Äußerlich wirkte Evgenij Voznyuk gefasst, als er gemeinsam mit seiner Frau Motsi Mabuse (bekannt als Jurorin aus der RTL-Show „Let‘s Dance“) den Gartensaal des Kelkheimer Rathauses betrat. An ihrer Seite Bürgermeister Albrecht Kündiger. Die Presse wartete schon auf das Paar, das aus sehr persönlichen Gründen eine Hilfsaktion für die Flüchtlinge aus der Ukraine organisiert hatte.
Evgenijs Eltern eingeschlossen
Blickt man tiefer in Evgenijs Seele, offenbart sich ein Mann, der sich große Sorgen um seine Eltern macht und der dieser übermächtigen Situation in seinem Heimatland ohnmächtig gegenübersteht. Mutter und Vater sitzen gemeinsam mit anderen Hausbewohnern und Kindern in einem Keller in der ostukrainischen Stadt Charkiw, versuchen so, sich vor den Angriffen des russischen Militärs zu schützen. Die Lage ist angespannt. „Wir versuchen, regelmäßig mit ihnen zu telefonieren, aber es ist schon erschreckend und alles andere als beruhigend, wenn man im Hintergrund die Bombeneinschläge hört“, berichtet Evgenij bestürzt. Es ist diese Hilflosigkeit, die ihm zu schaffen macht. An eine Flucht ist nicht zu denken, die Stadt ist eingekesselt, einen humanitären Korridor zur Flucht der Zivilbevölkerung gibt es nicht. Seit Tagen versuchen Motsi und Evgenij, die beiden dort herauszubekommen – vergeblich. Inzwischen gibt es in der zweitgrößten Stadt der Ukraine eine Nahrungsmittelknappheit. Menschen machen sich von weit her auf den Weg, die Eingeschlossenen mit Wasser zu versorgen – 3 Liter für 4 Tage.
Hilfsaktion
Um der Ohnmacht etwas entgegenzusetzen, haben Motsi und Evgenij gemeinsam mit dem Bürgermeister, dem Motorrad-Club „Golden Drakes“ und der Familie Lingenau die Aktion „Hilfe für die Ukraine“ ins Leben gerufen, „denn die Ukraine ist auch Kelkheim“, fügt der Rathauschef an. Es bleibe den Kelkheimerinnen und Kelkheimern momentan nur die Möglichkeit, mit Hilfe von Spenden ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk zu bekunden. „Es ist die Verpflichtung aller demokratischen Länder der freien Welt, so ein Zeichen gegen diesen sinnlosen und völkerrechtswidrigen Krieg zu setzen und den Ukrainern so zu zeigen ,Ihr seid nicht allein‘. Das ist unsere Pflicht“, so ein sichtlich emotionaler Kündiger.
Gesammelt werden vor allem Dinge des täglichen Bedarfs wie Hygieneartikel, Babynahrung, Windeln, Masken, warme Kleidung, Schlafsäcke und warme Decken – denn an den Grenzen zu Polen kommen hauptsächlich Mütter mit Kindern an. Sie aufzufangen und ihnen die Sicherheit zu geben, dass sie keiner weiteren Gefahr ausgesetzt sind, ist sicherlich das Schwierigste.
„Wir möchten unsere Stimme erheben und die Bereitschaft zeigen, dass wir alle gewillt sind, zu helfen“, richtet sich Motsi Mabuse an die anwesenden Pressevertreter. Sie hat ein enges Verhältnis zu ihren Schwiegereltern und leidet ebenso wie ihr Mann an der Ungewissheit. „Ich wünsche mir so sehr, dass wir Evgenijs Eltern hierherbringen können, in Sicherheit und Frieden und dass sie ihre Enkeltochter wieder in die Arme schließen können.“
Appell an die Menschlichkeit
Doch die Achterbahn der Gefühle geht weiter. Die Hoffnung, dass sich in den nächsten Tagen die Lage für die Zivilbevölkerung in den belagerten Städten verbessert, dass die Möglichkeit zu Flucht besteht, wird immer da sein. Die Tänzerin bewegt aber noch ein anderes Thema. „Es ist in diesen Zeiten unfassbar, dass wir immer noch über Rassismus diskutieren müssen“, sagt sie unter Tränen und spielt damit auf Augenzeugenberichte von der polnischen Grenze an, nach denen dort die Menschen mit nicht weißer Hautfarbe selektiert werden und tagelang auf ihre Ausreise aus der Ukraine warten müssen. „Es macht überhaupt keinen Sinn, egal ob rot, weiß oder schwarz, wir sprechen hier über Menschen, denen Schreckliches passiert und die sich in dieser schmerzlichen Situation noch Rassismus ausgesetzt sehen. Wir müssen endlich aufhören damit“, so ihr dringlicher Appell an die Weltöffentlichkeit.
Keine kopflose Aktion
Damit die Hilfsgüter, die Evgenij gemeinsam mit Logistikunternehmen, die ihre Sattelzüge zur Verfügung gestellt haben, an die Grenze bringen will, auch wirklich da ankommen, wo sie hin sollen, arbeitet das Ehepaar mit der Caritas zusammen, die vor Ort die Flüchtlingsströme in Empfang nimmt und die Hilfsgüter verteilt. Der Ukrainer, der eigentlich erst im Lkw mitfahren wollte und jetzt im Pkw den Zug begleitet, hofft, dass er auf diesem Wege vielleicht noch ein paar Flüchtlinge mitnehmen kann. Dass diese hier in Kelkheim jederzeit willkommen sind, steht außer Frage.
Lesen Sie mehr zur Hilfsaktion auf Seite 2