Ruppertshain (ju) – Ein Sonntagmorgen im Spätsommer – die Sonne bricht durch die Baumkronen, taucht das Ortszentrum in warmes Licht. Zwischen Fachwerkhäusern und stillen Gassen erhebt sich ein Bauwerk, das aussieht wie ein Zelt – groß, klar, einladend. Es ist die Kirche St. Matthäus, deren markante Dachform seit Jahrzehnten das Bild Ruppertshains prägt. Doch heute ist etwas anders. Heute klingt Kinderlachen durch die Türen, die Glocken mischen sich mit Stimmen, und Weihrauch steigt auf in einem Raum, der nicht nur sakral, sondern auch lebendig ist.
Ein Ort mit Geschichte – und mit Zukunft
Die Geschichte von St. Matthäus beginnt nicht erst mit dem heutigen Bau. Bereits 1967 wurde die Kirche feierlich eingeweiht – damals ein Symbol für Aufbruch und Moderne. Ihr Zeltdach war bewusst gewählt: als Zeichen für die wandernde Gemeinschaft Gottes, für Offenheit und Bewegung. Bischof Walther Kampe war zur Einweihung gekommen, begleitet von Geistlichen und Gläubigen, die in Ruppertshain ein neues geistliches Zuhause fanden.
Doch die Zeiten änderten sich. Die Gemeinde schrumpfte, der Raum wurde zu groß, die finanzielle Unterstützung des Bistums versiegte. Gleichzeitig platzte die benachbarte Kita Sancta Maria aus allen Nähten – zu klein, zu alt, nicht mehr zeitgemäß. Was für viele nach einem doppelten Problem klang, wurde in Ruppertshain zur doppelten Chance.
Eine mutige Idee: Kirche und Kita unter einem Dach
2016 begannen die ersten Gespräche. Die Vision: ein Neubau für die Kita, integriert in die Kirche. Kein Nebeneinander, sondern ein Miteinander. 2021 startete die Bauphase, und 2025 wurde das Projekt vollendet. Entstanden ist ein lichtdurchfluteter Holzbau mit Gruppenräumen, Küche und Sanitäranlagen – eingebettet in den sakralen Raum, der weiterhin für Gottesdienste genutzt wird.
Die Architektur erzählt dabei selbst eine Geschichte: Der neue Altar, der Taufstein und der Ambo wurden aus dem Stein des alten Altars gefertigt. Die Kirchenbänke leben in der Holzverkleidung weiter, und Teile der Fenster wurden behutsam integriert. Das barocke Altarbild stammt aus der ersten Ruppertshainer Kirche – ein Stück Vergangenheit, das nun in die Zukunft weist.
Einweihung mit Bischof Bätzing: ein Raum für Hoffnung
Am vergangenen Sonntag war es so weit. Bischof Dr. Georg Bätzing kam zur feierlichen Altarweihe. In seiner Predigt sprach er von Mut, von Gemeinschaft und von der Aufgabe der Kirche, dort zu sein, wo die Menschen sind. Denn die Zeichen der Zeit seien für viele irritierend. Staatenlenker wie Putin oder Trump seien das Gegenbild von dem, was Jesus einst zeichnete. Hochmut hat „Konjunktur“, obwohl den Menschen doch viel eher die Demut stehe. „Es ist an der Zeit, Bescheidenheit zu lernen, und wir als Kirche haben auch noch sehr viel zu tun“, betonte Bätzing. „Die Gesellschaft sucht Orientierung, die wir als Kirche geben sollten.“ Denn wenn man die Dinge realistisch betrachte, seien es gerade die jungen Familien und die Kinder, die heutzutage nicht mehr den Weg in die Kirche fänden. „Was passt da besser, als dass die Kirche sich zu den Kindern aufmacht?“, stellte der Bischof den Bezug zum „Leuchtturmprojekt“ Kita in der Kirche her. Der neu geschaffene sakrale Raum werde somit zur kleinen Kirche in der großen Kirche, umhüllt von Kinderlachen und Lebensfreude.
