Kelkheim (iba) – Alle waren da. Der Bürgermeister von Kelkheim und der Bürgermeister von High Wycombe, alte Freunde, neue Gesichter und viele, die diese Partnerschaft über Jahrzehnte getragen haben. Gemeinsam feierten sie 40 Jahre Städtepartnerschaft – mit Erinnerungen, Musik, herzlichen Worten und dem gefühl, dass diese Verbindung zwischen Kelkheim und High Wycombe lebendiger ist denn je. Und mittendrin der Mann, der vor über 40 Jahren den Impuls gab: Peter Hillebrecht.
1985: Ronaldo, McFly und Mordern Talking
Es ist das Jahr Null der Verschwisterung von Kelkheim und High Wycombe. Städtepartnerschaften wurden nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert, um den Zusammenhalt in Europa zu fördern und aus ehemaligen Feinden Freunde zu machen. Bereits 1971 wurde Saint-Fons in Frankreich zur Partnerstadt, nun sollte also High Wycombe in England folgen. „Es wird Zeit, dass Deutsche und Engländer damit aufhören, sich wegen nichts und wieder nichts die Köpfe einzuschlagen, statt dessen müssen wir handeln.“ Peter Hillebrecht war zusammen mit Bürgermeister Winfried Stephan (CDU) ganz vorne mit dabei, als es ums Handeln ging, das Kriegskind hatte nicht nur ein deutsches, sondern auch ein persönliches Interesse daran, das Verhältnis zwischen England und Deutschland zu verbessern. In seiner Rede, die er (in fehlerfreiem Englisch) im Plenarsaal des Rathauses hielt und die an die Gäste aus beiden Städten gerichtet war, zeigte er sich beeindruckt davon, wie die Engländer mit den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges umgegangen waren, als der junge Hillebrecht das erste Mal England besuchte: „Wir wurden wie Freunde behandelt. Nicht wie ehemalige Feinde vom Kontinent.“
So kam es also 1985, Christiano Ronaldo wurde in Madeira geboren, Michael J. Fox düste mit seinem DeLorean „Zurück in die Zukunft“ im Radio lief „You‘re My, Heart You‘re My Soul“ in der Endlosschleife, High Wycombe (Buckinghamshire) und Kelkheim (Taunus) wurden Partnerstädte, Peter Hillebrecht machte davon ausreichend „Beweisfotos“.
1995 Heynckes, Heat und Harald
In der Endphase des Krieges wurde der gerade einmal 15-jährige Hillebrecht Kriegsgefangener und traf das erste Mal auf einen leibhaftigen Briten: „Sergeant Major Jim Maycock mit seiner Dose Kondensmilch werde ich nie vergessen.“ Der jahrelange Macher der Kelkheimer Zeitung machte bei seiner Rede keinen Hehl daraus, was er zunächst von den Engländern hielt, „ich war in der Hitlerjugend und wurde entsprechend erzogen“. Er wollte und will vermeiden, dass etwas Vergleichbares je wieder passieren kann, entsprechend war seine intrinsische Motivation, Völkerverständigung zu fördern.
Jupp Heynckes warf als Trainer von Eintracht Frankfurt das Handtuch, die Hollywood-Legenden Al Pacino und Robert De Niro standen in „Heat“ das erste Mal überhaupt gemeinsam vor der Kamera, Sat.1 versendete unter viel Mediengetöse die erste Folge der „Harald Schmidt Show“.
Außerdem feierten die Menschen von High Wycombe mit den Menschen in Kelkheim und dem neu gewählten Bürgermeister Thomas Horn (CDU) ihr Zehnjähriges, Peter Hillebrecht machte davon Fotos.
2005: Angelas Raute, Neles Krimis, Jedermanns YouTube-Videos
„Bei einem meiner Besuche in High Wycombe nahm mich deren Bürgermeister – der während des Krieges Lancesters über Deutschland geflogen hatte – beiseite und sagte mir: ‚Peter, wir waren im Grunde alle noch Jungs, wir wussten und verstanden nicht, was wir da taten.‘ Später, als er als Zivilpilot in Rente ging, hat er danach nie wieder ein Flugzeug betreten.“
Durch seine Tätigkeit bei der Kelkheimer Zeitung, die er schon in den 70ern aufgenommen hatte, wurde der Exil-Göttinger nicht nur das gute Gewissen, sondern auch so etwas wie der fleischgewordene Bildband der Städtepartnerschaft. Egal, wo und wie sich Wycomber und Kelkheimer gegenseitig feierten, der „rasende Reporter“ (Zitat Horn) und seine Kamera waren praktisch immer mit dabei. Auch wenn sich die Welt immer schneller drehte, das Engagement für die Partnerstadt nahm auch nach zwei Jahrzehnten nicht ab.
