurrenz durch und wird nun Hessen als beste Schülerfirma im Bundeswettbewerb am 15. Juni vertreten. Die 18 Schüler überzeugten in den Bereichen Geschäftsidee und -bericht, Jury-Interview und Videopräsentation und wiesen ein stimmiges Gesamtkonzept vor.

Mit ihrer Geschäftsidee, aus alten Kennzeichen neue Dosen, Schlüsselanhänger und Lampen herzustellen, starteten sie schon vor Weihnachten 2020 mit dem Verkauf und trafen sofort auf großes Interesse. Besonders der Aspekt der Nachhaltigkeit überzeugte die Juroren.

Hier nun ein Bericht aus der Vorbereitungszeit: „Anders als bei Hauptversammlungen in anderen Zeiten müssen Sie für Getränke und Verpflegung leider selber sorgen ...“, lautete ein Satz in der Einladung zur digitalen Hauptversammlung der Eichendorff-Schülerfirma UP3.. Also ab zum Kühlschrank, um besser geölt mit der neuen Technik klar zu kommen. Und weiter in der Ankündigung: „Wir berichten über das Geschäftsjahr und die Situation unseres Unternehmens und geben einen Ausblick in die Zukunft.“ Und das hat die junge Truppe, die unter anderem den Bundestagsabgeordneten Norbert Altenkamp und den ehemaligen Stadtverordneten-Vorsteher Wolf-Dieter Hasler zu ihren treuen und langjährigen Aktionären zählt, getan.

Seit neun Monaten führen 18 Elftklässler mit ihrem Schulpaten Roland Struwe das junge Unternehmen UP³ innerhalb des Junior-Projekts des Instituts der deutschen Wirtschaft. So arbeiten sie seit Schuljahresbeginn an der Umsetzung ihrer Idee: Aus benutzten Kennzeichen (Used Plates) stellt das Start-Up neue, nützliche und schicke Alltagsartikel her (Upcycling).

Die Idee dabei: Nicht nur ästhetisch schöne Schmuckstücke aus altem verbeultem Blech zu schaffen, um auch so die Umwelt zu entlasten – es hängen so viele Kennzeichen in den Garagen herum oder auch in Partykellern, Andenken vielleicht an das erste Auto, schöne Erinnerungen an vergangenen Jahre. So kam nicht nur die Idee, viereckige oder runde Behälter für den Hausgebrauch zu schaffen, sondern auch Schreibtischlampen, so dass der Besitzer selbst bei der lästigen Schreibtischarbeit an längst Vergangenes – hoffentlich nur Schönes – erinnert wird. Wolf-Dieter Hasler ist nicht nur Aktionär, sondern auch Besitzer einer Schreibtischlampe mit nostalgischem Kennzeichen. So weit so gut. Aber die Idee musste erst einmal umgesetzt werden. Und darüber berichteten die Schüler ausgiebig in ihrer online-Pressekonferenz. Na ja, mit der Buchhaltung könnte man ja klarkommen, schließlich gibt es ja in den meisten Familien Taschengeld, mit dem man haushalten muss. Doch auch hier galt es zu lernen: Wie hoch könnte die Entlohnung der Belegschaft werden, wenn man in die Produktion geht? Und welche Überraschung: Es gibt ja auch noch andere Kosten, sei es Papier, sei es Farbe. Das muss alles verbucht werden, wie es sich in einer anständigen Firma gehört. Mit dem Rechner, dem iPad, dem Laptop kann heute jeder Schüler umgehen. Doch wie biegt man rostige Kennzeichen so hin, dass attraktive Stücke daraus werden? Immer wieder gab es neue Tricks, immer wieder fiel dem einen oder anderen etwas ein, was besser zu machen war, wie auch die Marketing-Abteilung voll ins Geschäft einstieg und für den Vertrieb der Ware auf dem Kelkheimer Marktplatz mit Erfolg sorgte. Dazu waren auch Designfragen mit einem Mal wichtig. Ein Behälter für Kräuter in der Küche? Viereckig oder rund? Besser rund, vor allem für die Stifte auf dem Schreibtisch.