Bätzing verglich die Bedeutung gerade dieses Raumes mit dem Gleichnis vom verlorenen Schaf (Lukas 15), haben doch tatsächlich 99 Gläubige hier Platz. „Und sollten es hundert sein und dieser eine wäre nicht hier, so würden wir uns auf die Suche nach diesem einen machen und die 99 zurücklassen. Denn Gott sucht aktiv die Verlorenen“, so Bätzing. Gemeinsam stehe man an einem Wendepunkt. Die Welt wird immer weltlicher, die Stimmen der Spiritualität leiser. Doch gerade in dieser Zeit brauche es Leuchtpunkte – Orte und Menschen, die wachen, die lenken, die Orientierung geben. „Die Kirche darf sich nicht zurückziehen, sondern muss sich neu verstehen: als Raum der Sammlung, als Quelle der Kraft, als Kompass in einer sich wandelnden Welt. In seinen abschließenden Worten spiegelte sich die ganze Freude und das Vertrauen in die Zukunft wider: „Sie können stolz auf sich sein. Hier ist Raum für Kinder und Familien entstanden – und gleichzeitig Platz für den Glauben.“
Andächtig wurde es, als die Reliquien des heiligen Urbanus und des heiligen Christianus in den neuen Altar eingesetzt wurden. Bätzing salbte den Stein mit Chrisam, verbrannte Weihrauch an den vier Ecken und in der Mitte – ein Ritual, das den Raum segnete und verband.
Währenddessen feierten die Kinder in der Kita ihren eigenen Gottesdienst. Nach der Eucharistie ging der Bischof zu den Familien, segnete die Kinder, sprach mit Eltern und Erzieherinnen – ganz nah, ganz menschlich.
Ein Ort, der wächst – mit Menschen, Ideen und Herz
Im Anschluss würdigten Bürgermeister Albrecht Kündiger, Architekt Helmut Mohr und Barbara Lecht von der Katholischen Region Taunus das Projekt als Leuchtturm für die Region. Hier sei ein Ort der Offenheit und Freude entstanden, „unter einem großen Dach“, wie Lecht sagte.
Pfarrer Klaus Waldeck erinnerte daran, wie alles begann – mit der Frage: „Für wen sind wir da?“ Die Antwort wurde in Ruppertshain konkret: für Kinder, für Familien, für Glauben, für Gemeinschaft. Mit Mut, Engagement und der Unterstützung der Stadt Kelkheim und des Bistums wurde aus einer Idee Wirklichkeit.
Der Tag endete mit einer fröhlichen Feier auf dem Außengelände. Kinder spielten, Eltern lachten, Gemeindemitglieder tauschten Erinnerungen aus. Und über allem spannte sich das große Zeltdach von St. Matthäus – ein Dach, das nun nicht nur schützt, sondern auch verbindet.
Die Weihe eines Altars in der katholischen Kirche ist ein feierlicher Akt, der den Tisch der Eucharistie zu einem heiligen Ort macht. Zunächst wird der Altar gründlich gereinigt und vorbereitet. In vielen Fällen werden auch Reliquien von Heiligen in einer kleinen Vertiefung im Altar beigesetzt, was ihn zusätzlich mit der Tradition der Kirche verbindet.
Anschließend beginnt die Segnung: Der Priester besprengt den Altar mit Weihwasser, um ihn zu reinigen und zu heiligen. Dann wird der Altar mit Chrisam, dem geweihten Öl, gesalbt – meist an den Ecken und Kanten – als Zeichen seines heiligen Auftrags. Ein besonders eindrucksvolles Element der Zeremonie ist das Entzünden von Weihrauch: Der aufsteigende Rauch symbolisiert die Heiligung des Altars und des Raumes. Gleichzeitig stehen die spiralförmig aufsteigenden Rauchschwaden für die Gebete der Gläubigen, die zum Himmel steigen. Weihrauch drückt Ehrfurcht, Reinigung und die Verehrung des heiligen Ortes aus – und verbindet die Zeremonie mit der jahrtausendealten Tradition biblischer Opferungen.
Nach der Salbung und dem Weihrauchritus werden Kerzen auf dem Altar entzündet, die das Licht Christi symbolisieren. Auf dem geweihten Altar findet schließlich die erste Heilige Messe statt. Von diesem Moment an wird der Altar zum Mittelpunkt der Liturgie und der Gemeinde – als Tisch für die Eucharistie, Ort der Begegnung mit Gott und Zeichen seiner Gegenwart in der Kirche.
Die Altarweihe vereint also mehrere Ebenen von Symbolik: Reinigung, Heiligung, Gebet, Licht und Leben. Jeder Schritt – von der Reliquie über das Weihwasser und Chrisam bis zum Weihrauch – macht sichtbar, dass der Altar ein heiliger Raum ist, der die Gläubigen zusammenführt und Gottes Gegenwart erfahrbar macht.