Merkels bunte Blazer lösten Schröders maßgeschneiderten Brioni-Anzüge im Kanzleramt ab, die gänzlich unbekannte Autorin Cornelia „Nele“ Neuhaus veröffentlichte ihren ersten Roman „Unter Haien“ (im Selbstverlag), eine neue revolutionäre Video-Plattform namens YouTube ging online und Peter Hillebrecht machte Fotos.
2015: Toni, Kirk und Pluto
„Mein Großvater sagte oft, man solle unter England einfach eine große Höhle graben, sie mit Schießpulver füllen und die ganze Insel in die Luft sprengen. Er kam nicht darüber hinweg, dass sein geliebter Flügel während eines Luftangriffes zerstört wurde und er nicht mehr Chopin spielen konnte. Zum Glück wurde der Plan meines Großvaters nie in die Tat umgesetzt.“
Hillebrecht wirkte angefasst, als er von der Kriegs- und Nachkriegszeit berichtete. Manche Menschen schwiegen einfach nur über diese Zeit, andere griffen zur Flasche - Hillebrecht griff zur Kamera und setzte auf offenen und ehrlichen Dialog. Schweigen konnte er offenbar sowieso noch nie besonders gut, schon zu seiner Schulzeit hat er sich damit nicht nur Freunde gemacht. So wurde nicht geschwiegen, sondern das freundschaftliche Verhältnis gepflegt, Feierlichkeiten wollten organisiert werden, Besucher wollten bei Gastfamilien untergebracht werden, das alles wollte ausreichend dokumentiert werden.
Während also Neuzugang Toni Kroos seinen ersten Titel mit Real Madrid gewann, Hollywood-Altstar Kirk Douglas seinen 99. Geburtstag feierte, die 2006 gestartete Weltraumsonde „New Horizons“ endlich den Pluto erreichte (der mittlerweile seinen Status als Planet aberkannt bekam), machte Hillebrecht weiter fleißig Fotos.
2025: Bayern ohne Müller ist wie Kelkheim ohne „Hille“
„Ohne Peter Hillebrecht würde es die Partnerschaft mit High Wycombe in dieser Form nicht geben!“ Bürgermeister Albrecht Kündiger nahm wohl vielen Anwesenden das Wort aus dem Mund.
Auch würde es die vielen Fotografien, die diese Partnerschaft dokumentieren, nicht geben. Um ebendiese vierzigjährige Partnerschaft (und Hillebrechts Werk) gebührend zu würdigen, gibt es seit dem 27. Oktober bis zum 14. November im Kelkheimer Rathaus die Ausstellung „Special Moments“ – ausgewählte Fotos der letzten vier Jahrzehnte sind dort zu sehen.
Konzepte und Verträge auf dem Papier mögen ja schön und gut sein, aber Menschen folgen nun mal Menschen, ohne die sind solche Partnerschaften nur graue Theorie.
Hillebrecht sind viele Menschen gefolgt, er selbst ist vielen Menschen gefolgt, eine Menge davon hat er früher oder später vor die Linse bekommen, beim Musizieren, beim Tanzen, beim Feiern, beim Händeschütteln und beim Fußball spielen.
Zum ersten Mal seit den 1950ern hat England keine Queen mehr (eigentlich undenkbar!), zum ersten Mal seit über 15 Jahren ist Thomas Müller kein Spieler des FC Bayern mehr (eigentlich undenkbar!) -- aber dass Leute aus Kelkheim und High Wycombe zusammen ihr Jubiläum ohne ihren „Hille“ feiern? Nein, das ginge dann doch zu weit. Im weiteren Verlauf des Vormittages wurden Reden gehalten, Geschenke übergeben, Hände geschüttelt, in Erinnerungen geschwelgt und musiziert. Und als der offizielle Teil abgeschlossen war, tat Peter Hillebrecht was? Er schaute sich Fotos an ...