Selbst das Thema Sicherheit tauchte auf. Denn auch der Umgang mit Werkzeugen ist nicht jedem Schüler mit auf den normalen Lebensweg gegeben, es sei denn, er hilft unter Vaters Anleitung mal im Haushalt aus.

Doch was ist mit dem Geld, das in die Kasse gespült wurde oder wird? Muss man es anlegen, kann man die Aktionäre auf diesem Wege mit einer satten Dividende glücklich machen? Alles Dinge, die auch den Managern der Firmen in der großen weiten Welt begegnen. Themen also, mit deren Hilfe das junge Team für später lernen kann. Und das ist auch der Sinn der Geschichte. Nach dem guten alten Motto der Lateiner: Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir. Also jetzt eine moderne Form des Unterrichts.

Die Arbeit begann im Dezember, immer unter der Belastung der „Corona-Freuden“. Ausgaben ja, viele. Aber kaum Einnahmen. Die jungen Leute dachten auch an diejenigen, denen es nicht so gut geht. Also wurde kalkuliert, dass die normalen Gefäße so um die neun Euro kosten müssen. Davon werden jedoch fünfzig Cent für die Kinderunfallhilfe abgezweigt.

„Wir haben viel Neues gelernt, haben auch außerhalb der Schulzeit arbeiten müssen, aber es hat viel Spaß gemacht und wir haben uns immer wieder überlegt: Was können wir besser machen?“.

Neunzig Prozent der Produktion wird in Kelkheim abgesetzt, das eine oder andere auch im Kreis, zumal die Kennzeichen ja meist das „MTK“ enthalten. Was die Jugend liefert ist keine Fließbandarbeit, es sind Einzelstücke, die auf den Markt kommen. Da sind dann auch mal vier Personen mit einem Werkstück beschäftigt. Und das ist auch insofern nicht einfach, als die Corona-Restriktionen das Arbeiten nicht leichter machen, auch weil man sich in Zeiten des Lockdowns nicht bei Meetings zusammenschließen kann. Da musste Vieles „online“ funktionieren. Die einsichtsvolle Bemerkung: Wenn sich alle an die Regeln halten, ist auch Corona zu überwinden.

Bundestagsabgeordneter Norbert Altenkamp, gelernter Volkswirt, der immer wieder dabei ist: „Ich bin jedes Mal überrascht von dem, was hier geschaffen wird, und dass hier immer Neues auf den Markt kommt. Eine bessere Schule für‘s Leben kann man sich gar nicht vorstellen.“ Und Wolf-Dieter Hasler, dem eine Lampe mit eigenem Nostalgie-Kennzeichen die notwendige Erleuchtung am Schreibtisch bringt: „Eine fantastische Idee. Ich bin begeistert. Hut ab.“ Genauso äußerte sich Stadtverordneten-Vorsteherin Julia Ostrowicki. Und sozial untermalte sie ihre Bemerkung: „Bei dem Stundenlohn musste man wirklich Spaß an der Sache haben.“ Als Hintergrund: Der Stundenlohn war bei der Kalkulation auf eben die 35 Cent festgelegt. Da hat dann auch das Finanzamt kaum noch Freude an der Sache - hoffentlich.

Eine Stimme aus der Produktion: „Es geht uns hier nicht ums Geld, wir wollen Erfahrungen sammeln.“

Nun das Schlusswort von Roland Struwe: „Mir blutete das Herz, als der aktive Landeswettbewerb in diesem Jahr ausfallen musste. Und ich bin stolz darauf, was die Schüler geleistet haben.“ Wie wertvoll diese Schulfirma sei, zeige sich oft genug später, wenn Ehemalige kommen und sagen: „Das hat uns weitergebracht. Und eine Berufswahl wurde Dank einer Schülerfirma entschieden.“

Um so mehr freute er sich, als die Nachricht mit der Entscheidung des Schiedsgerichts eintraf.

Als Hintergrund:

Schulfirmen der Eichendorffschule waren in den vergangenen Jahren wiederholt bei den Landeswettbewerben dabei, schafften es sogar bis zur Bundesausscheidung in Berlin. Fotos: UP³



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